Eine "Stadivarius" und eine "Stainer"

  • Ich habe hier zwei Geigen in einem nicht so gutem Zustand. Ich möchte gerne wissen, was sie in etwa Wert sind, und ob sich eine Restaurierung lohnen könnte.


    1. Zettel im Aufschrift:
    Modéle d'aprés
    Antonius Stradivarius Cremonenenfis
    Faciebat anno 1721 AFS-Stempel


    2. 3 Zettel
    a) Repariert von Albert Kessler Wiesbaden 1913


    b) Instrumentenmacher Willi Müller 12.01.1922


    c) Jacobus Stainer in Absam prope Oenipontum 1664
    oder auch Absom (sehr schlecht zu lesen)
    Vielen Dank schon mal !!!

  • Hallo, also die erste Geige sieht wie eine normale China-Geige aus. Ich hab auch so eine, mit dem gleichen Zettel (mit den gleichen Informationen). Dürfte aber einen schönen Klang haben, ich spiele meine jeden Tag und bin sehr zufrieden.


    Zur zweiten Geige, welche sicherlich interressanter sein dürfte als die erste kann ich nichts sagen.



    LG, Michael

  • Die "Stradivari" ist eine maximal ca. 100 Jahre alte ordentliche Schülergeige, die offensichtlich für den französischen Markt gefertigt wurde, wobei die Herkunft Mirecourt (in den Vogesen) naheliegt. Aus China stammt sie m. E. noch nicht.
    Die "Stainer" ist etwas älter, wahrscheinlich böhmischer Herkunft und klanglich
    vermutlich eher schlechter als die "Stradivari".
    Den Wert jeder Geige schätze ich im mittleren dreistelligen Eurobereich, wobei die Kosten für die Restaurierung allerdings jeweils schon ca. 250 Euro betragen werden.
    MfG
    Rainer

  • die Stainer ist definitiv eine böhm.Arbeit. Ganz einfach -ich halte mich nicht an die übrig verdächtigen Mängel wie leicht korrodierbarer Lack, schablonenartige Formgebung, billige Materialien etc. auf- sondern weil Stainer niemals seinen Namen eingraviert hat.
    Das ist ein typisches Zeichen böhm. Massenfertigung.
    Die Strad als Mirecourt zu betrachten, wäre meiner Meinung nach bei allem Respekt für den Rainer schon zuviel der Ehre. Sie ist zwar deutlich besser gemacht. Der Lack ist nicht korrodiert sondern wie bei teuren Farben abgesplittert, dennoch kann man Mirecourt zu gute halten, dass sie ihre Strads wesentlich auwändiger gestaltet haben -es mag aber durchaus auch dort schwarze Schafe gegeben haben.
    Daher würde ich eher auf eine gute Markneukirchner Arbeit tippen -breite und längliche F-Löcher wegen.


    Die böhm. kann man bestenfalls einfach 'reparieren', die mutmassliche Strad kann man durchaus wiederherstellen lassen, aber niemals zu einem Niveau oberhalb der 500? Marke


    Daher wäre es sehr interessant vom Rainer zu erfahren, warum er sie als Mirecourt tituliert.


    PS: Der Verdacht mit den Chinesen ist nicht einmal so absurd, obwohl ich schon alleine wegen der Reparaturmarken davon ausgehe, dass die Strad keine Chinesin ist:
    http://www.okokchina.com/produ…ments/Violins/index_4.htm

  • Ich kenne zwar auch einige ähnlich gestaltete Geigen aus Markneukirchen, aber keine mit einem französischen Zettel, weswegen das französische Pendant "Mirecourt" - in Verbindung mit der Gestaltung von Rücken und Schnecke dieser Geige - als Herkunftsort doch wesentlich wahrscheinlicher ist.
    MfG
    Rainer

  • Oh jeh! Ich dachte mir, da französ. damals die Lingua Franca war, dass es wegen des Exportes französ. angeschrieben wurde. Nur so recht überlegt, kommt mir keine sächs. Geige aus besagter Zeit mit französ. Beschriftung in den Sinn.
    In Mirecourt gab es damals ein eigenes Viertel, welches nur auf Kopien der großen italien. Meister spezialisiert war. Besagte Lokalität wurde treffend Cremonsenser Dorf genannt und in den Zetteln vermutlich bewusst irreführend als Herkunftsort vermerkt.
    Die Zettel trugen dann so pathet. Bezeichnungen wie (grob übersetzt): "Hergestellt zum Ruhme von Stradivari, Guarneri, Maggini, weiss der Kuckuck noch im Cremonenser Dorf bei Mirecourt".
    Scheinbar gibt es in Sachen falscher Zettel nur eine Regel: dass es keine Regel gibt.
    Sehe ich an den sosntigen Threads hier, wer da aller gefälscht wurde, gebe ich mir keine Illusionen mehr hin.
    Alles ist möglich!

  • die bekannteste Mirecourter Firma, die vergleichsweise Zettel verwendete, war Thibouville-Lamis.
    Angeblich besteht diese Firma noch heute!
    Das war ein zwar talentierter Geigenbauer, der aber wegen des Reibachs auf Industriefertigung auf höherem Niveau Mitte 19.Jh. überging.


    Seine "Modele D'Apres" Zettel waren aber mit seiner Signatur versehen.


    Was meinen Sie übrigens mit AFS-Stempel? Die Post versteht darunter, dass der EMpfänger das Porto bezahlt ?(