Beiträge von Braaatsch

    …ob die "echte Italienerin" immer sooooooo viel besser klingt? Man sollte die Produkte der sächsisch-böhmischen "Volkskunst" nicht immer so schlechtreden ;) Da sind -neben viel "Einfachem"- richtig gute und sehr gut klingende Instrumente dabei, und auch viele der "einfachen" Instrumente klingen gut, oftmals viel besser als das, was heute als neues Schülerinstrument angeboten wird (oder sie wären es, wenn sie in weniger erbarmungswürdigem Zustand wären…).


    Wirklich schöne Geige, Glückwunsch!

    Mich irritiert der Zettel auch. Das Schriftbild ist sehr ungewöhnlich für diese Zeit, und lässt mich zweifeln ob der Zettel nicht "ersetzt" wurde. Zuerst mal irritiert mich das serifenfreie Schriftbild des Zettels. Das ist zwar nicht ausgeschlossen, aber serifenfreie Schriften wurden meines Wissens nach (ich lasse mich gerne eines Besseren belehren) erst im "Bauhaus" als Seriendruckschriften richtig modern, bzw. tauchten "en masse" erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts/Anfang 20. Jahrhunderts auf. Das heisst nicht, dass es diese Schriften nicht schon vorher gab (genau weiss ich das nicht), aber während die Schlagbuchstaben zeittypisch Serifen aufweisen, wirkt der Zettel sehr modern (das, was Yxyxyx mit "Stempel der 70er Jahre beschrieb…). Mittels Schlagbuchstaben ist auch ein G L nicht allzuschwer anzubringen. Noch kurioser wirken für mich die handschriftlichen(???) Jahreszahlen-das ist keine typische Handschrift des 19. Jahrhunderts. Auch wenn dieses Detail mit der "moderner erscheinenden" Jahreszahl absolut irrelevant erscheint, so sind es m.E. genau diese Details, die auch dem "Kopierer" irrelevant erschienen bzw. entgangen sind (man lese dazu das sehr lohnenswerte Buch "Handbuch des Kunstfälschers", hat zwar nichts mit Geigen zu tun aber öffnet einem trotzdem die Augen). Von der handwerkliche Qualität (und offensichtlich der klanglichen auch) könnte die Geige "echt" sein. Ich bin dennoch skeptisch: Wenn eine Zeichnung/ein Gemälde etc. so signiert wären, ginge die Tendenz in Richtung "Kopie", egal wie gut die handwerkliche Ausführung ist. Vielleicht sind es solche Details, die auch dem zweiten Geigenbauer auffielen, ohne dass er sagen könnte, woher sein Gefühl stammt.

    Genauso wie der Zettel ein Besitzerzettel sein kann, könne die Initialen am Rücken ein Besitzerbrand sein. Viele Besitzer kennzeichneten ihre Geigen- Initialen oder ganze Namen wurden eingeritzt, eingeschnitzt, aufgemalt, mit Zetteln im Korpus verewigt etc. Es ist ja nicht gesagt, dass besagter Konzertmeister der Erstbesitzer war. Dieser Brand ist mir nicht bekannt, und ich finde ihn -sollte er ein Geigenbauerbrand sein- sehr ungewöhnlich. Die meisten Geigenbauer haben "unauffälliger" gebrannt, und nur Buchstaben "eingeschlagen" bzw. gebrannt, nicht "im Negativ" (also so einen riesigen schwarzen Fleck mit den Buchstaben drin). Dieses Brandzeichen sieht mir fast so aus, als sei es gemalt oder als sei ein Siegelstempel erwärmt und vorsichtig aufgebrannt worden- ich würde daher auf einen Besitzer tippen. Kann aber auch sein, dass ich damit völlig danebenliege- ist der Brand über oder unter dem Lack, oder wurde er nachträglich überlackiert? Gibt es einen weiteren Brand an anderer Stelle (evtl. im Korpus), oder Signaturen etc. (mit Zahnarztspiegel mal reinschauen…)?

    Also, der Boden ist ganz sicher aus Ahorn. Je nachdem wie der Schnitt, der Wuchs des Baumes und die Qualität ist, treten die Jahresringe (die Längsstreifen) deutlicher oder weniger deutlich hervor. Aber das verwendete Ahornholz zählt optisch nicht zur Spitzenklasse, da sind eher eine kräftige Flammung und unsichtbare Jahresringe erwünscht...


    Zum Klang trägt die Optik aber nur bedingt bei, sprich, es gibt erstmal keinen Grund warum eine weniger geflammte Geige schlechter klingen sollte als eine stark geflammte. Allerdings wurde bei besseren Geigen besseres Holz verwendet, bei einfacheren einfacheres Holz. Insofern teile ich die Einschätzung, dass es sich um ein eher günstiges (aber offensichtlich solides) Schülerinstrument handelt. Allerdings sind 80 Euro ein sehr guter Preis, ein Neuinstrument vergleichbarer Qualität wäre deutlich teurer. Ich sehe, dass der Steg sich schon Richtung Griffbrett neigt, da sollte unbedingt bald ein neuer Steg her. Wenn der beim Stimmen oder Spielen umkippt ist das sehr unangenehm, und kann die Geige beschädigen. Desweiteren lohnt es sich meist sehr, in gute(!) neue Saiten zu investieren. Mit guten Saiten, einem gut angepassten Steg und einer klanglichen Einstellung beim Geigenbauer kann man oft aus den Schülerinstrumenten eine ganze Menge herausholen.

    Ich will mich ja nicht einmischen, aber.... Wollen Sie wirklich das Erbe Ihres Großvaters für 100 Euro verscherbeln? Die Geige dürfte deutlich älter als von 1930 sein, mit dem genageltem Boden und der Bauart tippe ich auf um 1880. Wenn Sie das Geld (und 100Euro ist ein wchter Schnäppchenpreis!) nicht unbedingt brauchen, so könnten Die das Instrument ja leihweise einem Musikschüler zur Verfügung stellen-das Instrument bliebe "besitzmässig" in der Familie, und würde trotzdem gespielt. Gleichezeitig ermöglichen Sie vielleicht einem Kind das Geigenspiel, das es sich sonst nicht hätte leisten können.... Vielleicht möchten später Ihre Kinder, Neffen,...irgendwann mal drauf spielen?


    Der Steg und die Saiten müssten allerdings ersetzt werden, und auch der Saitenhalter angepasst.

    Schlecht sind diese Geigen eigentlich nicht (zumindest nicht im Vergleich zu dem, was man heute als Fabrikware bekommt), nur wurden diese in Massen gebaut, daher sind sie nicht besonders "wertvoll". Der irre Wert der alten Geigen bemisst sich meist nach ihrem Sammlerwert, quasi nach ihrem Wert als "signiertes Kunstwerk". Und diesen Wert hat diese Geige leider nicht. Allerdings ist sie vermutlich trotzdem ein solides "Gebrauchsinstrument"-hübsch ist sie, und die Holzauswahl und Verarbeitung ist gut. Klanglich kann man sie natürlich vom Foto nicht einschätzen. Die 3/4 Größe ist eine "Kindergröße", bzw. spielen auch sehr zierliche Frauen gelegentlich diese kleineren Instrumente. Klanglich ist der kleinere Korpus weniger ideal, da fehlt manchmal einfach der Resonanzraum. Das macht den Verkauf schwierig (und drückt den Wert): als Kundschaft kommen im Wesentlichen nur Kinder im Alter 10-14 (je nach Statur) und sehr zierliche Spieler infrage, also ein sehr überschaubarer Markt. Da diese Größe für die meisten Spieler eine "Durchgangsgröße" ist, werden für die paar Jahre Instrumente gerne geliehen/gemietet. Ich würde für einen Verkauf daher eher Musikschulen und Geigenbauer (die Instrumente auch vermieten) ansprechen, vielleicht ergibt sich auch ein Tausch gegen ein "grosses" Instrument.

    Nein, ein schlechter Kauf war das nicht. Bei dem Bogen kommt es drauf an- sollte er nur das Firmensignet tragen (also das C.A.H. mit dem Kreuz) bin ich skeptisch, was "vierstellig" angeht. Aber dass beides zusammen -aufgearbeitet- etwa das Zehnfache des Kaufpreisies Wert ist halte ich für realistisch.

    Ich wuerde ich sehr wundern, wenn die von Franke gebaut worden wäre. Vermutlich hat er sie nur verkauft… Mir sieht die sehr nach der typischen Manufakturgeige aus, gerade die Schnecke ist -gelinde gesagt- "eigen" -allerdings haben auch Geigenbauer wie z.B. Meisel gröbere Schnecken geschnitzt. Dennoch: Franke hätte sicher nicht nur im Koffer sein "Autogramm" hinterlassen...

    Es ist durchaus möglich, dass sich der Erbauer irgendwo im Inneren verewigt hat, gerne auf der Deckeninnenseite, am Oberklotz oder am Unterklotz. Ob das bei Ihrer Geige der Fall ist, kann hier natürlich keiner wissen. Besorgen Sie sich eine Taschenlampe und einen Zahnarztspiegel, und schauen Sie nach ;)


    Die weitaus meisten Manufakturgeigen und sogar Meisterinstrumente dieser Zeit sind jedoch nicht gekennzeichnet- wer sich die Mühe macht, mit Zettel und sogar Siegel eine Ruggerigeige zu erschaffen bzw. das Ruggerimodell zu unterstreichen, will sicher keinen anderen Namen hinterlassen. Oftmals haben Händler solche Instrumente bei kleinen Werkstätten bestellt um sie weiterzuverkaufen, und diese Händler haben damals den Erbauern verboten, die Instrumente zu signieren- sie wollten diese unter ihrem eigenen Namen verkaufen oder eben als Stradivari, Ruggeri oder sonstwas.