Beiträge von Braaatsch

    Die kaputte Saiten sind nicht das Problem, das sind Verschleissteile und werden einfach ausgetauscht. Auch der fehlende Steg (die "Brücke", über die die Saiten laufen) kann neu angefertigt werden.


    Für den Eigengebrauch lohnt sich das, für einen geplanten Verkauf sollte man sich das überlegen- je nachdem, wieviel Geduld man bei einem Verkauf mitbringt (um einen höheren Preis zu erzielen) oder ob man die Geige nur loswerden will.


    Es handelt sich um ein sächsisches/böhmisches Instrument, Manufakturarbeit um 1900 aus der Gegend um Markneukirchen/Klingenthal/Eger/Graslitz/Schönbach. Diese Geigen wurden in Massen hergestellt, teilweise mit solchen Menschenköpfen (die oft Paganini, Beethoven, Mozart oder so jemanden darstellen sollten), teilweise mit Löwenköpfen oder eben "normalen" Schnecken. Instrumente mit dem besonderen Design der Randgestaltung (also diese Streifen) nennt man "Schnurrandgeigen", oft wurden sie als "Zigeunergeigen" in den Katalogen beworben und verkauft. Manchmal kleben irgendwelche Zettel mit "Herkunftsangabe" drin, die mit der Realität nichts zutun haben.


    Wert: Diese Instrumente wurden massenhaft gebaut, sind daher keine "seltene Antiquität" und keine "Meisterarbeit". Sie waren für "Otto-Normalverbraucher" gedacht, und sind auch heute noch "solide Gebrauchsinstrumente" für Hobbyspieler. Der Wert wird vom Klang bestimmt- manche dieser alten Geigen klingen sehr gut, da kann es dann auch in den vierstelligen Bereich gehen, aber das ist eben nicht immer so (die meisten klingen eher durchschnittlich, das reicht ja auch für die Hausmusik, für die diese Geigen meist gedacht waren). Ein Käufer, der das Instrument nicht Probespielen kann, wird dafür nicht viel Geld ausgeben, weil er ja nicht weiss, wie gut die Geige klingt. Dieses Design ist für klassische Spieler eher weniger interessant, von Spielern aus dem Folk-Bereich und insbesondere der "Mittelalterszene" werden solche "besonderen" Geigen aber gerne genommen.


    So in diesem Zustand bei Ebay eingestellt kann man zwischen 150-300 Euro erwarten.

    …eigentlich ist aber der Korpus der Geige zu klein für diese tiefen Töne. Schon bei Bratschen ist das klanglich manchmal nicht einfach.


    Ich bin aufs Cello umgestiegen, und kann das sehr empfehlen, wenn man die tiefen Töne mag… 😁

    Abalon, für mich passt das Lackbild einfach überhaupt nicht ins 18. Jahrhundert. Dieser "dunkle Streifen" im mittleren des Bodens bzw. diese Aufhellungen am oberen und unteren Bodenrand kamen im 19. Jahrhundert bei vielen sächsischen Geigen vor. Das sind in meinen Augen frühe simple "Antikisierungsversuche", und stammen somit wahrscheinlich aus Zeiten, in denen man die Liebe zu alten Geigen bzw. deren potentielle Wertschätzung im Kundenkreis schon erkannt hatte- und das war im 18. Jahrhundert normalerweise nicht der Fall.


    Diese Art der Lackierung kenne ich von älteren Manufakturinstrumenten. Für mich ist das eine Geige etwa aus dem mittleren Drittel des 19. Jahrhunderts, Hopf-Modell. Auch Manufakturinstrumente können eine hohe Qualität haben, der Grad der Arbeitsteilung war ja sehr unterschiedlich (t.w. fand nur Lackierung "extern" statt).


    Meine Einschätzung widerspricht der Dendro ja auch nicht, Ende 18. Jahrhundert ist ja der frühestmögliche Zeitpunkt. Und wer da wann wo wie warum welche Jahresringe weggesäbelt hat (Schädlingsbefall, Astlöcher,....), welche Reststücke wann und wie wirtschaftlich verwendet wurden (reichte die Höhe/Länge der Kantel für ein Cello...) etc. wissen wir einfach nicht. Sprich, diese Dendrogeschichten haben eine hohe Unsicherheit, was den tatsächlichen Entstehungszeitpunkt anbetrifft, es geht eben nur die Angabe des frühesten Zeitpunkts- und mehr als das sagt die Dendro eben nicht aus. Deswegen haben wir hier eigentlich jedes Mal die Dendro-Diskussionen, wenn der "frühestmögliche Zeitpunkt" einfach als der wahrscheinliche Zeitpunkt interpretiert wird.

    Mmmmmh. Also, sonderlich liebevoll bzw. fachmännisch wurde das Instrument nicht behandelt. Der Steg ist runter, damit kratzt der Saitenhalter samt Feinstimmern fröhlich auf der Decke herum, der Bogen wurde nicht entspannt sondern einfach irgendwie weggepackt- da dürfte seine Spannung durchaus gelitten haben.


    Der Preis ist -wie Geigerlein schon sagte- ein frommer Wunsch. In den 1800 Euro stecken nämlich schon mal 19% Mehrwertsteuer (grob 350 Euro), neue Saiten müssen rauf (50-100 Euro), Steg rauf, Stimmstock, Klangeinstellung… Spannung/Zustand des Bogens und seiner Behaarung ist fraglich (Neubehaarung ca. 80 Euro)… etc. pp.


    Sprich: Ihr hattet das Instrument nebst Bogen vom Geigenbauer in einem Zustand übernommen, den es jetzt nicht mehr hat. Ein Geigenbauer bietet Garantie und Service, dafür will (…und darf!) er was dran verdienen. Auch das könnt Ihr als Privatpersonen nicht bieten, und da muss ein Käufer ein gewisses Risiko eingehen.


    Wenn man das jetzt alles mal zusammennimmt, sind Geigerleins Schätzungen meiner Meinung nach eher die Obergrenze. Der Wert steht und fällt mit dem Klang. Wenn ich aber davon ausgehe, dass ein Geigenbauer den Markt kennt und den Klang einschätzen kann, sind die 1800 Euro für ein Komplettset nicht unbedingt der Preis für eine Konzertgeige. Und leider ist der Markt in den letzten Jahren mit guten Schülerinstrumenten aus Fernost geflutet worden, so dass die Preis für Gebrauchtinstrumente weiter gefallen sind. Da interessiert Euer Neupreis wenig- sondern Käufer werden sich daran orientieren, welche Preis-Leistungsverhältnis auf dem Markt herrscht.


    Das alles nur für Euch zur Erklärung, dass es keinesfalls unverschämt ist, falls Euch potentielle Käufer nur 600-800 Euro anbieten sollten.

    Na, das ist ja ein „Deal“, oder besser Kuhhandel. Da würde ich mich auch nicht drauf einlassen. Wer weiß, was in einem Jahr ist. Und er hat den Blankoscheck, das Teil zu verhunzen wie er will, und setzt 350 Risiko (wenn es schiefgeht) zu 3000 Gewinn (5000 - 1000 Kaufpreis -1000 Steuern). Klar, ein Geigenbauer will auch leben, aber das erscheint mir doch arg schräg.


    Klar, Wurmschäden sind immer blöd, und ja, man kann sie nicht immer einschätzen. Aber die 1500 Euro Kosten hat er ja nicht, das ist zwar seine Arbeitszeit (er könnte in dieser Zeit 1500 Euro mit anderen Aufträgen verdienen), aber im Prinzip kann er Dir fiktiv berechnen was er möchte, Du kannst da nix nachprüfen.


    Das Beste ist wirklich, sie so wie sie ist zu einem fairen Preis zu verkaufen, und der neue Besitzer richtet sie für den Eigenbedarf her bzw. lässt sie herrichten. Vielleicht(!) hat er dann 1500 Euro Reparaturkosten, aber damit -plus Kaufpreis- ein 5000 Euro Instrument. Das klingt mir schon fairer, auch wenn die Zahlen jetzt natürlich fiktiv/an den Vermutungen des Geigenbauers angelehnt sind.

    Schöne Geige, Manufakturinstrument aus Sachsen/Böhmen um 1900. Wert je nach Klang, zum Geigelernen qualitativ prima geeignet. Ein paar Sachen müssten wahrscheinlich gemacht/Verschleissteile ausgetauscht werden (z.B. neue Saiten), aber dann wäre das ein nettes Instrument für einen Schüler oder „den Hausgebrauch“.

    Für mich stellt sich die Frage, was das "Ziel" sein soll, und was man an Zeit oder Geld investieren will.


    Option 1: (schnell) "Spielbar machen". Dann kann man den Hals dranleimen, und schauen, ob es hält. Ich kenne auch Instrumente, wo sowas jahrelang gehalten hat. Man kann selbstverständlich auch dübeln, das kann man schon auch ordentlich machen....Auch wenn das jetzt nicht die übliche Art ist, bei Celli habe ich das schon öfters so gesehen.


    Option 2: "Was lernen": Dann die Geige als Herausforderung sehen, und es "richtig" machen. Also Boden ab, aufdoublieren etc.


    Bei beiden Optionen kann etwas schief gehen- auch bei Option 2 kann man bei ungeschicktem Öffnen mehr kaputt machen als geplant. Da muss man schon überlegen, welche Werkzeuge und Fähigkeiten man hat, und ob man diese Arbeitsschritte nicht noch mal an einem Schrottinstrument üben will.