Alternative Geigen

  • Ist Euch schon mal folgender Widerspruch aufgefallen:


    Gitarristen spielen klassischen Musik auf klassichen Gitarren und andere Musikrichtungen auf speziell dafür bestimmten Gitarren.


    Geiger spielen klassiche Musik auf klassischen Geigen und andere Muskrichtungen auf klassischen Geigen.


    ?????


    Liegt es vielleicht daran, dass, mit Ausnahme der E-Geigen, die altehrwürdige, klassische Geige nie konsequent und nachhaltig weiterentwickelt wurde ?


    Das war vielleicht bis vor kurzem noch die richtige Antwort, aber neuerdings gibt es einige innovative Geigenbauer, die sich die Köpfe zerbrechen, wie mn die Geige anderen Musikrichtungen und anderen Musikern zugänglich machen könnte.


    Aufgeschlossene Geiger, werft mal einen Blick auf folgende Website:


    http://www.violin-neolin.com

  • Die Idee einer Bundgeige mit Schneckenmechanik ("Streichmelodeon", "Streichzither", "Tischgeige", "Kniegeige" ) ist an sich ja nicht neu..., scheint klanglich und technisch hier aber besonders gut gelungen zu sein.
    Was mir persönlich äußerlich nicht so gut gefällt, ist die Asymmetrie des Instrumentes. Ein "Cutaway" der rechten Seite zum leichteren Spielen hoher Lagen, wie bei modernen Gitarren, wäre mir als eher konservativem Menschen lieber gewesen, hätte klanglich aber wahrscheinlich zu starke Einbußen gebracht?
    Ich würde allerdings empfehlen, dass Instrument auch mit wartungsfreien ölgelagerten Mechaniken (wie bei guten modernen Gitarren) und - für fortgeschrittene Geiger - auch ohne Bünde anzubieten. Ein in der Höhe verstellbarer Steg wäre m. E. für die Verwendung als Zupfinstrument außerdem nützlich.
    Immerhin ist es schon bemerkenswert, wenn sich wieder mal jemand erfolgreich um die Weiterentwicklung der Geige bemüht, nachdem sich schon viele Geigenbauer und Laien mit ihren Versuchen zur "Reformierung" des Geigenbaus ruiniert haben. Da kann man wirklich nur viel Erfolg wünschen!
    Mit freundlichen Grüßen
    Rainer

  • Hallo Rainer !


    Vielen Dank für Deine Antwort.
    Wenn Du genau hinsiehst, wirst Du feststellen, dass die Neolin tatsächlich einen Cutaway hat. Die linke Schulter ist auf Normalhöhe, die rechte abgesenkt. Der Halfuss ist in die linke Korpushälfte integriert, es gibt kein Zäpfchen mehr, das brechen könnte. So kommt man fast bis zum Ende des Griffbrettes, ohne mit dem linken Daumen umgreifen zu müssen.
    Die Mechaniken auf der Webseite sind nicht mehr aktuell - habe inzwischen schönere und leichtere gefunden - aus diesem Grund übrigens keine Ölbad-mechaniken - sie würden durch ihr Gewicht die Schwingungsträgheit der Schnecke erhöhen und somit den Klang negativ beeinflussen. Ausserdem zählt das Gewicht am Kopf doppelt, wie Du sicher weisst.


    Warum sollte der Steg zum Zupfen höhenverstellbar sein ?


    Letzte Sache: die Bünde sind nicht nur als Hilfe für Anfänger gedacht. Sie machen aus der Neolin erst das Hybrid-Streich/Zupfinstrument, dass sie ist.
    Sonst kämen wir ja wieder zum gedämpften Geigenpizzicato ohne Nachhall zurück. Die Bünde sind Anfangs für Geiger etwas unbeqeum, aber man gewöhnt sich schnell daran. Und fürs Improvisieren sind sie sehr hilfreich, da der Spieler sich auf seine musikalischen Ideen und die Klangerzeugung mit dem Bogen konzentrieren kann, ohne sich gleichzeitig noch um die Sauberkeit der Töne Gedanken zu machen.
    Die Bünde verhindern über dies weder blue-notes, noch Glissando oder Vibrato. Man muss nur die Tecnhnik der linken Hand an die Neolin anpassen.


    Ansonsten vielen Dank für Dein Lob !

  • Hallo Bodo,
    als Fan des Les Paul-Modells bei Gitarren fände ich eine entsprechende Ausführung auch bei einer Geige optisch ansprechender, vermute aber stärkere klangliche Beeinträchtigungen bei dieser Form.
    Einen höhenverstellbaren Steg würde ich für sinnvoll halten, weil Zupfinstrumente m. E. eine niedrigere Saitenlage erfordern als Streichinstrumente, oder ist das bei der Neoline anders?
    Mit freundlichen Grüßen
    Rainer

  • Ah, verstehe, welche Art von Cutaway Du meinst. Ich habe das bei einer anderen Geige schon mal ausprobiert, musste aber feststellen, dass die Geige dafür zu schmal ist. Anstatt mit der Hand in den Ausschnitt zu gelangen (hmmm... das ist jetzt doppeldeutig :) ), bleibt man mit der Handfläche an der Spitze hängen - nicht sher angenehm. Deshalb habe ich mir den abgerundeten Cutaway einfallen lassen.


    Bei zu niedriger Saitenlage befürchte ich, dass die Saiten auf den Bünden schnarren könnten. Bei der Gitarre sind die Saiten am Griffbrettende eh quasi genau so hoch, wie bei der Geige, ca. 4 mm. Stellt spieltechnisch jedenfalls kein Problem dar. Dann schon eher das runde Griffbrett.


    Ist letztendlich aber alles Gewöhnungssache. Zum Spielen eines neuen Musikinstrumentes bleibt es mitunter nicht aus, dass man sich auch neue Techniken aneignen muss. Aber das macht auch wieder einen Teil des Reizes aus.