Hallo,
in Ergänzung zu dem allgemeinen Thread zur Wertbestimmung von Instrumenten
Überlegungen zum Thema Wert eines Streichinstrumentes etc.
und weiterhin zur Ergänzung zum Thread zur Klangbestimmung von Instrumenten
Wie kann man den Klang einer Violine testen und vergleichen? (oder teilweise messen?)
gebe ich hier mal meine private Einteilung für Violinen in Preisklassen her.
Zur allgemeinen Orientierung erst einmal noch folgende Überlegung: Wenn eine Geigenbauerin oder ein Geigenbauer 250 Stunden an einem individuellen Instrument baut, bei einem Stundenlohn von EUR 25, dann sollte die Geige also mindestens EUR 6250 kosten. Mit den Kosten für Werkstatt und Material also mindestens EUR 10.000. Es gilt auch zu beachten, dass der Verkauf eines Einzelinstruments oft noch Jahre dauert, Reisen erfordert, vielleicht mal eine neue Besaitung, dann ist das Instrument bei einem potenziellen Käufer oft Monate, kommt dann doch zurück usw.. Nicht selten muss ein neues Meisterinstrument also eher 18.000 bis 25.000 EUR kosten, damit sich das alles im Endeffekt lohnt.
Bei allen Instrumenten, die günstiger verkauft werden, müssen also notgedrungen irgendwelche Abkürzungen gegangen worden sein. Entweder Serienarbeit in Osteuropa, oder sogar in Fernost, wo jemand für z.B. 1 EUR in der Stunde arbeitet und in dieser Zeit 25 Obersättel raushaut (die dementsprechend ungenau sein müssen). Oder europäische Serienfertigung aus längst vergangenen Jahren und Jahrhunderten, aus Geigenzentren wie Sachsen, Böhmen, Mittenwald, Mirecourt. Oft Instrumente, die bereits erhebliche Schäden hatten, woraufhin sie als nominell wertlos aufgekauft und wieder hergerichtet wurden. Oder, oder oder.
Mit einigen oder vielen dieser Kompromisse wird man unter Umständen recht gut leben können. Mir kommt es hier nur erstmal darauf an zu sagen: Der Standardpreis für eine gute Violine sollte eigentlich etwa EUR 6000 betragen, und nicht EUR 300, auch wenn dieser Eindruck aufgrund der Fernost-Angebote manchmal entsteht.
Hier nun meine eigene Einteilung in Preisklassen für Violinen (in 4/4-Größe), so wie man sie derzeit am Markt (neu und gebraucht) findet:
Klasse 0: 0 EUR bis 250-300 EUR Normalerweise unbrauchbar, Ausnahmen bestätigen die Regel.
Klasse 1: 250-300 EUR bis 500-600 EUR Falls bereits spielbar: Anfängerinstrument, Ausnahmen bestätigen die Regel.
Klasse 2: 500-600 EUR bis 1000-1200 EUR Schülerinstrument, kann schon ordentlich sein.
Klasse 3: 1000-1200 EUR bis 2500-3000 EUR Fortgeschrittenes Schülerinstrument/einfacheres Berufsinstrument.
Klasse 4: 2500-3000 EUR bis 5000-6000 EUR Spitzen-Schülerinstrument/mittleres Berufsinstrument.
Klasse 5: 5000-6000 EUR bis 10.000-15.000 EUR Gutes Berufsinstrument.
Darüber hinaus (Instrumente bis ca. 30.000 - 50.000 EUR) habe ich keine eigene ausreichende Erfahrung.
Die obige Liste ist meine eigene ungefähre Orientierung und bezieht sich auf spielfertige Geigen. Jede Klasse ist *etwas* besser als die vorherige Klasse, jedoch nicht so sehr viel besser, wie man meinen könnte. Es ist wichtig, sich zu merken: Eine etwas bessere Qualität kostet in der Regel etwa doppelt so viel Geld.
Oder anders gesagt: Von einem Instrument, das doppelt so viel kostet, darf man nicht erwarten, dass es auch doppelt so gut ist. Es ist in der Regel gerade so viel besser, dass man immerhin einen Unterschied merken kann.
Bei nicht spielfertigen Geigen können Einrichtungs- und ggf. Reparaturkosten von EUR 300 - 1000 dazukommen.
Innerhalb einer solchen Preisklasse kann man mal "Glück" haben oder auch "Pech". Meiner Erfahrung nach hat man eher "Pech" als "Glück". "Glück" bedeutet zum Beispiel, dass man ein Instrument für EUR 900 bekommt, das sonst EUR 1200 gekostet hätte. "Pech" bedeutet zum Beispiel, dass man ein Instrument für EUR 350 kauft und dann erstmal EUR 450 oder mehr reinstecken muss, bevor es spielfertig ist - und es dann aber trotzdem ein Anfängerinstrument bleibt. Auch "Pech" kann es, wenn man ein angebliches Meister-Spitzeninstrument aus China für EUR 1200 kauft, das dann aber auch nur so klingt wie eines für ca. EUR 500.
Nebenbemerkung: Nicht jedes Instrument ist für jeden Zweck gleich gut. Auch ich habe zwei Geigen, die recht leise klingen - die eine sogar so leise, als sei ein Dämpfer drauf. Die kommt dann eben dran, wenn mir nach 23 Uhr noch einfällt, dass ich ein paar Tonleitern üben möchte. Manche geben für eine "Silent Violin" über EUR 1000 aus, meine hat mich EUR 300 gekostet - über die es mir zuerst noch leidtat. Dann jedoch begriff ich den höheren Sinn und den Wink des Schicksals: "Hier bitte, und nun übe noch etwas mehr!". Das macht das Instrument aber nicht wertvoller, es bleibt dennoch im Grunde ein Instrument der Klasse 0, also "unbrauchbar".