Wer kann was zu der Violine sagen?

  • Bei der gezeigten Geige würde ich auf "das Übliche" tippen, also Sachsen/Böhmen um 1920. Auf den Bildern kann man nicht so wirklich viel erkennen, z.B. wie weit die Schnecke nach hinten zum Wirbelkasten hin gekehlt ist, aber es sieht nach einem soliden Instrument aus. Das Griffbrett scheint neu und nicht von bester Qualität zu sein, da das Ebenholz deutliche Poren und viele helle Anteile hat. Die beste Qualität ist durchgehend tiefschwarz. Die Saiten sind Tonica, das ist ein guter Standard. Mit besseren Saiten könnte man durchaus noch mehr Klang rausholen.


    Man sollte den Halswinkel prüfen. Der Saitenabstand der G-Saite zum Griffbrett am Griffbrett-Ende sieht ziemlich hoch aus. Hast Du die Geige auch in den hohen Lagen gespielt? Wenn ja, war das angenehm oder eher anstrengend? Den neuen Steg könnte man noch ein kleines bißchen (nicht viel) niedriger machen, um die Spielbarkeit zu verbessern, dadurch kann die Geige aber leiser werden. Die Alternative dazu wäre ein Keil unter dem Griffbrett (macht den Hals in den höheren Lagen dicker) oder ein Neu-Einpassen des Halses (teuer). Halten die Wirbel gut?


    Der Deckenriss sollte noch retuschiert werden oder zumindest eine Schutzschicht transparenten Lacks bekommen (wenn nicht schon geschehen), sonst verdreckt er irgendwann. Grad wenn man den Geigenkorpus mit ölhaltigen Pflegemitteln (z.B. Viol) behandelt (was man besser nicht tun sollte), könnte sich das ungeschützte Holz entlang des Risses mit Öl vollsaugen, wodurch es unmöglich werden kann, den Riss neu oder nachzuleimen.


    Grad wenn Du das Geigespielen lernst, ist neben dem Klang eine gute Spielbarkeit sehr wichtig. Wenn beides gegeben ist, wäre mir das Optische ziemlich egal. Achte auch auf einen guten Bogen.

  • Erst mal vielen Dank für die Einschätzung! In den hohen Lagen bin ich leider noch nicht so zu Hause! Ich habe das Instrument mit meiner vergleichen können. Und mir gefällt sie deutlich besser vom Klang! Meine klingt im Vergleich deutlich leiser und hat einen viel trockneren Ton. Dadurch drängt meine bisherige allerdings auch ein bisschen präziser.


    Vielleicht kannst du auch etwas zu meiner anderen Geige sagen. Sie stammt von Walter Müller aus Bad Brambach. Ist von 1983.

  • Am Ohr ist der Ton anders als in 10 m Entfernung. Spielst Du eher für Dich, würde ich auf den Ton am Ohr besonderes Augenmerk legen. Eine schrille E-Saite in einem kleinen Übungsraum ist fies (Ich spreche aus Erfahrung...). Um den Ton aus der Entfernung beurteilen zu können, musst Du Dich aufnehmen oder Dir die Geige vorspielen lassen.


    Auch die neuere Geige hat Tonica-Saiten und kann z.B. mit Warchal Amber, Violino oder Obligato viel weicher und voller klingen. Neue Geigen haben den Vorteil, dass sie noch keinen Verschleiß aufweisen und meistens baulich dem Standard entsprechen, was grad bei alten Instrumenten oft nicht der Fall ist. Da ist z.B. manchmal der Hals kürzer und damit vielleicht auch die Spielmensur. Meiner Erfahrung nach haben alte Geigen hingegen einen ganz eigenen Klangcharakter, weil das Holz gereift ist und sich eingeschwungen hat. Ob sie dadurch per se besser klingen als neue Geigen, ist umstritten und liegt wohl auch im Ohr des Betrachters.


    Deine neuere Geige muss nicht zwangsläufig von Herrn Müller gebaut worden sein, grad wenn sie weniger als hoch vier- bzw. fünfstellig gekostet hat. Geigenbauer kaufen oft fertig gebaute, unlackierte Geigen aus China oder Osteuropa ein, lackieren sie und richten sie mit einem ordentlichen Setup ein, um den Markt der Schülergeigen zu bedienen. Hierbei werden die Decken- und Bodenstärken aber in Serienfertigung nach einem Standard ausgearbeitet, ohne auf die Eigenheiten des jeweiligen Holzes einzugehen. Deshalb können solche Geigen nicht so klingen wie echte, perfekt ausgearbeitete Meistergeigen.


    Grad die alten sächsischen/böhmischen Geigen (oder z.B. auch die französischen aus Mirecourt) wurden ebenfalls in Massenfertigung hergestellt. Allerdings gab es Instrumente unterschiedlicher Qualitätsstufen, weshalb viele der Instrumente, die bis heute überlebt haben, lohnenswerte Restaurationsobjekte sind und im spielfertigen Zustand sehr gute Schülerinstrumente abgeben. Wenn sie auch leider nicht viel einbringen, weil die chinesischen und osteuropäischen Geigen immer besser werden.

  • Ich habe mal versucht herauszufinden wer dieser Walter Müller war. Da meine Google Suche nicht besonders erfolgreich war, habe ich einen länger ansässigen Bogenmacher in Bad Brambach kontaktiert. Der berichtete mir, dass der Herr Müller wohl alleine gebaut hat. Vielleicht hat er auch tatsächlich Instrumente aus Ost Europa importiert. Aber 1983 war die Qualität aus China glaube ich eine Katastrophe. Mit der Violin befasse ich mich noch nicht besonders lange. Ich hab eigentlich Gitarre studiert und mit den Instrumenten kenne ich mich natürlich deutlich besser aus! Besagter Herr Müller ist vor ein paar Jahren verstorben. Ich kann den Wert dieses Instrumentes überhaupt nicht einschätzen! Sie ist relativ massiv gebaut. Merkt man wenn man auf die Decke klopft. Die andere klingt beim Klopfen schon viel resonanter. Was mich halt bei der ersten und Violine rätseln lässt, ist dass sie mal um 1000 € gekostet hat. Und dass sie in einem 750 € auf teuren (Berger) Koffer liegt.

  • Und noch mal danke für den Tipp mit dem Aufnehmen. Ich werde das mal mit einem Großmembran versuchen so 8-10 m….. Das interessiert mich doch jetzt sehr da mal den Vergleich in den Aufnahmen zu hören!

  • ... Was mich halt bei der ersten und Violine rätseln lässt, ist dass sie mal um 1000 € gekostet hat. Und dass sie in einem 750 € auf teuren (Berger) Koffer liegt.

    Vor Zeiten des "Internet" hat man für alte, sächsische Geigen durchaus mehrere tausend Euro bezahlt, weil man nehmen musste, was der lokale Geigenbauer auf Lager hatte, also nicht so viel Auswahl wie heute hatte. Je nachdem, wann diese Geige 1000 € gekostet hat, war sie vielleicht allenfalls mittlere Qualität. Heute würde ich ihren Wert bei gutem Klang im mittleren dreistelligen Bereich ansiedeln.


    Der Koffer war vielleicht gebraucht, oder der vorherige Besitzer hat ihn sich aufschwatzen lassen.