Hallo retour,
erst einmal möchte ich festhalten dass ich mich wirklich nicht als Experten für neu-französische Instrumente bezeichnen würde, des weiteren möchte ich auch festhalten dass die Fotos, um die wir hier diskutieren etwas unscharf sind und einige wichtige Details möglicherweise nicht naturgetreu wiedergeben (Einlagearbeiten, Farbton).
Wenn ich das ausklammere und einiges versuche zu interpretieren, wie es vermutlich sein mag, kann das natürlich auch irrige Schlüsse nach sich ziehen - doch gerade gute Diskussionen unter Kennern der Materie sind ja gut, um zu lernen und auf Kleinigkeiten zu achten, auf die man vorher wohl eher weniger geachtet hätte.
Die Holzwahl von Meistern und Gesellen ist denke ich von zwei Faktoren abhängig: Der Geschmack desselben (Tongebung und Aussehen) und Verfügbarkeit des Holzes. So würde ich mir nicht zutrauen zu sagen, dass ein bestimmter Meister oder eine Manufaktur nur ein bestimmtes Holz verwendet hat - wohl aber kann man in Tendenzen sprechen (deswegen mein Kommentar vorher).
Der Lack, wenn er rötlicher ist, wie der Prediger jetzt geschrieben hat, spricht dann eher gegen Mirecourt, dennoch schauen die Fotos alle recht eindeutig orange aus (?) - ebenso das Verhältnis zu den Lackabnutzungen (naturfarben zu orange) scheint mir kongruent.
Ein weiteres Problem bei dieser Geige sind meines Erachtens die Einlagen. Sie sind vermutlich (durch die Fotoqualität bedingt muss ich hier vermuten) doppelt und recht eng, was an sich noch nicht irgendwie außergewöhnlich ist, doch die sind recht tief eingearbeitet, so steht das Holz scheinbar auf beiden Seiten hervor (sowohl außen als auch nach innen) - das ist ein Gebiet bei dem ich mich nicht gut auskenne - kann man aus diesem Merkmal etwas schließen?
Die Lackabnutzungen sind für mich typisch französisch, sieht man oft bei diesem Lack, da er recht dünn gewesen zu sein scheint und eher herb-hart und auch leicht (was natürlich klangliche Vorteile gegenüber einem dicken Lack haben kann).
Die Schnecke finde ich recht schmal geschnitten, aber schwungvoll.
Wenn man auf den Zustand, die Kratzer und die Schäden auf das Alter eines Instrumentes schließt, kann das bis zu einem gewissen Maß stimmen, aber dennoch gibt es ziemlich grobe Abweichungen - manche Menschen kaufen gute Geigenkästen, putzen und hegen ihr Instrument und spielen vielleicht auch nicht sehr viel darauf - da kann ein Instrument auch nach 200 Jahren noch recht neu aussehen. Prediger hat geschrieben dass er es vor dem fotographieren frisch politiert hat, dann auch noch mit Blitz und ohne Makro fotographiert, dann glänzt alles wie neu
Allerdings stimmt es dass weder der Hals angeschäftet wurde noch dass die Wirbel mal ausgebüchst wurden (Lochgröße ist eh schon beachtlich), doch 100 Jahre ohne zuviel spielen sind da schon drinnen...
Ich bin überrascht wie viele Übereinstimmungen es zum Gitarrenbau und der Holzwahl dort gibt - Gitarrenbau kenne ich mich GAR nicht aus - und ich denke - um auf das Instrument hier zurückzukommen, dass es durchaus eine ordentliche Arbeit ist und für einen Schüler oder Studenten interessant zu spielen sein kann (was man aber von Fotos wiederrum nur schwer beurteilen kann!).
Was mich vorher bei der Diskussion nur ein wenig gestört hat, war die Tatsache dass behauptet wurde, wenn eine Geige unmontiert fotographiert wird - dass sie deswegen automatisch uninteressant sein soll.
Es würde mich interessieren was diese Merkmale der Einlagen bedeuten..kennt sich da wer aus?
Liebe Grüße,
pharus