Gustave Bernadel Paris

  • Hallo,


    würde gerne mal eine Einschätzung hinsichtlich meiner Geige erhalten. Ich spiele sie seit ca. 20 Jahren. Mein Vater hat damals mehrere Tausend DM dafür bezahlt, genaueres weiss ich allerdings auch nicht. Ich selbst bin jedoch immer wieder fasziniert vom Klang und der leichten Spielbarkeit dieser Geige.


    Folgende Anmerkungen als Ergänzung zu den Bildern:


    Auf dem Zettel im Innern steht folgender Text:


    GUSTAVE BERNARDEL
    Luthier du Conservatoire de Musique
    N° __44_ Paris ____1894__


    Dabei sind die Nummer 44 und die Zahl 94 handschriftlich eingefügt.


    Die Geige ist ein einem guten Zustand, direkt am Steg gibt es allerdings Lackschäden und oben rechts ist der Lack auch sehr "abgegriffen". Diese Abnutzungserscheinungen hatte die Geige vor 20 Jahren auch schon, sie deuten für mich auf einen intensiven Gebrauch schon vor "meiner" Zeit hin. Risse oder ähnliches habe ich an der Geige noch nicht gesehen.


    Freue mich auf Einschätzungen von Fachleuten...


    Grüße


    turboburger

  • Hallo,


    ich muss zugeben, ich habe die Geige jetzt 20 Jahre gespielt und mich auch nie darum gekümmert, wer oder was Bernardel war :) Habe mich einfach nur an der Geige erfreut.


    Warum auch immer, habe in den letzten Tagen mal im Internet recherchiert und zum Namen "Gustave Bernardel" dann erfahren, dass er als einer der bedeutenden französischen Geigenbauer zur Jahrhundertwende gilt.


    Wenn es vermutlich keine echte Bernardel ist (was ich auch nicht erwartet hätte), was kann man dann über die Herkunft und das Alter sagen? Wurden Bernardel-Zettel genau so gerne verwendet wie beispielsweise Stradivari-Zettel? Wenn ja, von wem? Der Begriff "Conservatoire" legt darüber hinaus nahe, dass der gute Gustave sein Wissen ja auch weitergegeben haben könnte. Kann es sein, dass auch die Geigen seiner Schüler, die quasi unter seiner Aufsicht gebaut wurden, mit solchen Zetteln versehen wurden?


    Und was sagt Ihr zum Alter? Ist die genannte Jahreszahl realistisch? Lässt sich aus der "Seriennummer" irgendein Rückschluss ziehen?


    Freue mich auf Antworten, die die Geschichte meiner Geige noch ein wenig mehr aufhellen könnten...


    Vielen Dank


    turboburger

  • Namen aus der Familie Bernadel werden, wie die aller berühmten Geigenbauer, tatsächlich auch häufiger für "Nachahmungen" verwendet, zwar seltener als der Name Stradivari, dafür aber nicht so leicht und eindeutig als Fälschung zu erkennen.
    Was im vorliegenden Fall gegen die Echtheit spricht ist die nicht perfekte Ausführung, u.a. der Schnecke, die aber die für "Franzosen" typische schwarze Randmarkierung zeigt.
    Andere Geigen von G. Bernadel weisen keine Schattierung zwischen Steg und Griffbrett auf, auch ist die Holzauswahl für den Boden eine andere.
    Im Sinne der Wahrscheinlichkeit wurde eine deutlich jüngere (ca. 50-80 Jahre alte) fanzösische Geige (die meisten stammen aus Mirecourt in den Vogesen) mit dem Bernadel-Zettel "aufgewertet" - eigentlich egal, wenn sie schön klingt und damit ihren Zweck voll erfüllt..
    Mit freundlichen Grüßen
    Rainer

  • Zitat

    Original von Rainer
    Was im vorliegenden Fall gegen die Echtheit spricht ist die nicht perfekte Ausführung, u.a. der Schnecke


    Hmm.. der Lack ist dort teilweise abgekratzt und verdreckt.


    Die Wirbellöcher wurden neu gefüttert, d.h. sie wurde sicher schon viel und lange
    benutzt. Das Alter einer Geige ? kann man das überhaupt so einschätzen?
    Es gibt ja uralte Geigen, die wie neu aussehen.

  • Habe noch mal weiter gesucht. Unter


    http://www.violin.ch/violins4.htm


    finden sich Bilder einer (anscheinend) echten Bernardel von 1894. Wobei ich im Vergleich mit meiner Geige viele Gemeinsamkeiten feststellen kann, bis hin zur Schrift des Zettels (Vergleiche die Schreibweise von "Paris") Aber natürlich auch viele Unterschiede wie z.B. die deutlich sauberer gearbeitete Schnecke. Mache sich jeder selbst sein Bild...


    Schönen Abend noch

  • Die Schrift auf dem Zettel deiner Geige ist zugelaufen, das passiert
    gerne beim Kopieren, aber keine Ahnung ob das was aussagt, jeden-
    falls sieht der originale Zettel frisch gedruckt aus.


    Was aber auffällt: Die Schnecke hat einen ganz anderen Schwung.
    (Beide Bilder nebeneinander machen das doch sehr deutlich)


    Gruß,
    Fiddler

  • An dieser 'Bernardel' stimmt vieles nicht, als allererstes das Bodenholz, die Woelbung, die Ecke, die Form der F-Loecher ...


    Das ist in der Tat eine ganz typische G Bernardel, http://www.violin.ch/violins4.htm,
    er hat das Bodenholz bei einer ganzen Reihe von Instrumenten verwendet (ueber mehrere Jahre bei allen mit geteiltem Boden). Typisch is hier auch die Ausarbeitung der Woelbung von den F-Loechern zur Zarge hin, das weite Purfling (1.5mm), die Form der F-Loecher und die laengliche Form des Geigenkoerpers. Auch die Lackfarbe auf gelbem Hintergrund sind typisch.
    Auch der Zettel ist echt wobei es wenige gibt wo er fuer die Endziffern Bleistift statt Tinte verwendet hat.
    Die Schnecke ist leicht untypisch, weniger flach am Ende, die Form von hinten ist auch untypisch, sieht sonst so aus: http://robertsonviolins.com/up…Gand-&-Bernardel-1887.jpg
    Er hat aber leicht variiert.


    Gruss ugunt