Leopold Widhalm

  • Hallo, normalerweise reicht der normale Menschenverstand um sich diese Frage selbst zu beantworten. Aber was ist schon normal.. Die Geige ist über 200 Jahre alt. Die Stellen an dem der Lack abgetragen ist, nennt man Gebrauchspuren, sowas kommt bei alten Instrumenten, Autos etc. schon mal vor. Zu solchen Gebrauchsspuren gehören unter anderem auch Lackabnutzungen, welche wenn nicht künstlich hervorgerufen nicht schlimm sind sondern dem Instrument gergde den gewissen Charme einer alten Geige verleihen. Schlimm ist nur wenn jemand sich an dem Instrument zuschaffen gemacht hat und den Lack entfernt, bzw. neuen lack aufgetragen hat.


    Wie stark diese Gebrauchspuren sichtbar sind, hängt auch viel mit dem Lack des jeweiligen Instrumentes zusammen. Ist es ein weicher Öllack, dann ist der Lack empfindlicher und reagiert auch dementsprechend empfindlicher auf Gebrauch. Ein harter Spirituslack, kann da schon mehr vertragen. Wie stark man solche Lackabnutzungen sieht ist von Lack zu Lack von Instrument von Instrument verschieden und nicht zuletzt Abhängig davon wie eine Geige behandelt wurde über die vielen Jahre. Es gibt Geigen die nach 50 Jahren schon erhebliche Lackabnutzungen/Gebrauchsspuren aufweisen, weil der Lack z.b empfindlich auf Schweiss reagiert.

  • Genau so ist es, und wenn eine Geige nur herumliegt, bekommt sie auch keine (echten) Gebrauchsspuren!
    MfG
    Rainer


    P.S.:
    Es ist früher auch häufiger vorgekommen, dass ein Stück Kolophonium im Kasten unter den Geigenboden geraten ist und dort Abschürfungen verursacht hat.
    Viele von jüngeren Schülern gespielte Geigen haben außerdem Querstreifen am Boden, weil die Kids gerne mal mit dem Bogen auf dem Lack streichen.

  • Gegen eure Erklärung spricht aber ganz klar die von mir gezeigte
    Beispielgeige: http://www.geige24.com/shop/artikel-grou...reuth_2008.html


    Die Abnutzung ist genau dort, wo sich die Geige NICHT abnutzt, selbst wenn
    der Hals mal anders gewesen sein soll.


    Sie soll aber alt-imitiert sein. Wer sagt, dass die Widhalm-Geige nicht ebenso
    eine "freie" Lackierung bekommen haben soll? Warum sollen die Widhalm-
    Kunden nicht auf ähnliche Schattierungen gestanden haben?


    Eine wirklich gute wertvolle Geige wird in aller Regel auch gut behandelt
    und kaum in einen ungepolsterten Holzkasten gesteckt. Die Stadelmann-Geige
    ist z.B. von 1950 bis 1990 im Gebrauch meines Großvaters, danach
    bei mir selbst. Sie hat sich in den 60 Jahren nicht merklich verändert. Wenn
    sie weiter so behandelt wird, wird die sich auch in weiteren 200 Jahren
    kaum verändern. Ich habe schon mehrere Geigen aus Holz-Särgen und
    sogar reinen Leinen-Taschen zu sehen bekommen. Keine hatte derlei
    komische Abnutzungen, wo großflächig die komplette Farbe abgetragen
    war. Ein guter Lack schützt doch gerade gegen Schweiß und Nässe.


    So und nun schlagt auf mich ein :D



    P.S: Das mit dem Kolophonium ... früher waren die Leute dümmer als heute?
    Oder wie ist das mit "früher" gemeint? Bei kleinen Schülern kann
    ja immer was vorkommen, aber wir sprechen doch von wertvollen Meister-
    geigen, nicht von Schülergeigen oder Wirtshausklampfen.

  • eine Antowrt lohnt eigentlich nicht. Ich habe schon viele Menschen gesehen die auf dem Gebiet Geigen, keine Ahnung haben aber sonst sehr intelligente Menschen sind welche sich was erklären, was sagen lassen und einen guten Rat annehmen und zu schätzen wissen aber sojemanden habe ich persönlich noch nicht kennengelernt. Muss schon darüber lachen... Es gibt einie Kopien die so gut auf "alt imitiert" sind das man es nur schwer erkennt, ob sie nun wirklich sehr alt sind oder nicht. Einige Berühmte Beispiele dafür sind die Gebrüder Volller. Nur dann sind es Instrumente die auch in die tausende gehen. Bei einfach gemacht Imitationen sieht man es auf dem ersten Blick, wenn man schon einige Geigen in der Hand gehabt hat.

  • Ich habe auch das Gefühl, dass sich der Fiddler hier "bewusst unwissend" gibt, vielleicht weiss er aber auch wirlich nicht, dass Kolophonium früher nicht so schön in Stücken konfektioniert war, sondern als mehr oder weniger großer brüchiger Harzklumpen im Geigenkasten mitgeführt wurde.
    MfG
    Rainer

  • Zitat

    Original von BellaVita
    eine Antowrt lohnt eigentlich nicht.


    Warum versuchst du nicht, eine konkrete Antwort zu geben?


    Dass es schlecht und gute Imitationen gibt, liegt auf der Hand, schlechtes
    und gutes gibt es überall, hat aber nichts zu tun mit den Abnutzungen, die
    ich beschrieben habe.


    Einen Lack in der Mitte wie unbenutzt zu lassen und außen großflächig "abgenutzt", dort wo eigentlich keine Gefahr besteht, hat nichts mit guter oder schlechter Imitation zu tun. Oder soll die hier schlecht imitiert sein? http://www.geige24.com/shop/artikel-grou...reuth_2008.html


    Ich bitte darum, nicht einfach ungenau zu lesen und mich deshalb versuchen lächerlich zu machen.


    Bisher ist auch meine allererste Frage des ersten Beitrags noch unbeantwortet geblieben.



    P.S: Rainer: Das mit dem Kolophonium leuchtet mir bei Schülergeigen
    schon ein (hab ich ja geschrieben), ein Geiger hatte sicher auch
    früher Möglichkeiten, sein Kolophonium ordentlich zu verpacken.
    Aber das ist jedenfalls eine klare Erklärung, vielen Dank!

    • Offizieller Beitrag


    Zur ersten Frage: Ich denke nicht, dass es sich um eine Widhalm - Kopie handelt. Dann wäre das Lackbild sehr fragwürdig und es würde sofort jedem auffallen, dass es mit Widhalm nichts zu tun hat. Einige Auslassungen zur Kopie am Ende des Textes*. Eine Kopie hätte ja den Sinn, das Original vorzutäuschen. Das ist hier definitiv nicht der Fall. Bestenfalls wurde die Geige in Anlehung an Stainer / Widhalm gebaut.


    Nun gibt es mehrere Möglichkeiten: Die Geige wurde nicht vom Erbauer lackiert (was hier sehr wahrscheinlich ist). Er hat getan was er konnte. Er dachte, so sehen alte Geigen aus. Oder er wollte einfach nur die Geige auf alt imitieren, ohne sich groß Gedanken zu machen, ob das alles logisch ist was er hier macht. (Die Geigenbauer in Sachsen haben ja auch mal das Hopf- Modell für sehr schön empfunden... bis sie mal italienische Geigen gesehen haben. Diese haben sie dann auch wieder auf die ihnen eigene Weise mit mehr oder weniger viel Sinn für Geschmack nachgeahmt.) Alt imitiert lackieren ist manchmal schwieriger als Neulackierung. Weil man sich da eben sehr schnell in Fragen der Ästhetik wiederfindet. Und über Geschmack kann man bekanntlich streiten, besonders über schlechten.
    Fazit: Die Intention war nicht, eine Widhalm Kopie anzufertigen.


    Warum sieht die Widhalm vom Lackbild so aus wie sie aussieht? Dazu müsste man wirklich die Geschichte dieses Instrumentes kennen. Was die Geige alles erlebt hat usw. Man weiß nicht ob es original Lack ist, ob die Schattierungen echt sind oder mal von einem wohlmeinenden Geigenbauer oder Händler "eingearbeitet" wurden. Man hat sich früher nicht so sehr um Respekt vor einem "Original" bemüht. Das ist erst ein Zeitgeist unserer Tage. Also warum diese Widhalm so aussieht wie sie aussieht kann man hier im Forum einfach nicht beantworten.


    Siehe dann auch die Beiträge zu Spirtuslack und Öllack weiter oben. All das sind mögliche Erklärungen.



    *"So kommen wir vom Terminus Original über Verfälschung zum Begriff Kopie. Hier müssen wir sehr differenziert vorgehen. Die Schaffung einer Kopie als solches ist wertfrei in Bezug auf Ehrlichkeit oder Betrug. Betrug wird es erst dann, wenn man sie als "Original" verkaufen möchte. Eine Kopie kann dabei vom Original kaum unterscheidbar sein. Hierfür bekannt sind z. B. die Gebrüder Voller (England). Sie fertigten eine Kopie einer Stradivari an, die von einer ganzen Reihe Experten für echt gehalten wurde und auch entsprechende Zertifikate bekam. Die Vollers verkauften aber besagtes Instrument als eine "Stradivari-Kopie. Es handelte sich also nicht um eine Fälschung. Einige Zeit später tauchte diese Geige aber als eine mit Expertisen von namhaften Experten versehene "Stradivari" auf dem Markt auf. Aus der Kopie wurde eine Fälschung ? vorgenommen durch einen gierigen Händler. Aufgeflogen ist dies nur, weil William Voller, der eigentliche Hersteller, eine eidesstattliche Erklärung abgab, dass er der Erbauer dieser Stradivari ? Kopie sei."

  • Ach, vielen Dank für deinen Beitrag. Das erhellt einiges!!


    Da kann ich mir die letzte Frage fast sparen:


    Gibt es ein Vorbild, nach dem Herr Mahr diese Geige auf alt imitiert hat?
    http://www.geige24.com/shop/artikel-grou...reuth_2008.html



    Ich denke (kann mich irren), Walter Mahr hat es gar nicht nötig, eine Geige zu kopieren,
    sondern trägt den Lack nach seinen Vorlieben auf. Und genauso denke ich,
    kann das auch ein Widhalm getan haben, so wie unzählige andere.
    Oder eben ein Geigenbauer, der die Widhalm-Geige einmal nachlackieren
    musste, so wie ich es aus deinem Beitrag lese.

    • Offizieller Beitrag


    Zur Frage 1: Meines Wissens nach nicht. Einfach "frei Schnauze". Er wollte ja keine Kopie schafften, sondern einfach nur ein Instrument so lackieren, dass es nicht "neu" aussieht. Technik: Lackieren und mit einem Leinenlappen wieder Farbe wegnehmen.


    Zu 2. : Da man damals noch wenig Lust hatte irgendetwas auf "alt" zu machen, sondern froh war, wenn es möglichst wie aus dem Ei gepellt aussah, ist es eher unwahrscheinlich, das Widhalm seinen mühsam aufgetragenen Lack wieder weggewischt hat. Auf Design im heutigen Sinne legte man damals keinen Wert.


    Nachlackieren: Ist nur ein möglicher Erklärungsansatz. In 250 Jahren ist viel passiert. Die Geige hat 2 Weltkriege überlebt usw. Man könnte nun, um weiteren Spurenlese zu betreiben den Lack unter Schwarzlicht ansehen. Dann sieht man, ob mal dazulackiert worden ist. Oder Lackanalysen unter Mikroskop usw.


    Theoretisch wäre es auch denkbar, dass mal jemand zum Widhalm ging und so eine Geige bestellt hat. Mit diesem Lackbild. Ist aber eher aus der Zeit heraus verstanden unwahrscheinlich.



    Nur mal ein Beispiel. Hat jetzt mit Widhalm nichts zu tun. Es gibt eine überlieferte Geschichte dass jemand mal eine Geige bei Jean Vauchel (1782 - 1856) bestellt hat. Dieser hat sie dann wunderschön angefertig. Als der Kunde sie abholen wollte, fing dieser an, am ausgemachten Preis zu verhandeln. Vauchels Reaktion war, dass er die Geige vor den Augen des Kunden kurz und klein geschlagen hat. Jetzt fangen wir mal das Spinnen an: Ein fiktiver Erbe hat die Geige später repariert und lackiert... Wir stehen heute fiktiv vor eine Jean Vauchel Geige und können uns nicht erklären, warum sie so aussieht wie sie aussieht...