Herkunft meiner (alten) Geige...

  • Hallo, liebe Forenmitglieder,


    als "Neuer" stelle ich mich erst einmal kurz vor: Marc, habe vor 35 Jahren angefangen, Geige zu spielen... was leider nicht heisst, dass ich seit 35 Jahren spiele, weil ich doch sehr lange pausiert habe... Aber seit einigen Monaten habe ich das wieder aufgegriffen.
    Dabei bin ich auch auf dieses Forum gestossen, und denke, dass ich hier mal eine Frage zu einer meiner Geigen stellen kann, die ich schon immer mal loswerden wollte.


    Also: Die Geige ist in 2. Generation in Familienbesitz. Mein Vater hatte sie 1951 von seinem damaligen Geigenlehrer mehr "erhalten" als gekauft. Schon damals hatte der Lehrer sinngemäß gesagt, dass sie zwar nicht nach allzuviel aussähe, aber alt und gut sei. In den 80er Jahren habe ich sie dann "aufgetragen", und nun mal wieder ausgepackt, gepflegt, neue Saiten drauf, ein paar Monate gespielt - schön.
    Parallel dazu habe ich angefangen, (mal wieder) nach der Herkunft der Geige zu forschen, weil uns das schon immer interessiert hat.


    Auf dem Zettel (auf den wir nie viel Wert gelegt haben, ja ja, die Zettel, da steht viel drauf...) steht "Giovanni Santi. Fac. Neapel 1732".
    Ein anerkannter und empfohlener Geigenbaumeister, der sie auch in Pflege hat, sagte uns vor einiger Zeit zur Herkunft, dass die Geige seiner Ansicht nach wirklich recht alt sei - genauer wollte er sich nicht festlegen. Der Zettel sähe auch alt / echt aus, aber der Name sagte ihm, auch nach Recherche, nichts. Zudem hat er sich gefragt, warum jemand einen "gefälschten" Zettel einkleben sollte, mit dem Namen eines Geigenbauers, den keiner kennt.


    Erst in den letzten Wochen bin ich an ältere Fachliteratur gekommen (z.B. "Die Geigen- und Lautenmacher vom Mittelalter bis zur Gegenwart, v. Lütgendorff, 3. Aufl., 1922" sowie "Cremona - eine Charakteristik der italienischen Geigenbauer und ihrer Instrumente, Vogel, 5. Aufl., 1919), in der übereinstimmend ein Giovanni Santo aufgeführt wird, der als Santi signierte, in Neapel 1700 bis 1740 gelebt / gewirkt hat. Seine Geigen seien eher von geringer handwerklicher Schönheit gewesen, nach kleinem Modell gebaut und an den früheren Arbeiten von Nicola Amati orientiert gewesen.


    Nun ist das spannende, dass das alles auf meine Geige passt: Sie ist für eine 4/4 eher zierlich gebaut, und, obwohl ich sehr an dem Instrument hänge, muss ich zugeben, handwerklich habe ich schon feineres / schöneres gesehen. Geschätztes Alter und Zettel kommen ja dann auch hin.


    Das Schönste an der Geige: Der Klang. Sowohl meine Lehrer(innen) als auch mein Orchesterleiter (ehem. Konzertmeister a.d. Staatsoper) waren begeistert und haben sich die Geige immer mal gerne "ausgeliehen". Auch in der Familie meiner letzten Lehrer (Boris + Ida Goldstein, Hannover) sorgte die Geige spontan für Aufsehen, und die Reaktion war stets die gleiche: "hmmm., eine interessante Geige, wenn sie auch so klingt..." kurzes Anspielen, Augenbrauen hoch, absetzen, intensive Untersuchung "oh, sogar noch besser!"
    Die Geige klingt, auch im Vergleich zu anderen, guten Instrumenten, sehr weich, süss, rund und lieblich. Sie spricht außerordentlich schnell an. Ihr fehlt vielleicht das letzte bisschen Kraft / Größe, was aber aus meiner Sicht die Klangschönheit wieder wett macht. Insofern ist sie ja auch dicht am alten italienischen Klangbild.


    Meine Frage: Kann sie wirklich alt / echt sein? Bilder anbei, bessere habe ich leider nicht.


    Vielen Dank, ich hoffe, ich habe nicht zu viel geschrieben,


    Gruß, Marc

  • Es ist auf jeden Fall eine schöne und gepflegte Geige, die äußerlich aber tatsächlich nicht sehr besonders viel hermacht, und die auch auch nicht älter als ca. 200 Jahre geschätzt hätte.
    Um Sicherheit über das tatsächliche Alter und die Herkunft zu bekommen wäre sie wohl ein Fall für die Dendrochronologie.
    Als evtl. einfachere Alternative wäre es interessant, weitere Instrumente des angeblichen Erbauers zu ermitteln und sie mit diesen zu vergleichen.
    MfG
    Rainer

  • Hallo Rainer,


    vielen Dank für den Tipp - an Dendrochronologie habe ich bisher noch nicht gedacht, obwohl ich sogar das Glück habe, dass wir dort, wo ich arbeite, entsprechend untersuchen lassen können - super!


    Mit anderen Instrumenten des angeblichen Erbauers wird es wohl schwierig - den Quellen nach ist er ja wohl nur 40 Jahre alt geworden, und auch mehreren Geigenbauern, die ich gefragt habe, war er nicht bekannt.


    Ich finde den Charakter des Instruments übrigens irgendwie sehr charmant - macht optisch nicht viel her, klingt dann aber ganz wunderbar (besser als umgekehrt ;-)).


    Gruß, Marc