Eine Französin?

  • Was sagt Ihr zu dieser Geige? Sie kommt aus England, hat aber einen französischen Zettel, was ja bekanntlich nichts heißt. Allerdings ähneln Schnecke und Wirbelkasten-Rückseite der französischen Geige, die ich von Abablon habe. Die Zargenecken sind parallel und sehen aus, als wäre die Geige mit Hilfe einer Form gebaut worden. Die Mittelfuge des Bodens ist mit Belegen gesichert.

    Die Geige hat eine wunderschöne Haselfichten-Decke, der ich einfach nicht widerstehen konnte. Rücken, Zargen, Hals und Schnecke sind entweder aus ungeflammtem Ahorn oder aus Birne (Buche?). Sie hat eine extrem hohe, zur Mitte hin konzentrierte Wölbung. Bin gespannt, wie sie klingen wird.


          


          


          


    Bis auf ein oberflächlich abgetrenntes Stück der Decke oben links hat sie keine Schäden. Jedoch war dieses Decken-Teilstück mit einem bröseligen, orangebraunen, zum Teil wasserlöslichen Etwas angeklebt. Es könnte auch Lack gewesen sein. Ich hab das Zeugs angelöst, bestmöglich abgekratzt und dann das Deckenstück mit Warmleim wieder ordentlich aufgeleimt. Lackretusche fehlt noch.



    Jemand hat die Geige von oben bis unten mit Klarlack überzogen, vermutlich um sie zu konservieren. Selbst Untersattel und Endknopf glänzen verräterisch. Am Hals hab ich den Lack entfernt, weil ich dort blankes, geöltes Holz lieber mag. Aber was mache ich mit dem Rest? Vorsichtig abschleifen oder so lassen? Und diese schwarzen Stellen um das Griffbrett herum bis zu den F-Löchern halte ich nicht für original und würde sie gern entfernen. Was meint Ihr dazu? Müsste ich dann den ganzen schwarzen Lack, also auch an Boden, Wirbelkasten und der Schnecke mit entfernen?

  • Da hat jemand mit dunklem Lack Alterungsspuren erzeugen wollen. So wie es aussieht, erst irgendwann später. Wenn da überall Klarlack drüber ist, dann wird es schwierig mit dem Entfernen des dunklen Lackes.

    Du kannst jetzt Versuche machen, ob und womit sich der Klarlack lösen lässt. Wenn du Pech hast, dann lässt er sich nur mechanisch entfernen. Aber auch das Entfernen mit Lösungsmittel erfordert viel Erfahrung und Geduld, wenn man den Originallack nicht gleich mit ruinieren will.

  • Ja, die Ziehklinge scheidet hier aus. Beim Entfernen des Lackes am Hals hat sich gezeigt, dass er in ganzen Plättchen abplatzt und auch untere Schichten mitnimmt. Unter dem Lack am Hals war eine spröde, dunkle Schicht, die zum Teil mit abgegangen ist. Vermutlich werde ich es mit Spiritus und Wattestäbchen versuchen.


    Was sagst Du zu einer möglichen Herkunft und vielleicht auch dem Alter der Geige?

  • Hier mein Ergebnis von gestern Abend. Da der Oberlack sich nicht mit Spiritus lösen ließ, hab ich es doch ganz vorsichtig mit einer scharfen Ziehklinge versucht. Das ging gut, aber fertig bin ich mit der Stelle noch nicht.

    Es zeigt sich aber, dass wirklich zumindest Decke, Schnecke und Wirbelkasten mit diesem harten Lack übermalt wurden. Man sieht ihn an den Rändern der nun freien Fläche. Wenn man leicht drüberkratzt, sieht er blau-grau aus. Da er eine orange-gelbe Farbe hat, wird die Geige im Original wohl rötlicher sein als jetzt. Was wieder ein Indiz für Frankreich wäre.


       

  • Hat keiner eine Idee zu einer möglichen Herkunft dieser Geige?


    Ich bin jetzt dabei, vorsichtig den nachträglich aufgebrachten Oberlack zu entfernen. Der Boden könnte doch ungeflammter Ahorn sein.

  • Ich habe ein bißchen recherchiert und herausgefunden, dass in Mirecourt tatsächlich Grancino-Kopien hergestellt wurden.


    Bei dieser Geige wurde Wert darauf gelegt, Grancino-typische Merkmale aufzugreifen. Dazu gehören das Modell, die Holzauswahl (ungeflammter Ahorn) und die eingeritzten Randeinlagen. Auch die Schnecke ist in diesem Stil, der Lack geht jedoch eher ins orange-braune, anders als der typische gelbe Lack der Mailänder Geigen.

    Ich habe auf dem Boden noch ein handschriftliches Zeichen entdeckt, das sich nur schwer fotografieren lässt. Da ich zur Ergänzung der F-Löcher sowieso die Decke abnehmen muss, werde ich es dann fotografieren. Es könnte die Signatur der Geigenbau-Werkstatt sein.