4/4-Geige bitte schätzen

  • Hallo,
    ich habe eine 4/4-Geige, die ich mit ca. 12 Jahren bekommen habe. Danach habe ich ein Jahr auf ihr gespielt und dann mit dem geigen aufgehört. Seitdem sind ca. 20 Jahre vergangen und die Geige ruht leider in ihrem Kasten vor sich hin. Ich habe mich nun dazu entschlossen, sie zu verkaufen.


    Ich weiß folgendes über das Instrument: Meine Eltern haben die Geige vor über 20 Jahren von privat für 300 DM gekauft und für 800 DM restaurieren lassen. Der Geigenbauer hat sie damals auf ca. 100 Jahre geschätzt. Soweit ich das beurteilen kann, hat sie keine Schäden. Mein Geigenlehrer meinte allerdings damals, dass sie "traurig" klingt.
    Im Inneren befindet sich ein Zettel auf dem steht "Jacobus Stainer in Absam prope Oenipontum 1683". Meine Internetrecherche hat allerdings ergeben, dass solche Zettel massenhaft gedruckt und verkauft wurden :(
    Hinten ist ein schwarzer Frauenkopf angebracht. Ob das Original ist, weiß ich nicht.


    Was meint ihr zu dem Instrument?


    Vielen Dank vorab!


    Viele Grüße, blueeye259


    PS: Das letzte Bild sollte eigentlich die Schnecke zeigen. Leider funktioniert es nicht wie ich es gerne hätte. Beim Draufklicken und Vergrößern sieht man das Bild so, wie es sein sollte. Sorry!

  • Ich wuerde mich der Schätzung Ihres Geigenbauers anschliessen. Solche Violinen wurden Ende des 19.- Anfang des 20. Jahrhunderts massenweise im böhmisch-saechsischen Musikwinkel produziert. Damals fand man diese Schnurrandeinlage sehr schick (ich finde die heute auch noch sehr dekorativ!). Heute ist das etwas aus der Mode gekommen.... Auch der Frauenkopf deutet auf Ende Gründerzeit/Jugendstil hin, ist aber schon was Besonderes (wenn auch nicht wertsteigernd).


    Ihre Geige punktet mit dem Zustand, und sie ist sehr dekorativ. Höchste Klangqualität würde ich von einem solchen Manufakturinstrument auf den ersten Blick eher nicht erwarten. Bei Ebay sind die Preise daher schwer einzuschätzen: Findet sich ein Liebhaber, hab ich solche Geigen schon für 600 Euro über den Tresen gehen sehen. Findet sich grade keiner, dann vielleicht 300. Beim Geigenbauer/ im Musikhandel wird der Klang noch eine Rolle spielen, aber ich schätze so -wenns gut läuft- 800 Euro. Manchmal sind solche Instrumente gerade von Leuten, die Barockmusik machen oder Spielgruppen, die "historisch" auftreten, aus optischen Gründen sehr gesucht. Da mag dann noch etwas mehr drinsein, aber diese Leute muss man erstmal finden.

  • das mit der barockmusik hab ich schon desöfteren gelesen.
    braaatsch, könntest du mal beschreiben, warum das so ist? ich hätte eigentlich eher gedacht, dass gerade diese geigen besonders "unbarock" sind und klingen.


    danke! :)

  • Es gibt natürlich einen Unterschied zwischen diesen Geigen und "Barockgeigen". Es ist KEINE Barockgeige von der Bauart her. Und auch nicht vom Klang. Aber Barockinstrumente waren oft aufwendig gestaltet, mit Jagdszenen auf Griffbrettern, Elfenbeinapplikationen und so weiter... und soweit ich weiss, geht auch der Schnurrand auf barocke Vorbilder zurück. Er wurde in den böhmischen Instrumenten wiederbelebt...


    Wenn es also um den optischen Stil geht, kann man ein solches Instrument super in "barocken" Spielgruppen einsetzen, und mit entsprechender Besaitung, Bogen, Spielweise entsprechend "barock" auftreten (und versuchen, dem Klang trotz modernem Instrument möglichst nahe zu kommen).


    Fuer ein richtiges "Barockorchester", welches sich die Wiederbelebung des alten Klanges auf die Fahnen geschrieben hat ist dieses Instrument untauglich. Dort kommt es auf die Bauart an, und es wird mit originalen Instrumenten (oder allenfalls mit sehr guten Kopien) gespielt. Das geht soweit, dass z.B. bei Querflöten genau festgelegt ist, welche Klappen diese haben dürfen, und wie die Löcher geschnitten sein müssen. Da geht's um die Reproduktion des Klanges.


    Bei Spielgruppen spielt manchmal eher die Optik eine Rolle, und da werden dann Kompromisse gemacht (Barockinstrumente sind auch ganz schön teuer...), und da geht es auch nicht um die CD-Einspielung das Originalklanges. Das kann sehr schön sein, und hat meiner Meinung nach auch einen sehr wichtigen Platz in der Musikwelt. Wenn man z.B. jemandem sonntagnachmittags im Schlossgarten auftreten lässt, macht ein "optisch barockes" Instrument viel mehr her als eine moderne Kopie bei dem die Mensuren stimmen. Für viele Laien ist der Klangunterschied weniger vordergründig als die Optik, vor allem wenn es sich um Amateurspieler handelt. Desweiteren werden die meisten Tonaufnahmen/Konzertauftritte sowieso mit modernen Instrumenten gemacht (und da sind wir ein modernes Klangbild gewöhnt), da stört sich auch keiner dran, dass da z.B. Bach mit modernen Instrumenten gespielt wird.

  • M.E. macht das Instrument (für einen Laien) optisch weit mehr her, als tatsächlich in ihm steckt. Das dürfte sich vor allem auch im Klang bemerkbar machen und den Preis der obigen Schätzung leider eher nach unten bestimmen, wenn der Lehrer den Klang schon als "traurig" bezeichnet hat.
    MfG
    Rainer

  • Tja, gesagt hat er damals traurig und "Zigeunergeige" (O-Ton Geigenlehrer)...
    Ich muss allerdings auch dazu sagen, dass er immer dafür war, dass meine Eltern ein Instrument von der Musikschule kaufen und bloß kein anderes ;)