Violine "Degani Giulio di Eugenio"

  • Hallo liebe Experten,


    ich lese schon seit längerer Zeit in diesem Forum mit und habe nun tatsächlich eine Frage zu einem Instrument, welches in meinem Besitz schlummert.


    Es handelt sich um eine Geige (obwohl ich doch Cello spiele) mit der Inschrift:


    "DEGANI GIULIO DI EUGENIO
    premiato con gran diploma d'onore in Milano
    e medaglia d'oro in Torino
    Anno 1796 (unleserlich: 1 fehlt 7 ist eine Vermutung)
    FECE IN VENEZIA"


    Nun zu meiner Vermutung: Eine originale Degani-Geige wird es wohl kaum sein, denn mit Recht großer Sicherheit ist die Jahresangabe 1796 und dann müsste sich Giulio Degani im eigenen Jahrhundert vertan haben, was ich einfach mal für ausgeschlossen halte. Im übrigen macht mir die Inschrift mehr einen historisierten als einen historischen Eindruck. Das mag aber täuschen.


    Die Geige stammt aus dem Besitz eines angesehenen Medizinprofessors (erst kürzlich verstorben) aus Oberfranken, der sie wiederum aus Familienbesitz übernommen haben soll. Sie diente ihm nach Angaben der Nachfahren seit seiner Jugend und war die letzten 20-30 Jahre nicht mehr in Benutzung. Ich denke, es wird sich um einen Nachbau bzw. eine Fälschung aus dem frühen 20. Jahrhundert handeln, ich kann das aber nicht wirklich verifizieren. Was mir aufgefallen ist, ist der Saitenhalter mit Perlmutt und der verzierte Kinnhalter. Ich denke, es wird sich um ein "besseres" Schülerinstrument gehandelt haben, aber sicher bin ich mir nicht.


    Es sind einige ausgebesserte Kratzer vorhanden, auf der Rückseite befindet sich zudem ein reparierter Riss zwischen den Zargen (ca. 3 cm).


    Die Geige müsste wohl ein wenig aufgemöbelt werden (neue Saiten u. neues Griffbrett aufziehen, Stimmstock überprüfen, möglicherweise auch Wirbel und Saitenhalter erneuern, reparierten Riss überprüfen), ich bin mir aber nicht sicher, ob das lohnt.


    Meine eigentliche Idee ist ein wenig dynastisch: Ich möchte ein vernünftiges Instrument für eventuelle Nachfahren in meiner Familie haben und stelle mir daher die Frage, ob eine Restauration dieser Geige überhaupt Sinn macht.


    Für Hilfe und Ratschläge bzw. eine erste Einschätzung wäre ich sehr dankbar.


    Mit den besten Grüßen


    MunichStylaz

  • Darüber hinaus sind noch zwei Bögen vorhanden, die ich auch noch fotografiert habe. Der eine verfügt über Perlmutt am Frosch, jedoch keine Inschrift (Bogen Nr. 1). Der andere trägt die Inschrift "A.R. Sandner", hat aber einen einfachen Frosch ohne Perlmutt (Bogen Nr. 2).


    Die Fotos hänge ich an.


    Hier der Bogen Nr. 1

  • au weh! Das ist eindeutig ein Anno ?796
    Damit ist es mit ziemlciher Sicherheit eine Fälschung. Es könnte eine aus der Werkstatt von Franciolini sein. Dieser Meisterfälscher konnte verdammt gut große Meister nachbauen, hätte er nicht in Sachen Jahreszahlen und generell mit den Gesetzen der Chronologie solche Probleme gehabt, wenige wären ihm auf die Schliche gekommen.

  • Ich teile diese positive Beurteilung nicht und halte die Geige (wie ihr Besitzer) nur für eine ca. 100 Jahre alte bessere Schülergeige nach dem Degani-Vorbild. Deren Wert wird allerdings durch den offensichtlichen, nicht sehr schön reparierten Bodenstimmriss noch zusätzlich gemindert. Ob sich der Restaurierungsaufwand überhaupt lohnt, wird m. E. entscheidend vom Klang abhängig zu machen sein, der den eigentlichen Wert dieser Geige ausmachen dürfte.
    Der Bogen mit dem Perlmutt verzierten Frosch und der stumpfen Spitze entpricht dem Tourte-Modell.
    Sandner ist eine alte Geigenbauerdynastie aus dem jetzt tschechischen Schönbach, die nach dem Krieg u.a. nach Franken übergesiedelt ist.
    M. E. könnte vor allem der "Tourte" einen größeren Wert haben.
    Ich würde eine Vorstellung des gesamten Sets beim Geigenbauer mit der Erstellung eines Kostenvoranschlags empfehlen.
    MfG
    Rainer

  • Hm...das klingt ja gar nicht so schlecht. Ich war mir schon ziemlich sicher, dass es sich nicht um eine Degani handelt. Kann man bei diesen Fälschungen etwas zum Wert sagen oder ist das nicht möglich?


    Ich wollte demnächst mal ein paar neue Saiten aufziehen, um den Klang zu beurteilen. Ich frage mich gerade, ob ich das nicht gleich zum Anlass nehmen sollte, einmal einen genaueren Blick auf das Instrument werfen zu lassen. Gibt es in Oberfranken eine vertrauenswürdige Adresse für eine erste Einschätzung und evtl. Restauration des Instruments?


    Besten Gruß


    MunichStylaz

  • hm? Oberfranken??
    Jetzt kommt doch der Verdacht hoch, dass es sich hierbei um ein Werk aus dem bair. "Geigenwinkel" da um Bubenreuth handelt. Irgendwann hat mal einer einen Zettel von Degani gefälscht da reingeklebt.
    Der Wert wird noch erschwert um den Stimmriss nicht allzu berauschend sein.
    Das einzige, was ich Ihnen in Bayern empfehlen kann, wäre mal bei "Kunst und Krempel" wenn mal wieder Sendungen über Musikinstrumente ausgeschrieben sind, vorbeizuschauen. Die machen Ihnen das gratis.
    Ich schätze so 200-300?

  • Das Geigenbauerstädtchen Bubenreuth (in Mittelfranken) ist tatsächlich ein gute Empfehlung, alternativ ist es Markneukirchen im sächsischen Vogtland..
    Der Degani-Zettel wurde vermutlich aber eher noch bei der Fertigung dieser Geige in dieser böhmisch-sächsischen Ecke eingeklebt und nicht in Bubenreuth.
    MfG
    Rainer


    P.S.:
    Geigen- und Bogenbauer in seiner Nähe kann man auf der Homepage http://www.geigenbauerverband.org/html/mitgl/mit1.html
    finden