Geige mit Bodenstimmen Riss

  • Ich habe diese Geige vor kurzem erworben. Auf den Bilder waren die schäden nicht zu sehen.

    Ich habe aber Hoffnung das hier noch was zu Retten ist. Boden und Zarge sind aus leicht geflammten Vogelaugenahorn in der Schwarte geschnitten.

    Es gibt winzige Ecklötze in allen Ecken. Der Bereich wo der Kinnhalter Sitzt und links und Rechts vom Hals ist die Decke deutlich abgenutzt.

    Ich bin daher der Annahme das die Geige um 18 Hundert entstanden sein könnte. Der Hals wurde nicht Geschäftet es könnte sein das er nicht zur Geige gehört oder meine Alters Annahme ist nicht richtig. Im Inneren wurden kürzlich reperaturen wie neuer Klotz im Hals bereich sowie einige Belegte Risse.

    Die zwei Risse im Boden und das Futter im Stimmbereich sind älter.

    Wer kann mir folgendes beantworten.


    Ist es möglich ein Original Eingesetzten Hals so umzubauen das er Angesetzt werden kann. Alo es gibt kein Anschäfter.

    Könnte die Geige ( zumindest der Korpus) ein hohes Alter haben oder zeigen die Abnutzungsspuren nur das die Geige sehr viel gespiet wurde.

    Und zu letzt aus welcher Region könnte die Geige kommen.

  • Hast Du mal ein Bild des Wirbelkastens von vorn und Detailbilder vom Übergang Hals zu Wirbelkasten von beiden Seiten? Ich meine, der Wirbelkasten ist angeschäftet, weil die Maserung der Schnecke für mich anders aussieht als die des Halses. Ob auch die Jahresringe anders verlaufen, kann ich wegen des Lacks nicht sagen.


    Man kann einen alten Hals schon in einen modernen Oberklotz einpassen, jedoch muss man dafür Holz an der Stirnseite zum Korpus hin und evtl. auch an der Unterseite zum Zäpfchen hin ansetzen, und das sieht man von außen. Man würde praktisch den durchgesetzten Hals dort absägen, wo die Aussparungen für die Keile sind, und dann dort neues Holz ansetzen, damit man ihn in den Oberklotz einpassen kann. Es sieht nicht so aus, als wäre das bei dieser Geige geschehen. Der Halsfuß sieht aus wie aus einem Stück. Man könnte natürlich an der Stelle der Aussparungen für die Keile Holz einsetzen, aber das ist schwieriger als nur ein Stück Holz am Ende anzusetzen und deshalb für mich nicht sehr wahrscheinlich.


    Die Geige sieht ziemlich alt aus, schönes Holz und schön gearbeitet. Ich halte die Bauweise für aufgeschachtelt, die Schnecke sieht für mich auch sächsisch aus. Der Lack scheint ziemlich dick zu sein. Baujahr um 1800, würde ich sagen.

  • Ich würde sie etwas jünger schätzen, erste Hälfte 19.Jahrhundert. Ich halte eher für "um 1840" für wahrscheinlicher. Meiner Meinung nach sind einige der Alterungsspuren (dunkle Flecken) künstlich. Herkunft: In Sachsen/Nordböhmen wurden ähnliche Instrumente um 1850 gebaut, aber es kann auch sein, dass sie recht früh (um diese Zeit) überlackiert/nachlackiert wurde. Die Form ist jetzt nicht "typisch sächsisch um 1800-1850", aber ich möchte Sachsen auch nicht ausschliessen. Ein Manufakturinstrument ist es meiner Meinung nach nicht. Und da gab es einfach zu viele Geigenbauer, die herumgereist waren- und Einflüsse verschiedener Regionen in ihren Instrumenten haben. Insofern sehe ich hier sowohl sächsische als auch süddeutsche Einflüsse....und vielleicht wurde das Instrument in Königsberg von einem Geigenbauer gefertigt, der in Sachsen lernte, in Mittenwald auf der Walz war und in Königsberg gearbeitet hat... So ganz stringent ist es eben nicht, und Geigenbauer gab es überall.

  • Man kann es schlecht erkennen, aber zum Wirbelkasten hin würde die Naht des Anschäfters eine Rundung machen und nicht gerade nach oben gehen. Bei dem Bild der Wirbelkasten-Unterseite sieht man, dass die Holzmaserung eins zu eins bis ganz nach außen geht. Also würde ich auch darauf tippen, dass das kein echter Anschäfter ist.

    Vielleicht wurde der Hals als Ganzes getauscht. Das würde auch die "sächsische" Schnecke und den "nicht sächsischen" Korpus erklären.

  • Der gefakte Anschäfter spricht für deutlich nach 1800. Das Konzept/die Idee, dass eine alte Geige wertvoll ist, entstand erst im 19. Jahrhundert. Vorher hätte man eine Geige nicht mit künstlichen Reparaturspuren versehen.


    Für mich ist weder die Schnecke typisch sächsisch, noch der Korpus typisch unsächsisch. Das sieht für mich durchaus passend aus.


    Das Thema „Dendro“ hatten wir zu Genüge- ich warne immer wieder davor, das in der Dendro frühestmögliche festgestellte Datum als Erbauungsdatum der Geige zu sehen. 1. die jüngeren Jahresringe müssen „nicht mit drauf“ sein (im Gegenteil, da wurde garantiert was weggeschnitten, es sei denn, die Decke ist einteilig aus der Mitte des Stamms) und 2. das Holz kann jahrzehntelang abgelagert worden sein.


    Man kann sich das natürlich alles schön- und altreden, reell ist das aber dann nicht immer. ;) Und dass eine Geige nach 170+ Jahren so aussieht, finde ich auch glaubhaft- da muss ich nicht noch 50 Jahre draufpacken.

  • Braaatsch ich gebe dir natürlich recht ein Dendro muss nicht bedeuten das die Geige so Alt ist. Es kann Tatsächlich auch über Jahrzehnte abgelagert sein. Auch die fehlenden Jahresringe die bei der Bearbeitung verloren gegangen sind kann man nur erahnen. Und ein gefäckter Anschäfter kann alles bedeuten. Er kann ein recht Junges Instrument ein alter vorteuschen. Er kann auch einem Alten Instrument zu gefügt worden sein. Oder wenn ein altes Instrument einen neuen Hals bekommen hat diesem eben Alt aussehen zu lassen. Wie bei einem Dendro weiß man nicht wann, wer, und warum geritzt wurde. Zumal ein kenner das sieht. Was das Alter betrifft ob 50 jahre oder mehr ist aus meiner sicht schon wichtig. Es hat sich gezeigt das sehr Alte Geige auf ein höheres Interresse stößt, was wiederum eine Restaurierung rechtfertigt. Ich habe damit auf jeden fall gute Erfahrungen gemacht. ;)

  • Natürlich ist ein höheres Alter besser. Es ist aber trotzdem so, dass ein Dendrologische Gutachten nur den Zeitraum angibt, in dem der Baum gelebt hat , was aber mit dem WAHRSCHEINLICHEN Alter und dem Erbauen der Geige garantiert nicht übereinstimmt. Denn als der Baum (noch) gelebt hat, kann die Geige noch nicht gebaut worden sein (egal wie sehr man sich das höhere Alter wünscht!). Solange man nur ein Teilstück des Baumquerschnittes hat, weiss man weder, wann der Baum gefällt wurde (dazu braucht man die jüngsten Jahresringe, die man manchmal bei einer einteiligen Decke finden kann), noch wie alt er war (dazu braucht man den gesamten Radius)


    Daher sind eben -realistisch- mindestens 30 bis eher 50 Jahre draufzurechnen. Wieviele Jahresringe draufgegangen sind, weiss man nie. Aber es sind welche draufgegangen, alles andere ist (bei einer geteilten Decke) einfach unrealistisch. Und da sind bei feinjährigem Holz schon bei nur 2cm 20 und mehr Jahresringe möglich, plus minimale (gute) Lagerzeit kommt man bei nur 2cm "Verschnitt" schon auf 30 Jahre.


    Da ist es für mich "Schönreden", wenn man den Ausschnitt, den man testen lassen kann, als Erbauungsdatum der Geige nimmt (obwohl man genau weiss, wie eine Geige gebaut wird). Auch wenn ein höheres Alter besser und erstrebenswert ist, und eine Geige wertvoller macht: Die Dendrologische Untersuchung (eines Teilstückes!) sagt, dass der Baum da GELEBT hat (und nicht, wann er gefällt wurde, es sei denn, man hat die Rinde/letzten Jahresringe sicher mit drauf).