Kleine Bratsche oder ungewöhnlich gebaute Geige!

  • Liebe Forumsexpertise!
    Ich habe erst beim Wiederbeleben einer Geige (Johann Brandner aus Schönbach, ca. Jahrhundertwende), die offenbar auch als solche bespielt wurde, festgestellt, dass es sich möglicherweise um eine Bratsche handelt:

    Ausschlaggebend ist wohl, dass vor allem die Zargenhöhe den Unterschied zwischen Geige und Bratsche ausmacht.

    Der Korpus dieser Geige 36,5cm lang,

    die Mensuren sind 32,5, Deckenmensur 19,5, Halsmensur 13. Diese wären typisch für eine 4/4 Geige und für mich war das bislang auch klar eine etwas länger gebaute Geige.

    Nun hab ich nach dem Lesen eines anderen Beitrages hier im Forum die Zargenhöhe gemessen: 3,8cm!

    Ja, ist die Böhmerin jetzt eine 3/4 Bratsche? Beim neu bestücken hatte ich sie vorerst eine Quinte tiefer gestimmt und war erstaunt, dass sie diese Tiefen ganz gut trug und kurz überlegt, sie als Bratsche zu verwenden. Ich bin lediglich Musikantin, keine Musikerin, und da hätte das schon gepasst...

    Aber ist das jetzt tatsächlich eine Bratsche? Sie klingt als Geige durchaus passabel...

    Weitere Daten, die für mich wieder eher zur Geige passen würden:

    Obere Breite 16 cm

    an der Taille misst sie 10,8 cm

    Untere Breite 20cm

    Bratschen wären doch weitaus breiter gebaut um einen bratschigen Klang zu kriegen - vor allem, wenn der Korpus kürzer ist, nicht?

    Als Geige klingt sie ganz passabel, ich mag sie. Bratschensaiten habe ich eben bestellt um dieses Klangspektrum auszuprobieren.

    Im musikantischen kann es durchaus Sinn machen, die Bratsche als Begleitinstrument zu nutzen, selbst, wenn sie jetzt nicht einen solistischen Klang hat. Dieses Instruent hätte den Vorteil, dass ich mich kaum umgewöhnen müsste, wenn ich bei einer Spielerei hin und herwechsle...
    Und verstärkt könnte man das cellige im Klang über die Soundanlage herausholen.

    Anbei ein paar Bilder von meiner Böhmerin (Ich hab sie unter "Bassbalkenriss/Klangoptimierung" schon vorgestellt) - sie ist nichts besonderes, die Schnecke ein bisserl klein und vernudelt, aber ich mag gerade das an ihr, sie hat einen sehr schlichten Charme.

  • Sie sieht doch recht zierlich aus. Wegen der Zargenhöhe halte ich sie aber für eine Bratsche. Bei diesen variieren die Korpusgrößen viel stärker als bei Geigen, so dass sie für ein Zwischending zwischen einer halben und einer dreiviertel Bratsche durchgehen könnte.


    Da jedoch die Mensur typisch für eine Geige ist, könnte es auch sein, dass hier ein Geigenbauer experimentiert hat, ob eine Geige durch ein größeres Korpusvolumen einen volleren Klang bekommt.

    Oder sie wurde als kleine Bratsche für einen Geiger gebaut, der zwischen den Instrumenten wechseln musste, aber Wert auf eine identische Mensur legte.


    Du könntest mal im Musikinstrumentenmuseum Markneukirchen nachfragen, ob dort solche Instrumente zwischen Geige und Bratsche bekannt sind.


    Ich würde sie so einrichten, wie sie am besten klingt, und sie dann spielen. Mir gefällt sie gut, ich mag kleine Schnecken :)

  • Danke, geigerlein, ich habe dort gefragt und bin sehr neugierig auf Antworten!
    Und ja, witzig, sie ist mir schon als lang und schlank aufgefallen, erscheint mir aber gleichzeitig als zierlich. Wenn ich nicht vom Forum aufs Nachmessen der Zargenhöhe gebracht worden wäre: Mir wäre es nicht aufgefallen!

    Und eben wurde mir klar, warum: meine Chinesin ist ein plumpes, fettes Teil! :D
    Ich nutze sie, da ich sie bei Wind und Wetter auch draußen spielen kann ohne mir Sorgen um das Instrument machen zu müssen.
    Wie auch immer: Ich lass euch die Antwort aus Markneukirchen wissen,
    vielen Dank und lieben Gruß!

  • Soweit ich weiss, gab es durchaus Versuche, mit der Zargenhöhe zu experimentieren. Auch ist es bei einem Manufakturinstrument möglich, dass dort irgendwelche Teile zusammengebaut wurden, die eben gerade da waren. Da würde ich nicht zuviel reininterpretieren... Natürlich kann es auch eine kleine (Kinder)Bratsche sein- ich würde daher auch schauen, wie sie klingt, aber nicht gleich die stärksten Bratschensaiten draufmachen. Steg und Stimmstock müssten sonst zumindest auf Dauer entsprechend eingerichtet werden (wenn die "Braige"/"Geigsche" dauerhaft als Bratsche gespielt werden sollte, würde ich das machen).


    Dass die C-Saite wenig Kraft hat, liegt an dem (zu) kleinen Korpus, und da gibt es auch nur begrenzt Entwicklungspotential- das ist einfach physikalisch schwierig. Es gibt auch kleine Bratschen (so ab 38,5/39cm), die relativ gut klingen- aber die sind dann breiter gebaut, und so richtig "Wumms" in den Tiefen haben sie sehr selten.

  • ich würde daher auch schauen, wie sie klingt, aber nicht gleich die stärksten Bratschensaiten draufmachen.

    Danke, Braaatsch !

    Ich hab jetzt mal die Alphayue für 3/4-Viola bestellt und da die Geische Geigen-Mensuren hat, wird die Spannung bei gleicher Tonhöhe etwas geringer sein, richtig?

    Bin gespannt, dank an euch!