Geigen mit Bodenstimmriss

  • Hallo, ich wollte mal erwähnen, dass ich zwischenzeitlich einige alte Geigen erworben habe, die Bodenstimmrisse aufweisen (und teilweise zusätzlich auch noch Bassbalkenrisse).

    Während das früher für mich ein NoGo gewesen wäre, muss ich inzwischen sagen: Es kommt ganz darauf an, wie gut die Reparaturen ausgeführt sind. Selbstverständlich habe ich keinen Vergleich dazu, wie diese Geigen vor den Rissen geklungen haben, aber in ihrem jetzigen Zustand gefallen sie mir jedenfalls klanglich sehr! Und bei mindestens einer könnte ich mir sogar vorstellen, dass sie seit der Reparatur besser klingt als vorher, da vorher vorhandene Schwachstellen im Bodenholz nun gestärkt wurden.

    Ein reines Glücksspiel ist es allerdings, so eine Geige ohne Ausprobieren zu kaufen.

    Das wollte ich nur mal so allgemein loswerden. Falls es interessant ist, können wir das Thema ja noch weiter vertiefen.

  • Ein gut reparierter und gefütteter Stimmriss ist für mich kein Riss mehr :thumbup:


    Bodenstimmriss kann schnell mal passieren. Es reicht, dass beim Zuklappen etwas zwischen Deckel

    und Steg liegt, dann kommen mordsmäßige Kräfte auf die Stimme und den Boden.


    Da muss dann vorher auch keine „Schwachstelle“ gewesen sein. Oder wie kommst du drauf, dass

    es so war? :/:)

  • In diesem Fall handelt es sich um einen Boden, der "nach der Schwarte geschnitten ist" oder wie das heißt. Ich denke inzwischen, dass das generell nicht so eine gute Idee ist, nachdem ich einige problematische Geigen dieser Art erlebt habe.

    Diese Geige jedoch klingt ganz hervorragend. Und die Risse laufen weitgehend entlang der Maserung. Das lässt mich spekuliern, dass hier vielleicht (ausnahmsweise) die reparierten Risse sogar besser schwingen als der Boden in seiner ursprünglichen Form (wobei ich das natürlich nicht belegen kann).

    Die Risse sind mit Belägen repariert, direkt bei der Stimme befindet sich ein (kleines) Futter. Zumindest die Beläge sehen von der Farbe her alt aus, das Futter könnte neuer sein.


  • Man sieht 2 „Risse“ ... aber nicht direkt an der Stimme. Wirklich interessantes Holz, so unsymmetrisch ...

    auch die Outline ist nicht ganz gewöhnlich.

    Warum die gut klingt ... ob man das überhaupt herausfinden kann? Am besten einfach dran freuen! :thumbup:

  • Interessant: Der eine Riss läuft 9 mm neben der Stimme vorbei und endet etwa in gleicher Höhe. Zählt das nicht mehr als Stimmriss?

    Mir geht es bei dem Thema natürlich nicht darum, herauszufinden, warum die Geige klingt, sondern darum, zu sagen: Früher wäre so ein Boden für mich ein No-Go gewesen, inzwischen habe ich dazugelernt.

  • Ich hatte noch keine Geige mit Bodenstimmriss und scheue mich nach Hannes' Erklärung, dass die Stimme auch durch das Futter hindurch den Riss wieder aufdrücken kann, davor, mir eine solche Geige zuzulegen. Es kommt sicherlich darauf an, wie groß und tiefgehend das Futter ist. Wenn es ausreichend groß und tief ist, kann ich mir vorstellen, dass so ein Futter halten kann. Klanglich würde ich weniger Einbußen erwarten als bei einem Deckenstimmfutter.


    Welche Erfahrungen habt Ihr denn mit der Haltbarkeit von Bodenstimmrissen gemacht?

  • Meiner Meinung nach gilt folgendes:


    Ein Bodenstimmriss passiert nur:


    Wenn das Bodenholz zu wenig abgelagert wurde.


    Wenn das Bodenholz zu dünn ausgearbeitet wurde


    Wenn die Maserung / Holzqualität ungünstig gewählt wurde


    Bei sehr alten Geigen die Luftfeuchtigkeit zu sehr schwankt

    .



    Oft führt eine Kombination der obigen Gründe zu massiven Komplikationen.


    Sehr altes Ahornholz härtet nach und erleidet eine Volumenkontraktion. Wenn man dann von einem 1,4 mm dicken Boden noch etwas Abnehmen will zum Einbau/Versenken eines

    Futters ist das schon eine Herausforderung.

    ( Vorsicht, altes Ahornholz kann brüchig, bröckelig sein)

    .


    Grundsätzlich kann ein gut gesetztes Bodenstimmfutter zu einer Verbesserung/ Verschlechterung /Veränderung des Klangs führen.


    Bildbeispiel zeigt eine schöne, italienische Violine 1891 mit interessanter Flammung im Boden (Schwarte Stammfuß) die jedoch mittig sehr dünn (1,5mm) ist ( offene Mittelfuge) mit diversen schlecht sanierten Boden(stimm)rissen. Wie sollte man da vorgehen???

  • Das sieht böse aus. Ein paar Diamanten auf der Mittelfuge werden es nicht halten. Da ist die Frage, ob der Eigenton der Decke nicht sowieso zu tief ist und ein grossflächiges Futter möglich ist. Ich habe für sowas auch noch keine Beispiele im Netz gefunden.

    Wenn die Geige wertvoll ist, dann würde ich das mal einem Geigenbauer zeigen und um Rat fragen.

    Hast du schon einen Plan?

  • Oha, das ist knifflig. Ich würde zuerst ein Gipsbett anfertigen und im jetzigen Zustand der Geige die Bodenwölbung korrigieren. Wenn dann die Fuge immer noch nicht bündig ist, könntest Du die Bodenhälften trennen und die Kanten vorsichtig glatthobeln. Dann leimen und ein Futter über das ganze Zentrum des Bodens machen, quasi wie ein Brustfutter der Decke.


    Der Gang zum Geigenbauer, um professionellen Rat einzuholen, wird Dir wohl nicht erspart bleiben.