Wertminderungen bei Streichinstrumenten

    • Offizieller Beitrag

    Vor ein paar Tagen war ein nettes Ehepaar beim Geigenbauer und wollte wissen, was ihre Geige wert sei. Der Mann hatte sie vor ein paar Jahren einmal umgerechnet für 2.000 ? gekauft. Nun stellte sich aber heraus, dass die Violine einen sehr gut reparierten, kaum zu sehenden Bodenstimmriss hatte. Der Wert der Violine tendierte dann gegen Null.


    Hier im Forum werden immer wieder Einschätzungen getroffen, die davon ausgehen, dass keine Schäden im Instrument sind, bzw. nur die tatsächlich auf den Bildern sichtbaren.


    Es ist auch so, dass bei sehr wertvollen Geigen Schäden nicht so stark wertmindernd sind wie bei einfachen. Zum Beispiel ist eine Stradivari mit einem gut reparierten Bodenstimmriss immer noch ganz schön was wert, während es bei einer 2.000 Euro Geige fast ein Totalschaden ist.


    Im folgenden sind einige wert- und tonmindernde Reparaturen bzw. Schäden aufgeführt. Sie sind aus den Heften von Aloys Greither entnommen, die ich mit freundlicher Genehmigung der Bayer AG wiedergeben darf:


    Der besseren Übersicht und der leichteren Orientierung halber sollen die einzelnen Schäden noch einmal in der Form aufgeführt werden, wie sie zu Buche schlagen.



    Wertmindernd sind



    1. Lackretuschen, Überlackierungen, absichtlich gesetzte Lackschäden, neue Lackierungen: sie bedeuten Minderungen eventuell bis zur Hälfte des Ausgangswertes;
    2. fremde Teile (Schnecke, Boden, Decke, Zargen);
    3. Stimmrisse (d. h. Risse, die im Verlauf von Stimmstock oder Bassbalken durch Decke oder Boden laufen) und andere Beschädigungen der klingenden Teile von Decke und Boden;
    4. sog. Futter, das sind nachträgliche Verstärkungen von Boden und Decke, weil letztere infolge des sog. späteren Ausschachtelns zu dünn geworden waren;
    5. Verdünnungen von Boden und Decke (ohne Futter). Da eine dünnere Decke den Ton leichter ansprechen lässt, sind bei vielen Instrumenten im Lauf der Jahrhunderte die originalen Holzstärken reduziert (ausgeschachtelt)worden.



    Nicht wertmindernd sind



    1. neue Hälse (sog. Anschäfter);
    2. neuer Stimmstock, neuer (längerer) Bassbalken und neuer Steg. Ferner auch nicht kleinste Klötze und streifenartige Verklebungen im Innern von Boden und Decke.
    3. zugebuchste und neugesetzte Wirbellöcher.



    Nicht tonmindernd sind



    1. Lackretuschen, wenn sie gut und dezent durchgeführt sind, andere Schnecken, z. T. auch andere Zargen (dagegen sind andere Böden und Decken stets auch tonmindernd), zugebuchste Wirbellöcher; Stimmrisse, wenn sie gut geleimt und auch handwerklich hervorragend repariert sind;
    2. Futter, wenn sie aus gutem Holz gefertigt und in der richtigen Stärke an zu schwachen Stellen eingefügt sind;
    neue Hälse, neue Stimmstöcke, Bassbalken, Stege, kleinste Klötze und geschickt angebrachte notwendige Verklebungen.


    Diese wenn auch umständliche, so doch unentbehrliche Analyse sollte zeigen, dass die wertmindernden Eigenschaften eines alten Streichinstrumentes keineswegs solche der Minderung der Tonqualität sein müssen. Daraus wiederum ergibt
    sich, dass die Vorzüge der Meisterinstrumente der italienischen Geigenbaukunst für das Auge und das Ohr nicht immer übereinstimmen und durchaus verschiedene Kriterien haben können.


    Ich hoffe hiermit einigen Aufschluss gegeben zu haben. Sollten hierzu noch Fragen sein, können wir sie gerne hier im Forum diskutieren, um so jedermann einiges an Wissen an die Hand zu geben, seine Geige ein bisschen einschätzen zu können.


    Analog gelten die hier gesagten Grundsätze natürlich für alle Streichinstrumente, also auch Bratschen, Celli und Kontrabässe sowie den Barock-Instrumenten.

  • ja: da hat sich kein Meister verewigt, sondern einer eine persönliche Notiz (vermutlich sein Name, damit die Geige nicht verwechselt wird) hinterlassen.
    Die läßt sich aber leicht "wegwischen".