Geige mit s-förmigem Symbol auf der Rückseite

  • Über Hinweise zur Herkunft dieser Geige würde ich mich sehr freuen. Sie ist um 1950 im Vogtland in unseren Familienbesitz gelangt.

    Neben den Einlegearbeiten auf dem Saitenhalter fällt mir vor allem ein s-förmiges Symbol auf der Rückseite auf (siehe Detailbild).

    Vielen Dank im Voraus!


  • Ja, die dürfte so um 1880-1900 herum im Vogtland (Gegend um Markneukirchen) gebaut.


    Saitenhalter: Die wurden damals in recht grossen Stückzahlen so gefertigt. Damals gab es recht hübsch verzierte Saitenhalter, geschnitzt oder mit Perlmutt eingelegt, da hat man sich echt Mühe gegeben. Natürlich waren die etwas teurer als die unverzierten Exemplare, dennoch sind es keine Einzelanfertigungen, die einem bestimmten Geigenbauer oder einer bestimmten Manufaktur zugeordnet werden können.


    S am Rücken: Die Erbauer waren manchmal sehr phantasievoll, kleine Fehler im Holz oder Spuren eines "abgerutschten Beitels" zu kaschieren. Meiner Meinung nach ist das hier der Fall: Ein kleiner Fehler, und da hat man eine kleine "Spielerei" draus gemacht. So wurde aus einem Kratzer/"Problem" ein nettes kleines Detail, ein "Erkennungsmerkmal", und die Geige war ebenso gut verkäuflich wie ein Instrument "ohne Fehler". Die Mühe hat man sich schon eher bei "etwas besseren" Instrumenten gemacht- es gab ja vom "Modell für preisbewusste Verbraucher" bis hin zur "unsignierten Meistergeige" alle Qualitätsstufen. Deine ist schon von guter Qualität, auch wenn sich das leider nicht (mehr) unbedingt im Verkaufswert widerspiegelt. Sie erinnert mich sehr an meine Bratsche, die könnten aus derselben Werkstatt kommen! Bei der wurde beim Bau ein Stück Holz angesetzt, weil der Boden nicht ganz reichte ;) Und die ist ein gutes Instrument- klein und handlich, sehr leicht spielbar und klanglich gemessen an ihrer geringen Grösse prima.


    Also: Am Besten behalten und selber spielen, im Verkauf muss man sich mit der neuen Konkurrenz aus Fernost herumschlagen, die drücken die Preise mit inzwischen auch guten Amateurinstrumenten, die in Massen teilmaschinell hergestellt werden. Der "Gebrauchswert" (und der Marktwert) dieser neuen Instrumente ist ähnlich gut, den Charme der alten Instrumente haben sie nur selten.

  • ...aus einer genauso unbekannten Manufaktur wie Deine Geige. ;)


    Es gab damals eine riesige Musikinstrumentenindustrie, die alles vom preiswerten Schulinstrument bis hin zum Meisterinstrument gebaut und verkauft haben. Um 1900 herum gäbe es sogar eine eigene konsularische Vertretung der USA in Markneukirchen, nur um den Musikinstrumentenexport zu koordinieren...! Da ist es leider völlig unmöglich, die Geschichte eines einzelnen, unsignierten Musikinstrumentes zurückzuverfolgen, selbst das Baujahr kann man nur annähernd schätzen. Es wurden über die Jahre hinweg Hunderttausende (wenn nicht gar Millionen) Instrumente gebaut, und davon etliche Tausend so wie Deine Geige und meine Bratsche.


    Es ist für den Wert in deinem Fall auch nebensächlich, und die allgemeine Historie ist ja schon interessant. Wenn Du Zeit hast, kannst Du mal nach Markneukirchen ins Musikinstrumentenmuseum fahren, dort kann man viel über den Geigenbau und -handel dieser Zeit erfahren. Auch sind dort die alten Kataloge ausgestellt, an denen man sehen kann, dass verschiedene Händler doch nahezu identische Instrumente "im Programm" hatten. Quasi ob "Neckermann" oder "Quelle"- die Sachen (und Preise) waren ähnlich.

  • Das ist eine hübsche Geige. Wenn das Symbol die Signatur eines Geigenbauers oder einer Werkstatt wäre, hätte man es vermutlich mittig unter dem Zäpfchen angebracht. Deshalb denke ich auch, dass hier aus der Not eine Tugend gemacht wurde.