Beiträge von lh-fiddle

    Damit gehörst du zu der großen Schar von Linkshänder*innen, die sich mehr oder minder freiwillig damit arrangiert haben, zu Lasten ihrer angeborenen Händigkeit zu funktionieren. Linkshänder*innen sind oft erstaunlich anpassungsfähig (und leiderprobt). Alles "eine Frage der Gewöhnung"? Ja, aber zu einem sehr hohen Preis. Der nicht gezahlt werden müsste, wenn jeder Mensch seiner Händigkeit gemäß leben, arbeiten, schreiben, musizieren würde.


    Ich gehöre auch zu denen, die noch rechts schreiben lernen mussten. Und als ich als Jugendliche meine ersten Saiteninstrumente spielte (Gitarre u.a.), tat ich dies auch rechtsherum, ohne mir etwas Böses dabei zu denken. Hatte aber nach wenigen Jahren zunehmend das Gefühl, dass ich an Grenzen stieß, die durch meine rechte Hand verursacht wurden. Ich verkantete, war verspannt, verhakte im Rhythmus oder bei schnelleren Läufen...

    Kurzentschlossen spannte ich die Gitarre um (später auch mein Banjo etc.) und fing an linksherum zu spielen. Es fühlte sich VIEL besser an, viel stimmiger, nur leider bedeutete das auch, quasi bei Null wieder anzufangen. Die Geläufigkeit, die Routine war weg, ich konnte erstmal nicht mehr mit den anderen zusammen spielen.

    Ziemlich frustriert habe ich deshalb die Saiten einige Zeit später wieder rechtsherum gespannt, obwohl ich ziemlich sicher war, dass das nicht der richtige Weg und nur die zweitbeste Lösung war.

    Aber ich hatte mir damals fest vorgenommen, dass ich jedes neue Instrument, dass ich in meinem Leben noch spielen sollte, gleich richtig herum lerne!


    Mittlerweile habe ich drei Geigen, alle drei linkshändig spielbar. Und ich genieße es jeden Tag. Meine Hauptgeige ist komplett grundständig linkshändig neu gebaut, eine laute mit vollem schönen Ton.

    ;) Genau

    Wobei der einstige Geigenbauer, der offenbar mit dem hochgewölbten Korpus noch lieblicheren Klangvorstellungen folgte, sicherlich nicht hauptsächlich "laut" im Kopf hatte. Erst mit dem späteren Anschäften etc. wurde dann wohl ein Schritt Richtung lauter und tragender gemacht.


    Der letzte Umbau und die behutsame Restaurierung hat der Geige jedenfalls gutgetan :thumbup:

    ??? "Mythos 6: Linkshänder können nicht Geige spielen" ???


    Ich beschäftige mich schon viele Jahre mit dem Phänomen Linkshändigkeit, nicht gelebter Händigkeit, Auswirkungen von Umerziehung, bewusst oder unbewusst.

    Ein Mythos "Linkshänder können nicht Geige spielen" ist mir allerdings noch nie begegnet.


    Unausrottbar scheint jedoch ein Mythos zu sein, der immer noch in einigen Köpfen vorhanden ist:

    nämlich dass linkshändige Musiker*innen in einer immer noch von preußischem Gleichschritt geprägten Orchesterdisziplin ihre Händigkeit zu unterdrücken haben und rechtsherum spielen müssen.


    Wie hoch der Preis dafür sein kann, hat Walter Mengler, ehemals Cellist und rechtsherum spielender Linkshänder im Aachener Sinfonieorchester, 2010 sehr eindrücklich beschrieben. Hier sein wegweisendes hervorragenden Buch dazu Musizieren mit links . Er formuliert es etwa so: Ein Linkshänder, der rechtshändig spielt, muss, bei gleicher Begabung, viel mehr Energie aufwenden als ein Rechtshänder, um das gleiche Ziel zu erreichen. Es ist, als führe er mit angezogener Handbremse. Und er beschreibt auch sehr einfühlsam, dass in der dominanten Hand die Seele sitzt, die Finger der anderen Hand die "Sekretäre" seien, die zuarbeiten...


    Erfreulicherweise beginnen immer mehr musikalisch Aktive, sich aus diesem preußischen Korsett zu lösen, auch klassische Berufsmusiker*innen:

    Linkshändiges Instrumentalspiel | Linksgespielt

    Ja, da hast du wohl recht. Ich freue mich jeden Tag darüber, dass die Geige nach dem Umbau so gut klingt :)


    Der ursprüngliche Geigenbauer hatte die Decke, das zeigt die Güte seiner Arbeit, ganz sicher planvoll gebaut.

    Aber das, was die Geige in lange zurückliegenden Zeiten erlebt hat, hat diesen Klang verändert, in einer Weise, die er sicherlich beim Bauen auch so nicht geplant hatte.

    An der Decke waren bereits in älteren Zeiten mehrere Risse geleimt und belegt worden. Wie die entstanden sind - das Instrument hat ja mehrere Kriege überlebt - das lässt sich wohl nicht mehr rekonstruieren.

    Dass die Geige zuletzt von nachfolgenden Generationen über Jahrzehnte ungespielt und ungepflegt eingelagert worden war, hat sein Übriges getan: Ein Holzwurm konnte sich ungestört ausbreiten, und man kann es vielleicht auf einem der Fotos noch schwach sehen, dass er sich genüsslich durch Teile der Decke gefressen hatte.


    Meine Geigenbauerin hat da sehr umsichtig hervorragende Arbeit geleistet. Die Decke ist hervorragend instand gesetzt und für den linkshändigen Gebrauch bestmöglich angepasst. Ja, und der Klang ist erstaunlich gut.


    Ich werde mal ein bisschen experimentieren mit anderen A-Saiten, danke.

    Vielen Dank für eure Rückmeldungen und Einschätzungen. Das trifft es alles sehr gut meiner Meinung nach.

    Von dem sorgfältig gearbeiteten Anschäfter kann ich bei Bedarf auch gerne noch einmal Fotos aus klassischerer Perspektive direkt am Halsansatz machen.


    Sehr besonders finde ich übrigens auch, dass die F-Löcher nicht ganz symmetrisch gearbeitet wurden. Die obere Kugel des linken F-Lochs sitzt fast 3 mm höher als die rechte. Und so sorgfältig, wie der Erbauer gearbeitet hat, gehe ich davon aus, dass er sich etwas dabei gedacht hat.


    Die Zarge unter dem Untersattel ist übrigens geteilt. Auch das lässt ja mitunter vorsichtige Rückschlüsse auf die Herkunft zu. Wobei ich mir bei diesem Instrument da auch nicht so sicher bin.


    Es hat einen zauberhaften Klang, der die Seele berührt.

    Von dem schönen Larsen-Tzigane-Satz, den ich derzeit drauf habe, ist leider nur die A-Saite etwas störrisch, spricht etwas schwerer an, klingt weniger nach. Sie ist mir fast zu dick, zu fest. Oder schluckt die Aluminium-Wicklung bei so einem Instrument Schwingungen?

    Vielleicht hat ja jemand hier auch Erfahrungen/Ideen?

    Ich bin erst vor kurzem zufällig auf diese Seite gestoßen und ganz fasziniert von dem fachkundigen Austausch hier.

    Vielleicht hat ja jemand von euch eine Idee, wann und wo meine Geige Nr. 3 (s.u.) gebaut worden sein könnte?


    Zur Hintergrundgeschichte: Da ich auch gerne an Instrumenten herumbastele, bekam ich diese Geige vor einigen Jahren von Bekannten zum Geburtstag geschenkt. Ein klassisches Dachbodenexemplar in einem uralten Koffer, viele Jahre nicht ausgepackt, schmutzig, in der Decke des Instruments hatte es sich deutlich sichtbar ein Holzwurm gemütlich gemacht. Mehrere Risse in der Decke, und auch Deckenränder und Zargen zeigten Restaurierungsbedarf.

    Da es sich trotzdem um ein wunderschönes Instrument handelte, auch der Klang mich beeindruckte, soweit ich das beurteilen konnte, ich selber mir diese Reparaturen aber nicht zutraute, habe ich das gute Stück zu meiner Geigenbauerin gebracht. Diese hielt das Instrument auf jeden Fall für restaurierenswert.

    Da ich als Linkshänderin mit großer Freude linksherum spiele, ist die Geige nun linkshändig eingerichtet. (Nur die Wirbel in dem zartwandigen Wirbelkasten haben wir rechtsherum belassen.)


    Und jetzt für euch, für die weitere Spurensuche:

    Die Geige enthält keinen Zettel. Sie ist aber bereits im 19. Jahrhundert gespielt worden. Soweit ließ sich die Familiengeschichte rekonstruieren. Selbst ein zauberhaftes kleines unvollständiges Heft (Schroeder, Violinspiel) mit u.a. Informationen zu seinerzeit aktuellen Geigenbauern, die in der ersten Hälfte des 19. Jhdts. geboren wurden, fanden sich im Geigenkoffer.

    Der Hals ist angeschäftet. Möglicherweise ist sie also noch älter (?).

    Meine Geigenbauerin vermutet als Ursprung evtl. den süddeutschen Raum.

    Sehr besonders ist die Rückseite des Wirbelkastens: glatt gearbeitet, keine Hohlkehlen. Auch die kleine Bohrung ist schon da gewesen.

    Vielleicht hat ja jemand von euch so etwas schon einmal gesehen und eine Idee, woher das Instrument stammen könnte?