Antonius Stradiuarius Cremonenßis Faciebat Anno 1723

  • Hallo
    Die fragliche Geige erhielt ich von meinem verstorbenen Vater geschenkt.
    Nach seinen Erzählungen führte an dessen Dorf (Ort in Thüringen) eine Zigeunerroute vorbei.
    Zwischen 1925/1935 kaufte er die Geige eines Zigeuners, die unterhalb der Schnecke gerissen war. Diese ließ er dann reparieren, um sie selbst zu spielen.


    Geigenzettel: Antonius Stradiuarius Cremonenßis Faciebat Anno 1723
    mit Stempel A + S


    Ich persönlich finde die Geige optisch und handwerklich, insbesondere auch hins. Lackierung, schön (na klar, ist ja ein Andenken an meinen Vater).
    Auch falls es keine echte Stradivari sein sollte (wovon ich ausgehe), würde mich interessieren:
    a) evtl. DOCH eine echte Stradivari?
    b) falls nein: wie wird von Euch, die Ihr fachlich einiges drauf habt, die Geige unter handwerklichen und optischen Gesichtspunkten beurteilt?
    c) natürlich: vermutliche Herkunft, ungefährer Werte der Geige ein?


    Herzlichen Dank im voraus für Eure qualifizierten Angaben!

  • a)echt ist sie SICHER nicht. SChon alleine deswegen, weil sie einfach in einem zu gutem Zustand ist.
    Ein Zigeuner hätte sie sicherlich ziemlich zusammengespielt (ich habe da leider negative Erfahrungen mit Sinits und Romas mehr als genug) und Stradivari war schon zu Zeiten der Krisenjahre in der Weimarer Republik ein großer Name. Ein Sinti hätte sie niemals so auf Kuhhandel verkauft.
    b) Holzwahl ist toll, Lackierung ist sehr gut gelungen. Handwerklich auf gutem Niveau (vielleicht schon zu gutem?). Alter dürfte ziemlich sicher eben Weimarer Republik sein, da sie sogar auffallend in einem guten Zustand ist -also sogar für eine Geige aus der Zeit wenig angedunkelt und korrodiert ist -nicht einmal der Hals ist angeschäftet (was auch gegen ein vielgespieltes Original spricht).
    c) Sie erinnert in vielem an Mirecourt. So eine Art halbindustrieller Fertigung (die in diesem FAll aber nicht schlecht ist).
    Da gabe es sogar ein Viertel, das Cremoneser Dorf genannt wurde, weil dort in einer Art Verlegersystem Cremonseser Meister kopiert wurden.
    Ich würde sagen ~1000 ? so der Zustand wirklich so gut wie auf den Bildern ist


    Vielleicht meldet sich der Rainer noch und unser neuer Superman mit Strahleblick, dieser Musikus 4711 o.s.ä., empfindet es nicht an Entwürdigung, in diese Niederungen hinabzusteigen und uns hier mit seiner Weisheit zu beglücken

  • Ich schließe mich der positiven Beurteilung an, wobei ich nur das Alter etwas höher auf ca. 100 Jahre schätzen und die Herkunft im sächsischen Vogtland (Raum Markneukirchen) vermuten würde. Bei sehr gutem Klang könnte der Wert auch noch deutlich über 1000 (bis sogar ca. 5000) Euro gehen.
    MfG
    Rainer

  • Hallo


    ? vielen herzlichen Dank für die prompte und ausführliche Antwort.
    Die Geige wurde von ungefähr 1938 bis 1989 selten oder gar nicht gespielt, da mein Vater (wg.Krieg und ?DDR? ) keinen Zugriff auf die Geige hatte.
    Ab dem Zeitpunkt danach ?quäle? ich sie des öfteren.


    Weitere Frage, die sicherlich schon oft gestellt wurde, dennoch dürfte das Suchen Eurer Antwort wohl recht mühsam sein: Habe Ihr Tipss, wo/bei wem ich den annähernd genauen Wert der Geige kostengünstig schätzen lassen könnte?


    Ergänzende Frage noch an YxYxYx:
    : wie ist die Aussage ??.vielleicht schon zu gutem ?.. Niveau? zu verstehen?


    Weiterhin möchte ich dem Vorschlag von YxYxYx folgen und auch den ?neuen? Experten musicus300 an dieser Stelle um seine qualifizierte Begutachtung bitten. Falls keine Reaktion erfolgen sollte(meine ?Anfrage nicht gelesen), werde ich ihn per Mail anschreiben mit der Bitte im Forum die Chance zu nutzen, erstmals sein Fachwissen bei meiner Anfrage einzubringen.


    Abschließend noch eine Statement von mir: Ich habe etliche Anfragen insbesondere zur Wertauskunft, ebenso Eure Antworten. Ich finde es toll, dass Ihr Euch die Arbeit macht, nahezu jede Anfrage individuell zu beantworten. Selbstverständlich ist dies nicht!
    Nochmals danke und ein herzlicher Gruß

  • Zitat:..Ergänzende Frage noch an YxYxYx:
    : wie ist die Aussage ??.vielleicht schon zu gutem ?.. Niveau? zu verstehen?..


    na ja: jeder wirklich gute Meister ist vollkommen in seiner Unvollkommenheit. Das Oxymoron meint, jeder Meister haut da bewusst seine Abweichungen vom Ebenmass rein, weil er halt glaubt, gerade da holt er seinen Ton raus (sei es die Wölbung, ein bisschen Assymmetrie in den F-Löchern etc.).
    Mit einer in Manufaktur oder Verlagsystem gemachten Geige, was im Vogtland oder Mirecourt praktiziert wurde, kann es keine Individualitäten geben -da muss alles passen.
    Mein visueller Eindruck von ihr ist, sie ist zu nahe am Ebenmass.
    Es hat aber auch sehr gute Geigenmacher gegeben, die diesem Fehler verfielen.
    Geisenhof oder Lemböck in Wien hatten ein Augenmass wie ein Laser-Scanner. Das ist unglaublich, wie genau und perfekt die vorgingen.
    Aber so toll ihre Meisterwerke auch sind, ihnen fehlt's oft am Pepp.
    Wegen Schätzungen ohne mal viel Geld zu verbraten -die Topschätzer verlangen die Mörderkohle- kannst Du bei "Kunst und Krempel" im BR oder "Lieb und Teuer" beim NDR anfragen.
    Solltest Du mal nach Wien kommen, kannst Du auch beim Dorotheum aber auch nur zu bestimmten Terminen die Geige gratis schätzen lassen.
    Mußt Du im Internet erkunden.

  • Lieber St. Felice also wenn Du unbedingt Wert darauf legst von mir eine Antwort zu bekommen dann wil ich mal gerne meinen Senf dazu geben.
    Wie schon meine Vorgänger dir geschrieben handelt es sich natürlich nicht um eine echte Stradivari, obwohl ich Dir das gegönnt hätte, dann wärst Du jetzt mehrfacher Millionär.
    Du musst wissen das viele Geigenbauer nach Modellen der berühmten Vorgänger Ihre Geigen gebaut haben und dann entsprechend den jeweiligen Zettel eingeklebt haben. Dahinter steckt aber keine Absicht zu betrügen, sondern es diente lediglich für den Käufer darauf hinzuweisen, das dieses Instrument nach Stradivari gebaut wurde.
    Deine Geige sieht gefällig aus und ist sicher so um 1900 gebaut worden. Die Schnecke gefällt mir sehr gut. Auch ist das Holz sorgfälltig ausgewählt und vorallem der Boden sehr schön verarbeitet worden. Ich denke es ist eine gute durchschnittliche Manufaktur Geige die sicher geeignet ist für Schüler, Studenten, oder gute Laienmusker. Auf jeden Fall ist es kein Spitzen-Instrument darüber musst du dir klar sein. Herkunft, Markneukirchen - Vogtland.
    Ich denke aber das sie für Dich weil sie ein Erbstück von Deinen Vater ist sicher einen ganzen anderen Wert darstellt.

  • Hallo Musicus300


    ... finde ich gut, dass Du ebenfalls eine Beurteilung abgegeben hast.
    Danke dafür! Könntest Du Dich ebenfalls zum ungefähren Wert äußern, auch wenn sich die Schätzung in einer Spannbreite (s. Rainer) bewegen sollte?


    Als "Betroffener" möchte ich übrigens im Interesse meiner Nachfolger die Bitte von YxYxYx unterstützen, Dich bei weiteren Anfragen zu beteiligen.
    Dies dürfte für beide Seiten bereichernd sein.


    Danke im voraus und Gruß