Anonyme Geige - restaurationswürdig?

  • Ziemlich zu Anfang meiner Amateurgeigenbauer-Karriere hab ich mir diese Geige zugelegt. Von außen sah sie auf den mäßigen Bildern ganz schick aus, und ich wusste noch nicht wirklich, worauf ich achten muss. So hab ich ziemlich viel Geld bezahlt, um dann beim Aufmachen festzustellen, dass sie einen Decken-Stimmriss hat, vermutlich nicht mal 20 Jahre zählt und aus China ist, künstlich auf alt getrimmt durch dunkel gefärbtes Boden- und Zargenholz innen. Natürlich sind weder das Griffbrett, noch Ober- und Untersattel aus Ebenholz.

    Das ist Lehrgeld, was wohl jeder zahlen muss.


          


          


          



    Meine Frage ist aber nun:

    Was mache ich mit ihr? Die Decke klingt beim Anklopfen sehr schön glockig, und der Boden hallt auch schön nach. Die Schnecke ist hübsch gestochen und die Innenarbeit sauber mit vier Eckklötzen. Investiere ich die Zeit, um ein Stimmfutter zu machen, damit sie wieder spielbar ist? Dann muss ich sie konsequenterweise auch spielfertig einrichten. Ziehe ich dann z.B. auch gute Saiten auf? Beize ich Griffbrett und Obersattel wieder schwarz oder öle sie der Ehrlichkeit halber nur, obwohl das Holz verbeizt ist? Retuschiere ich die Deckenrisse? Oder biete ich die Geige im jetzigen Zustand als Bastlergeige an für jemanden, der Stimmfutter und Lackretusche üben will?


    Für welchen Preis kann man so eine No-Name-Geige mit Stimmriss spielfertig anbieten? Selbst wenn sie gut klingt, bekomme ich mit ziemlicher Sicherheit nicht das Geld raus, was ich reinstecke. Als Lagerfeuer-Geige für mich selbst verwenden, obwohl ich quasi nie am Lagerfeuer sitze und schon mehr Geigen habe, als ich spielen kann? An jemanden mit wenig Geld günstig abgeben? Wie findet man so jemanden, ohne dabei über's Ohr gehauen zu werden?


    Weil ich der Geige Potential zutraue, will ich sie nicht in die Tonne stecken, obwohl das vielleicht die vernünftigste Option wäre. Ich bin gespannt auf Eure Meinungen.

  • Naja, positiv ist doch schon mal sie hat kein Wurm. Und sie bröselt auch nicht durch Pilzbefall weg.

    Die heikle Frage muss jeder für sich selber beantworten. Für mich lautet sie folgendermaßen:



    Eine Geigenreparatur lohnt sich fast nie, also lohnt sie sich für mich immer. Aber mir geht es um die Reparatur und mein Spaß und nicht ums „lohnen“,also nicht im Sinne von Geld.🤷‍♂️😉.


    Ich habe in einem ähnlichen Fall die Risse in 10 Minuten zusammen geleimt. (Ohne Belege). Nächsten Tag die ganze Geige zusammengebaut und Spiel fertig gemacht. Seit einem Jahr spielt ein Schüler darauf und ich warte jeden Tag darauf, dass das Teil zusammenbricht. Macht es aber einfach nicht😂😂😂

  • Ja, ich hatte hier auch überlegt, den Stimmriss einfach mit einem größeren Beleg quer zur Faser zu sichern. Er ist ja bündig zu, da gibt's keine fehlenden Holzfasern.

    Hast Du die Geige, von der Du sprachst, dem Schüler verkauft, verliehen oder geschenkt Chiocciola? Wenn ich etwas verkaufe, will ich auch, dass es funktioniert und nicht bei nächstbester Gelegenheit kaputt geht.


    Liege ich mit meiner Einschätzung zur Herkunft (China, jüngeren Datums) Deiner Meinung nach richtig?

  • „….jüngeren Datums“ ist relativ: ich fühle mich „jung“, aber meine Söhne schimpfen über ihren „alten Herrn“. 😉.



    30-80 Jahre? Ein Lichtkasten hilft da sehr, speziell in diesem Altersbereich.


    Die Geige, die nicht kaputt gehen will ist verliehen. Kann schon sein, dass sich das fehlende Futter nach einigen Jahren rächt.