Cellobogen für 3/4 Cello

  • Hallo,

    ich lese hier im Forum gerne still mit, konnte schon viele hilfreiche Informationen für mich sammeln und habe nun eine grundlegende Frage zu Cellobögen:

    Ist es sinnvoll mit einem 4/4 Bogen auf einem 3/4 Cello zu spielen? Es ist mit 69,5 cm Bodenlänge ein recht großes 3/4 Cello würde ich meinen.

    Mit "sinnvoll" meine ich, ob man da in irgendeiner Weise im Spiel behindert wird.

    Oder ist die Länge des Bogens generell eher nebensächlich und das Gewicht ausschlaggebend?

    Danke und Grüße!

  • ...dem Cello macht das nix aus. ;)


    Es ist eher so, dass man eigentlich ein 3/4 Cello spielt, wenn man (noch) keine so langen Arme/Finger hat, und dann kommt man oft auch mit einem kürzeren Bogen besser klar. Wenn Du aber mit einem 4/4 Bogen gut klarkommst, spricht meiner Meinung nach überhaupt nix dagegen, damit auch auf einem 3/4 Cello zu spielen.


    Bogengewicht: Das ist ja auch nicht einheitlich, da gibt es schwerere und leichter Bögen. Da hat jeder seine Präferenzen- und wie schwer ein Bogen sich "anfühlt" und spielt, hat oft sehr viel mit der Gewichtsverteilung/Balance des Bogens zutun und ob das zur eigenen Spielweise passt.


    Also, wenn Du mit dem Bogen gut klarkommst, nimm den. Problematisch ist eher ein zu kurzer Bogen auf einem zu grossen Instrument, weil man nicht genug "Haarstrecke" und Haarbandbreite hat, um den Ton "herauszuholen". Aber auch da ist der Unterschied zwischen 3/4 und 4/4 Cello gar nicht so gross, wie Du das bereits bemerkt hast. Ich kenne auch Leute, die spielen mit einem Bassbogen auf dem Cello- auch das geht. Ein Bratschenbogen wäre für ein 4/4 zu schwach, aber ein Bassbogen scheint tatsächlich auch zu funktionieren. Natürlich sollte man damit nicht im Orchester auftauchen... Also: Ein zu "schwacher", zu kurzer Bogen auf einem zu grossen Instrument kann problematisch sein, mit einem "überdimensionierten" Bogen kann man gut klarkommen, wenn man sich daran gewöhnt hat.

  • Danke Braaatsch , für die ausführliche Einschätzung! Das hilft mir schonmal weiter in meinen Überlegungen.


    Es ist nämlich so Chiocciola , zurzeit spiele ich mit einem 3/4 Bogen (jedenfall vermute ich stark dass es sich um einen solchen handelt, Gesamtlänge ca. 67,5cm) auf einem geliehenen 4/4 Schülerinstrument.

    Ob der Bogen zu kurz für das Instrument ist kann ich nicht beurteilen, dafür reichen meine Spielkünste nicht aus, aber ich kann mir gut vorstellen, dass man da irgendwann Probleme bekommt.

    Nun schwärme ich für dieses 3/4 Cello, es ist Zufall dass es kein ganzes Cello ist. Ich habe auch schon von 1,80m Männern gelesen die ihr 1/2 Cello nicht mehr hergeben würden. Und du Braaatsch hast ja, wenn ich mich recht erinnere, auch mehrere Celli-Größen mit denen du zurecht kommst. Vielleicht ist das alles sehr individuell, aber hast du für dich schon herausfinden können, mit welcher Größe du am besten fährst? Ganz unabhängig von Klang und Optik.

    Sicherlich spielt der Faktor Praktikabilität im Alltag auch eine Rolle, aber hauptsächlich finde ich dieses Cello einfach nur hübsch und der Klang sagt mir zu. Also ein ganzes Cello wäre für mich grundsätzlich überhaupt nicht ausgeschlossen, aber da ist momentan keines im Rennen ;)

    7/8 fände ich auch spannend, da ist das Angebot nur sehr überschaubar.

  • Es gibt da überhaupt kein "Muss". Als Hobbyspieler kannst Du spielen, was Du möchtest- da kann Dir doch keiner was vorschreiben...? Klar, wenn Du eine Profi-Karriere anstrebst, dann ist ein 4/4 besser. Die Idee, Instrumente nach Grösse zu "normieren" ist relativ jung- früher hat man das gespielt, "was passte". Und es gab viele kleiner Instrumente, und auch grössere.... bei Bratschen ist das ja immer noch so.


    Und wenn es so wäre, dass man kleine Instrument nicht spielen könnte, dürfte es ja keine Geigen und Bratschen geben, kein Cello da Spalla,..... Dass man als Erwachsener ein 4/4 spielen "muss", ist eher Tradition. Und es hat natürlich auch damit zutun, dass man aus klanglichen Gründen versuchen sollte, ein relativ grosses Instrument zu spielen. Nun ist es aber tatsächlich so, dass der klangliche Unterschied zwischen einem 3/4 und einem 4/4 nicht gross sein muss, und es viele 3/4 gibt, die wie 4/4 klingen. Und es gibt auch die 7/8 Celli, die eine Zwischengrösse sind...


    Wenn Du also mit dem 3/4 glücklich bist, wer soll Dir das verbieten...? Es ist eben ein bisschen "gegen die Tradition", und in manchem Orchester wird man da vielleicht diskutieren wollen- aber eigentlich ist das Quatsch. Bei Bratschen macht da ja auch keiner ein Riesentheater, weil der eine 43 und der andere 39 cm Bodenlänge spielt. Aber es ist bei Celli auch so wie bei Bratschen: Die Bodenluange ist das Eine, die Mensur das Andere. Es gibt 4/4 mit angenehmer Mensur, und welche mit längerer- viele alte Instrumente sind da etwas freier in den Abmessungen als das moderne "Standard-Cello". Und je nach Modell ist die Bodenlänge auch unterschiedlich- viele Montagnanamodelle haben nur einen 73/74cm langen Boden, sind aber entsprechend breiter gebaut, manche Stradivari-Modelle sind bei 76 cm oder darüber, aber schmaler...insofern ist das mit dem 3/4, 7/8, 4/4 genaugenommen eh ein fliessender Übergang.


    Wenn Du ein 3/4 kaufte, musst Du dir nur im Klaren darüber sein, dass es schwerer wieder zu verkaufen ist als ein 4/4. Das ist eigentlich der einzige Einwand, wenn es ansonsten gut klingt.


    Mit welcher Cello-Grösse ich persönlich am Besten zurechtkomme, ist völlig wurscht- es geht ja um DICH und deine individuellen Vorraussetzungen ;) Die kleinen Celli nehme ich als Kindercelli, weil sie klanglich meinem 4/4 unterlegen sind. Muss bei Dir ja aber nicht so sein.

  • ...noch mal zu Grösse und Klang: Natürlich kann man auch aus einem kleineren Korpus einen schönen Klang zaubern, wenn er entsprechend gebaut ist. Es ist eher die Lautstärke, die durch das kleinere Volumen limitiert ist, und vielleicht fehlt etwas Volumen "im Bass". Prinzipiell, mit der richtigen Bauweise, kann man da aber viel ausgleichen und viel machen (auch mit entsprechender Klangeinrichtung, entsprechenden Saiten etc.).


    Aber: Die 1/2, 3/4 etc. ...-Celli gelten als Kinderinstrumente, die (meist) von Anfängern gespielt werden, und nur für eine Übergangszeit. Sprich: Die meisten Leute wollen kein Geld ausgeben, die Instrumente müssen also billig sein. Die meisten Spieler gehen eher "robust" mit ihren Instrumenten um, und haben limitiertes Können: Die Instrumente brauchen gar nicht superdupertippitoppi klingen, da lasst man lieber die Decke ein bisschen dicker dass es stabiler ist... Insofern sind solche kleinen Instrumente eher preisoptimiert und robust, und eher selten klangoptimiert. Das trägt natürlich zum Ruf bei, dass "kleine Instrumente nicht klingen" und man "ein 4/4 braucht".


    Das führt dazu, dass es wenige richtig gute kleine Instrumente gibt, obwohl es eigentlich möglich wäre, solche zu bauen- die wären dann aber nicht wirklich für Kinder geeignet ;) Du kannst dir ja mal auf YouTube die Videos anhören, wo (professionell!) ein Cello da Spalla gespielt wird- das hat (ungefähr!) die Grösse eines 1/8 Cellos. Aber das ist eben qualitativ eine ganz andere Liga als das typische 1/8 Schulcello- "anatomisch" (=Korpusgrösse) sind sie aber ähnlich. Es ist eben nicht nur eine Frage der Korpuslänge (die limitiert vor allem die Lautstärke und die Bassfrequenzen, aber so, dass es für den Laien eigentlich nicht problematisch ist), sondern vor allem der Qualität. Und da ist bei den 4/4 ist eben die Auswahl an richtig guten Instrumenten viel grösser.


    Eine andere Frage ist eben der Wiederverkauf. Das ist bei 3/4 eben schwieriger, das muss Dir klar sein. Auch wenn Du jetzt denkst, dass das keine Rolle spielt- wenn Dein Können zunimmt, beurteilst Du das jetzt anvisierte Cello vielleicht doch anders. Es ist ja oft -nicht immer!- so, dass man erst mit zunehmendem Können an die Grenzen des Instruments stösst, und es ist für viele Musiker eher eine "Reise" mit einigen "Upgrades", was Instrumente und Bögen betrifft. Hier im Forum sind vielleicht auch eher die "Upgrade-Freunde", die "Tuning-Community" und die "Sammler" unterwegs, daher spielt für viele hier der Aspekt des Wiederverkaufs vielleicht auch eine grössere Rolle als für Dich.


    Man kann prima mit mehreren Celli und auch mehreren Grössen leben, ich finde das Herumwechseln jetzt nicht so tragisch, da gewöhnt man sich dran. Man "muss" also ein kleineres Cello, was vielleicht ausgedient hat weil man sich in ein paar Jahre in das nächste Cello "verliebt" nicht zwangsläufig verkaufen, das ist dann nur eine Frage des Platzes und des Geldbeutels.


    Und ja, man kann auch sein Leben lang mit einem 3/4 glücklich sein, und die Anderen einfach reden lassen.

  • Das hast du schön zusammengefasst! Platzmäßig wäre das alles kein Problem, aber auch solche Umstände könnten sich im Laufe der Zeit ändern...

    Kinder habe ich leider nicht denen ich das "Kindercello" dann aufladen könnte :D aber ich habe Neffen und Nichte, die hätten irgendwann vielleicht Bock drauf. Und eventuell (!) könnte man so ein 3/4 Cello irgendwann (!) auch gut als Zweit- oder Reiseinstrument verwenden.

    Ja, es bleibt letztendlich meine alleinige Entscheidung, wollte nur mal so in die Runde hören wie's bei anderen aussieht. Danke dafür.

  • Ich würde da einmal beim Geigenbauer Fragen. Ich spiele ein 3/4 Cello mit 3/4 Bogen als Erwachsene. Offenbar habe ich sehr kleine Hände. Der Bogen wurde vom Geigenbauer ausgemessen - mit dem 3/4 Bogen komme ich mit der Spitze noch auf die Saite, wenn der Arm ganz ausgestreckt ist. Beim ganzen Bogen würde also vermutlich etwas Platz übrig bleiben. Wenn du also kleine Hände, aber lange Arme hast, könnte die Kombi 3/4 Cello + ganzer Bogen sinnvoll sein. Wenn du kurze Arme hast, dann eher nicht.

  • Habe schon bei einer Bogenbauerin angefragt und werde einen Termin vereinbaren und mich ausführlich beraten lassen.

    Ab wann hat man denn sehr kleine Hände? Also wenn die Handfläche zierlich ist, die Finger auch aber dafür sehr lang.

    Ich habe lange Arme und lange Finger. Man sagt ja schnell Frauen hätten kleinere Hände, aber wenn man dann trotzdem lange Finger hat – was dann? Meine Geigenlehrerin hat mich früher sogar für meine Finger gelobt, da war ich Grundschulkind und wusste nicht wirklich viel damit anzufangen, mittlerweile weiß ich, dass es hilfreich sein kann auf der Bratsche z.B.

    Ich tendiere mittlerweile schon doch eher zum ganzen Cello. Brauche auf jeden Fall noch Zeit um darüber nachzudenken.