Das "China-Schicksal"...

  • Liebe Geigen-Gemeinde,

    ich muss mal meinen "Frust" loswerden. Ich besitze eine wirklich schöne Geige, die ich in meinem Heimatort vor ein paar Jahren von einem Geigenbauer gekauft habe. Ursprünglich wohl Weißware (oder wie man das nennt?) aus China und dann in seiner Werkstatt spielfertig gemacht. Kaufpreis mit sehr hochwertigem Set-up) ca. 1700€. Ich hatte damals an die 50 Geigen im Preisbereich bis 4000€ probiert... diese klang mit Abstand am besten! Außerdem lässt sie sich super leicht spielen und spricht sehr gut an. Mein Geigenbauer sagte damals, das sei ein Instrument, an dem er selbst auch Spaß hätte und das war absolut aufrichtig. Nun stöße ich immer wieder auf Leute, die die Nase rümpfen, wenn sie hören, dass das Instrument aus China kommt. Obwohl ich da eigentlich drüber stehen müsste, ärgert es mich und führt schon fast dazu, dass ich den Spaß an dieser Geige verliere. Rational ist das natürlich Blödsinn, aber irgendwie hole ich sie immer seltener aus dem Koffer und gebe meiner alten deutschen Geige den Vorzug, obwohl sie wesentlich schwieriger zu spielen ist. Ich ärgere mich selbst, dass mich plötzlich der Gedanke an ihre Herkunft stört und ich stattdessen das Gefühl habe, es müsste ein "ehrwürdiges" altes Instrument sein. Wäre es eine alte "Sächsin" würde ich mich wahrscheinlich einfach glücklich schätzen, für kleines Geld ein so qualitätsvolles Instrument mein eigen zu nennen. Nun meine Frage - WARUM werden chinesische Geigen eigentlich nach wie vor so schlecht geredet? Wir reden natürlich nicht von der Massenware, die es für unter 100€ als Set bei Amazon gibt. Könnt ihr mein psychologisches Dilemma nachvollziehen oder besser, zerstreuen? Freue mich auf eure Antworten ;)

  • Ich spiele auf einer Geige von Yitamusic. Kollegen finden sie schön, und vor allem auch den Klang.

    Dass die aus China kommt, daran hat sich noch keiner der Musiker gestört. Und wenn, dann wäre mir

    das persönlich egal.

    Allgemein wird „aus China“ meist negativ empfunden, nicht nur bei Geigen, bei fast allem. Es gibt auch

    viele schlechte Kopien, bei Elektrogeräten, bei Autos usw. und auch bei Geigen. Nur, bei Geigen gibt es die

    auch aus europäischen Ländern, Rumänien, Ungarn .. ganz billig gemacht und lackiert. Das ist nichts

    China-spezifisches. Dass es inzwischen gute Geigenbauer und gute Werkstätten gibt, scheint noch nicht

    allgemein bekannt zu sein. Wer bei „Geige aus China“ die Nase rümpft, weiß halt nicht Bescheid. Oder hat

    eine allgemeine Abneigung gegen China, (Plagiatoren, Unrechtstaat), auch das gibt es.


    Frage dich selbst mal, warum dich die Herkunft aus China stört. Eine unbegründete Abneigung, ein

    Vorurteil der Anderen sollte es jedenfalls nicht sein. Da könntest du drüber stehen. Vielleicht auch, wenn
    du jetzt meine Meinung dazu kennst. :)

  • An Deiner Stelle würde ich über den doofen Kommentaren stehen. Du hast die Geige ja aufgrund ihres tollen Klangs und der guten Spielbarkeit unter vielen anderen ausgewählt und warst bereit, auch ein deutlich teureres Instrument anderer Herkunft zu kaufen. Wo bei so einem Auswahlprozess die Liebe hinfällt, kann man vorher nicht wissen. Es gibt ja mittlerweile viele sehr gute chinesische oder chinesischstämmige Geigen.


    Ich selbst habe einen völlig anderen Fokus: Ich restauriere alte Geigen, um sie wieder ins Leben zu rufen und spiele sie dann meistens eine Zeitlang selbst. Meine aktuelle Übungsgeige habe ich z.B. selbst überarbeitet, und glücklicherweise spielt sie sich wunderbar und klingt gut.

    Solche alten Geigen eignen sich oft (nicht immer) sehr gut als Schülerinstrumente, haben aber preislich kaum eine Chance gegenüber den billigen China-Sets, die Du auch erwähnst, weil man eben auch einiges hineinstecken muss. Da muss man auf einen Käufer hoffen, der Charakter und gereiften Klang zu schätzen weiß und bereit ist, ein bißchen mehr Geld auszugeben. Nicht leicht, und ich kann froh sein, wenn ich meine Kosten wieder reinbekomme...

  • Ich würde mir da einen guten Gegenkommentar überlegen. Da kann man ruhig auch „politisch“ werden, denn es ist ja eigentlich nix Anderes als „Geigenrassismus“. Genauso, wie man einen Menschen nicht nach seiner Herkunft „einsortieren“ sollte, sollte man das bei einem Instrument auch nicht tun.


    Frag doch die Leute, warum sie glauben, dass es unter x Millionen Chinesen nicht genauso gute oder sogar bessere Geigenbauer gibt als unter y Millionen Deutschen. Oder ob ein Instrument nur mit Hakenkreuz gut klingt.

  • Noch ein Nachtrag: Genauso, wie es Leute gibt, die blöde Kommentare über chinesische Instrumente machen, genauso gibt es Leute, die das Gleiche über „Nicht-Meister-Instrumente“ oder „Böhmen-Fiedeln“ oder was auch immer machen. Alle Instrumente „unterhalb“ von welchem Level auch immer „taugen nix“.


    Insofern: Mit einem anderen Instrument verlagert sich das Problem nur. ;) Oft sind das übrigens Leute, die selber ein Problem haben. Nämlich mit dem Neid. Da muss das Instrument des Anderen schlechtgemacht werden, damit man selber besser dasteht. Es „darf nicht sein“, dass Du ein gutes Instrument für weniger Geld gekauft hast, als sie für ein schlechter klingendes Instrument ausgegeben haben. Daher „muss“ Deine Geige schlecht sein. 😉 Oder aber sie sind neidisch auf dein Können - „die kann zwar besser spielen, aber dafür hat sie nur eine Geige aus China, äääätsch!“.


    Was auch immer dahintersteht- Neid, Dünkel, Dummheit- …lass Dich nicht unterkriegen! Ich habe auch „nur“ ein „Sachsen/Böhmencello“, und ich kenne da auch so Kommentare. Aber ich mag meinen „Böhmischen Kindersarg“, und Können kann man sich auch mit dem besten Instrument nicht kaufen.


    Und wenn Dich wieder jemand fragt- entweder der Spruch oben (für ganz Blöde), oder, etwas netter: „Wieso ist das ein Problem, dass das eine chinesische Geige ist? Ich SPIELE auf meiner Geige, ich muss ja nicht mit ihr REDEN!“




  • Hallo ihr Lieben,

    vielen Dank für eure inspirierenden Nachrichten hier! Tatsächlich habe ich das mal zum Anlass genommen und mich gefragt, warum mich die Kommentare stören. Zugegeben, ich mag Dinge mit Geschichte. Das gilt für alte Häuser, alte Möbel… und natürlich auch für Geigen. Das Problem ist nur - ein modernes Haus ist oft deutlich wirtschaftlicher und komfortabler als eine alte Villa… oder aber die Sanierung ist so aufwendig, dass das Ergebnis zwar toll, aber für die meisten Menschen nicht finanzierbar ist. Übertragen auf die Geige - es mag viele schöne alte Instrumente geben, aber möglicherweise kann eine chinesische Geige im Preis-Leistungsverhältnis besser abschneiden und eine klanglich und technisch komfortable Alternative sein, da man für vergleichbare Klang- und Spieleigenschaften bei einem alten Instrument (ggf. noch mit einem bekannten Namen) deutlich mehr zahlen müsste. Mein Geigenbauer sagte mir damals, er hätte gerade ein altes italienisches Instrument in der Werksatt gehabt (>50.000€), das unlängst sogar in einer Fachzeitschrift gezeigt worden war, das klanglich so schlecht war, dass die drei „chinesischen“ Geigen, die er gerade spielfertig machte, tatsächlich überlegen waren. Das ist sicher ein Extremfall, aber, solange es Menschen gibt, die nur den Namen „kaufen“ und sich das Instrument dann in eine Vitrine stellen, kann wohl auch soetwas passieren :)

    Nun, Neid auf meine spielerischen Qualitäten kann ich ausschließen ;) ...aber es gehört schon ein wenig Arroganz dazu, eine Geige nur anzuschauen und zu sagen „das ist ja ein chinesisches Instrument!“, als würde ich den Inhalt der vergessenen Butterbrotdose meines Sohnes nach 6 Wochen Sommerferien präsentieren…

    Ihr habt mir jedenfalls den Rücken gestärkt und auch, wenn ich mir sicher nochmal den Traum von einer alten Geige erfüllen werde, bedeutet das nicht „entweder oder“. Ich denke, wenn mein Sohn in ein paar Jahren auf eine 4/4 umsteigt, wird er gerne darauf spielen und wer weiß, wo die „Traumgeige“ dann irgendwann mal herkommt… ich habe jedenfalls auch noch eine sehr schöne böhmische 3/4 Geige hier, bei der ich mich jedes mal ärgere, dass es keine 4/4 ist… dann würde ich sie nämlich liebend gerne selber spielen ;)

  • Noch ein anderer Aspekt:


    Die Geige ist – so kann man es auch sagen – von deinem Geigenbauer aus dem Heimatort.


    Bei Weißware hat er die Geige ja evtl. noch etwas nachgehobelt, geschliffen, lackiert und eingerichtet.


    Woher weiß man denn, woher das Holz und so manche Teile immer kommen? Vorgefräste Decken,

    Hälse und Griffbretter kann sich jeder Geigenbauer aus China bestellen.


    Ich persönlich finde es wie gesagt gar nicht störend, im Gegenteil, in welcher alten Geige hat der

    „Meister“ schon auf dem Zettel unterschieben, wie in meinem Fall? (auch wenn es natürlich kein

    „richtiges“ Meisterintrument ist.)


    Also, es muss gar niemand wissen, wo der Korpus deiner Geige vorgefertigt wurde.

  • Und wer sagt, dass man als Erwachsener mit kurzen Fingern auf einer 4/4 spielen MUSS und auf einer 3/4 nicht spielen darf..??? ;)


    Mach dich frei von den Urteilen Anderer, und mach es so, wie es für DICH passt. Es ist doch dein Hobby, oder? Und das soll DIR Spass machen. nicht „den Anderen“.