Schlechter Kauf bei ebay?

  • Hallo Geigen fans!!


    Dies ist mein erster threat:


    Ich hab seit rund einer Woche in dieser Rubrik des Forums sehr nützliche Informationen gefunden.


    Ich hab heute meine Geige erhalten die ich auf ebay ersteigert habe.


    Die Anzeige schien sehr anständig, zumal da der Verkäufer angab "von einem Sammler" und mehrer "alte" Geigen im Angebot hatte. Habe mich also hinreissen lassen.


    Hier Ausschnitte vom Text der Anzeige:


    " hier biete ich ihnen einige schöne alte geigen an von einen sammler , das ist eine davon, mit schreiben von Alfredo Del Lungo di Giuseppe Fecce in Firenze nel ... ich sehe keine risse,... "


    Im Zettel steht das Datum 1949? glaube aber nicht dass die Geige so alt ist. Schätze aber trotzdem rund 30-40 Jahre (anhand der Verfärbung des Inneren und des Staubes)


    Der Riss in der rechten unterhälfte dürfte wohl schwer zu übersehen sein, auch für einen Leihen.


    Der Klang gibt nicht viel her, aber ich hoffe das liegt nur daran dass die Brücke zu klein ist und nicht überall aufliegt. Klingt sehr flach bzw. kalt.



    Ich will aber nicht zu früh aufgeben, und habe folgende Fragen:



    Was kann über die Herkunft und das Alter sagen?


    Was für ein Holz wurde für die Rückseite und das Griffbrett benutzt?


    Was wäre der Wert, wenn der Klang trotzdem noch gut rauskommt?



    Liebe Grüsse, Michael











  • also selten so eine schwierige Geige zum Beurteilen gesehen.
    Die Hölzer sind OK! Man merkt auch an der Schattierung, dass der Hersteller sich etwas gedacht hat.
    Der Boden ist feinstes Riegelahorn (geflammte Tigerstreifen). Das Griffbrett Ebenholz (es erscheint nicht als gefärbte Birne).
    Auch die Form besticht durch Eleganz -sie erscheint mir schon italienisch.
    Aber warum ist die Geige so abgespielt und wenig gepflegt?
    Der stark korrodierte Lack wäre ja wieder ein Indiz für eine Billiggeige -wie üblich halt von den Massenproduktionsorten. Ich denke N-Bayern, unmittelbare Nachkriegszeit.
    Wäre sie von Lungi, wer hätte da so viel bezahlt und hätte sie dann so niedergespielt?
    Wer käme auf die Idee, Lungi zu fälschen? Die Superstars Bisiach,Guerra und Farotti, die waren Ziel v.a. rumän. Fälscher -aber Lungi? ?(
    Ich mach mich mal schlau. Vielleicht meldet sich unser Guru, der Rainer noch. Auf sein Urteil wäre ich sehr gespannt. Hoffentlich spielt er nicht wieder die Bohemian Rhapsody.
    Was haben Sie dafür bezahlt?

  • Also ein Fakt der mich auch stutzig mach ist dass die Geige offensichtlich sehr viel gespielt wurde, demnach müsste sie mit der richtigen Brücke ja dann auch einen ordendlichen Klang erzeugen. Die Brücke ist ja in Schwingungsübertragung da A und O, oder irre ich mich da?


    Beim Klopfen gegen die Rückwand scheint mir diese klumpig, dicker als bei meiner anderen Geige (eine anständige Schülergeige mit herrlich warmen Klang) Ob man das aber nur durch Klopfen heraushören kann weiss ich nicht.


    Kleiner Tipp zur Herkunft vielleicht: Der Verkäufer machte stark einen Ost-Europäischen eindruck (viele Schreibfehler).


    Woran erkennt man einen "korrodierten Lack"?


    Zum Preis möchte ich nicht zu viel sagen um nicht zu beeinflussen, nur : unterer 3 stelliger Euro Bereich




    Vielen Dank, und Liebe Grüsse


    Michael

  • Betreff korrodierter Lack
    der Lack wird bröselig. Die Farben werden diffus schmutzig und schwärzt mancherorts an. Sehr schön sieht man das an der Schnecke. Die Geige sieht so aus als ob sie mit Schuhcreme beschmiert worden sei.
    Ein guter Lack splittert bei schlechter Behandlung einfach ab -sieht zwar auch grauenhaft aus, aber die Geige bewahrt ihre Würde.
    Das Klopfen kann sehr irritieren, den es gibt besonders im Laubholz verdammt unterschiedliche Qualitäten v.a. in der Dichte (in welchem Klimat, auf welchem Boden, topograph. Beschaffenheit etc.).
    Je dichter das Holz desto gedämpfter der Ton -was aber nicht immer schlechter ist. Manche zu 'dünne' Geigen klingen schon zu schrill.
    Wenn Sie sagen, der Verkäufer stammt vermutlich aus O-Europa, dann ist es wenig verwunderlich -so er nachweislich aus dieser Region stammt -ich will nicht vorverurteilen.
    Mein Hauptbeschafferklientel sind v.a. zugezogene -ich meine es wertfrei- Sintis aus dem Balkan. Sei's gedankt spielen sie meist billige VEB-Schrottgeigen, die sie in den seltensten Fällen gut behandeln tw. auch katastrophal warten -falls überhaupt (mal bot mir einer eine Mandoline an, da war der Hals mit einem Baumarkt-Holzschrauben festgezurrt!!). Daher erscheint mir der nicht passende Steg nicht einmal so ungewöhnlich (selbstverständlich verschluckt ein nicht angemessener Steg wichtige Teile des Frequenzspektrums -es ist oft verblüffend, durch welche einfache Massnahmen man eine 'Kratze' zu einer Strad machen kann). Die wenigsten haben das Genie eines Dicinus. Sie greifen an den Saiten meist nur die tiefsten Töne, daher ist die Saitenlage nicht so wichtig.
    Manchmal, aber sei's gedankt seltener, ist es aber auch so, sie bekommen meist aus Wohnungsauflösungen irgendwelche Meistergeigen und schrammeln diese nichtwissend zusammen, dann allerdings, auch wenn das Instrument verwüstet ist, macht man trotzdem ein gutes Geschäft.
    Ist das nachweislich eine Lungi, dann ist's trotzdem noch ein Business.

  • Ok, jetzt weiss ich mehr, vielen Dank


    Wär toll wenn die Geige aus Lungo's Atelier käme. Wenn auch nicht hoffe ich dass ich wenigstens den Klang hin bekomme, ich glaub gerade festgestellt zu haben dass der Klang-Stift krumm sitzt, ausserdem ist das Griffbrett leicht gelöst.


    Nochwas: das kleine Hölzchen oben zwischen Schnecke und Griffbrett ist wohl mal verloren gegangen und wurde durch ein normales, mal eben schnell zurecht gefeiltes Stück ersetzt, dann noch schnell schwarzen Nagellack drauf, und gut. Ich glaube man kann das auf einem der Bilder sogar sehen.


    Ich werde morgen noch Bilder davon reinsetzen.


    Wäre aber trotzdem super wenn noch weiter Meinungen dazukämen



    Liebe Grüsse,


    Michael

  • naja auch unbekannnte Geigenbauer wurden oft gefällscht. könnten sie mal ein foto der schnecke (seitenansicht) ins forum stellen ? die wirbel scheinen nicht besonders hochwertig und der obersattel sieht auch nicht soo toll aus genau wie die äderchen..

  • Hallo Chrissy, du hast ganz recht, die Wirbel sind schrott, erstmal sind alle verschieden, einer ist sogar nur angemalte Birke. Der Sattel ist wie gesagt wohl vom Verkäufer schnell nachgerüsted worden und hat mit dem rest der Geige nichts zu tun.


    Ich werde später am Nachmittag noch Bilder von der Schnecke reinsetzen. Eines sei dazu gesagt: sie ist nicht ganz symeztrisch.



    LG, Michael

  • also wenn nicht einmal die Schnecke symmetrisch ist, dann ist's aber defintiv ein Fake, bestenfalls war es eine Lehrlingsarbeit von einem Schüler -aber da hätte der Meister LungO (ich hatte wohl die brit. italien. Schauspielerin im Kopf) niemals seinen Zettel reingegeben.
    Meist sind diese Dinger aus Rumänien. Das waren so VEB-Geigen, denen dann über dunkle Kanäle (meist Ex-YU) fototechn. kopierte Zettel von Geigenbauern reingeklebt wurden.
    Gerade vor 2 Wochen wurde mir so eine mutmasslich von Guerra gemacht, angeboten. Die sah toll aus, doch das "fecit in Turin" [sic] am Zettel hat mich stutzig gemacht. Er wollte NUR 300? dafür.
    Sie müssen den Verkäufer anmailen, ob er die Geige zurücknimmt!

  • Schaue ich auf den Zettel, dann sieht man eine eigentümlich graugrüne Verdreckung. Das ist aber keine Folge der Alterung, sondern da wurde ein minderwertiges fototechn. Kopierverfahren angewendet.
    Mir kamen viele Geigen mit solchen graugrünen Zetteln mit den üblichen Verdächtigen (Strad, Guarneri, Vuillaume etc.) schon unter.
    Das scheint auch wieder ein Indiz für eine Fälschung zu sein.

  • Ja, ok, mir scheint der Zettel auch wirklich suspekt!!


    Ich hab eben die Seiten und Wirbel entfernt, und mit Freude erkannt dass das Griffbrett ganz sicher aus Ebenholz besteht. Als ich sie dann so in der Hand hielt kam sie mir plötzlich ganz edel vor.


    Was ausserdem komisch ist ist dass die Geige offensichtlich sehr viel gespielt wurde, dies kann man zwar nur erkennen dass sie genauso offensichtlich nie gereinigt wurde, es befinded sich eine dicke Schicht Collophan auf dem Griffbrett.


    Die Schnecke (siehe Bild) ist rechts leicht länger.


    Ausserdem hab ich einen neuen Steg angepasst und angebracht, der Klang hat sich zwar leicht verbessert, aber immer noch nicht der einer "Meistergeige". Dies kann aber auch an der öffnung unten links an der Decke, oder an dem Riss zwichen Griffbrett und Hals. Beide sind so gering dass sie auf Bildern nicht zu erkennen sind.



    L.G. Michael


    P.s. mir ist ein Wirbel beim spannen abgebrochen.