"Ungarische Flohmarkt-Geige"

  • Hallo zusammen, habe vor Kurzem dieses Forum entdeckt und vielleicht könnt Ihr mir ja helfen mit folgender Geige, die meine Mutter auf einem ungarischen Flohmarkt gekauft hat - mehr, um sie an die Wand zu hängen als zu spielen.


    Sie klingt recht scharf (aber irgendwie klingt sie schon, manche Töne überraschen richtig und sie spricht sehr gut an) und ist total asymmetrisch gebaut. An einer Stelle steht der Rand viel zu weit über dem Boden über, an anderer fast überhaupt nicht. Der Hals ist schief, so dass die Schnecke gekippt ist. Alles irgendwie "gepfuscht", aber dann wiederum hat sich ja jemand die Mühe gemacht, das Instrument zu bauen, und eventuell sogar zu reparieren? Ich stelle einfach mal ein paar Photos ein und vielleicht sagt ja jemand was dazu - falls andere Photos oder Maße sich lohnen bitte ich um Aufforderung.


    Vielen Dank für jegliche Meinung


    EDIT: leider darf ich nur 5 Bilder hochladen - Label sagt AEgidius Kloz in Mittenvvald an der Iser, 1770, also wahrscheinlich eh nutzlos....kann es aber gerne noch hochladen.

  • dürfte wieder so eine Stainer aus der ehemaligen k u k Monarchie sein. Mag sein, dass sie mal durch Austrocknung des Holzes und Alterung verzogen ist. Das passiert manchmal sogar teuren Geigen.
    Beim Wert bin ich pessimistisch. Aber ich kann mir auch eines besseren belehren lassen. Vielleicht meldet sich noch wer.

  • PS: es gab auch in Ungarn Manufakturen, meist von eingewanderten Böhmen. Berühmt waren die frühen Stowasser, die nach dem WK1 nach Graz zogen. Diese erinnert mich an paar derer Geigen. Ich hatte einige von denen, und die waren nicht mal so schlecht gemacht. Nützte nichts, bekam ein Butterbrot dafür.

  • auf den ersten blick errinert die mich schon an geigen der klotz-familie. also mittenwald würde ich schon eher als sachsen/böhmen tippen. und schlecht sieht sie auch nicht aus. ich besitze ebenfalls eine klotz-geige, wo die decke an 2 stellen stärker über den rand treten. oftmals ist in den klotz-geigen ein stainer-zettel drin. ihre hat auch eine stainerähnliche form, vorallem die hohe wölbung errinert stark daran.die familie arbeitete hauptsächlich nach stainer. für mich persönlich könnte es sich um eine klotz handeln. aber die klotz-geigen wurden extrem häufig gefälscht, bzw. nachgeahmt. scheint auch, dass der orig. hals noch dran ist. sie sollten auf jeden fall damit zum geigenbauer, der kann das instrument auch zeitlich besser zuordnen.
    zum wert (wenn es keine klotz ist): ein mittlerer 3-stelliger betrag sollte bei ebay drin sein. wenns ne echte klotz ist, sollten es schon paar tausend euro werden, aber natürlich nicht bei ebay sondern bei renomierten auktionshäusern

  • Vielen Dank für die beiden Meinungen - ich stelle doch nochmal ein Photo des Zettels hoch und die Maße, vielleicht hilft das ja doch, eine der Meinungen zu verhärten?


    Länge: 59.5
    Korpus: 35.8 - 16.2 - 10.8 - 20
    Halsmensur: 13, Decke 19.7


    Auf http://typo.geigenbaumuseum-mittenwald.de/index.php?id=141
    ist zu finden, dass Ägidius Klotz nur 2 unterschiedliche Zettel benutzt hat - beide anders als der wohl gefälschte - und außerdem die Geigen durch kleine Mensur auffielen! Diese hat ja "normale" Mensur.


    Komisch ist allerdings, dass der siebte Treffer der google Bilder Suche


    nach [URL=http://www.google.de/imgres?sa=X&tbm=isch&tbnid=mOiQNZXDGW-FcM:&imgrefurl=http://www.amati.com/maker/information-on-klotz-aegidius-violin-maker-in-mittenwald-germany.html&docid=F45Uoa9i4D4NcM&imgurl=http://www.amati.com/images/makers/large/4f9ede97ed4c65.16735757.jpg&w=604&h=183&ei=llSWUoT5KeK9ygPezYKgBg&zoom=1&iact=hc&vpx=792&vpy=266&dur=841&hovh=123&hovw=408&tx=185&ty=71&page=1&tbnh=78&tbnw=251&start=0&ndsp=40&ved=1t:429,r:6,s:0,i:103&biw=1440&bih=747]ägidius kloz label[/URL]


    ein dem Label ganz ähnliches hervorbringt von amati.com. Ob die falsche Informationen haben?


    Nächste Woche belästige ich hoffentlich einen Geigenbauer damit :)

  • So schlecht finde ich das Instrument gar nicht. Das Deckenholz ist recht fein, und der ganze Boden ist auch recht nett, alles in allem sieht mir das so auf den ersten Blick aus wie ein solides Schulinstrument. Nix Überragendes, aber auch nix was man ohne weitere Versuche sofort an die Wand hängen muss. ;)


    Dass Instrumente, die lange gelegen haben, etwas scharf klingen, ist nicht ungewöhnlich. Das Holz muss sich wieder "einschwingen", gerade wenn das Instrument etwas verzogen ist. Mein Rat: neue Saiten (altes an den Saiten klebendes Kolophonium mit neuem gemischt quietscht oft, und alte Saiten neigen, wenn sie abgespielt sind, zum "Pfeifen"), Sitz von Steg und Stimme überprüfen lassen und das Instrument klanglich einstellen lassen, und dann mal schauen was nach ein paar Wochen Spielen an Klang wiederkommt. Evtl. muss man dann noch mal klanglich was einstellen, aber man bekommt schon mal einen Eindruck was in der Fiedel noch drinsteckt.

  • Dass sich der Klang einer Geige durch Spielen verbessert, halte ich zwar für
    ein Gerücht, dieser Geige traue ich jedoch sofort einen guten Klang zu. So wie jede gute neue Geige auch sofort gut klingt, nicht erst nach längerem Einspielen. Bis jetzt hat noch jede Geige, die ich hatte, ihren eigentümlichen Klang behalten. Ob sie nun schon Jahrzehnte herumlag oder nicht. Minimale Veränderungen sind natürlich möglich, aber nicht nachprüfbar, da die Geige durch die Umgebung, Wärme, Feuchtigkeit, Reparaturen, Steg, Stimme, anderer Bogen etc. immer Veränderungen unterliegt.
    Also zurück zu der Geige. Mir gefällt sie ausgesprochen gut. Beeinträchtigt denn die schräge Schnecke das Spielen irgendwie? Sieht der Hals insgesamt verzogen aus?