Woher könnte meine schöne Geige kommen?

  • Hallo ihr lieben,


    ich bin neu hier im Forum und kenne mich noch nicht so gut aus :saint:

    Vor einiger Zeit habe ich second hand über ebay Kleinanzeigen eine schöne Geige erstanden. Ich habe neue Seiten aufgezogen und werde demnächst auch den seitenhalter und den kinnhalter erneuern. Mir ist klar, dass es nichts "dolles" ist, aber es würde mich total interessieren wo die Geige herkommen könnte. Hat jemand eine Idee?

  • das sind diese Ultra - Stainer Geigen, manchmal auch als Widhalm- , Füssener-, Thier- oder sonst wie bezeichnete Modelle mit ihren fast senkrecht ansteigenden Wölbungen. Die wurden massenhaft v.a. in Böhmen Mitte 19. Jh. bis Anfang WK2 hergestellt. Viele hielten sie für besonders wertvoll und alt. daher wurden sie auch oft teuer restauriert.

    Wire hatten hier schon mehrere solcher Modelle

  • Oh, danke für deine Antwort :) Könntest du mir vielleicht noch erklären woran genau du das erkennst? Ich habe zb meine Geige mit der von dir verlinkten Geige verglichen und mir sind doch einige Unterschiede aufgefallen, wie der geteilte Boden.


    Meine ursprüngliche Vermutung war, dass es eine "Sachsengeige" ist. Die Tatsache, dass das Griffbrett nicht aus Ebenholz ist, habe ich als Indiz dafür gewertet, dass es sich um ein günstiges Modell handelt. Aber das verwendete Holz scheint mir hochwertig zu sein (wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob die Zargen und der Boden aus Vogelaugenahorn sind oder einfach nur schlecht lackiert ^^). Meinst du denn, sie wurde schon einmal neu lackiert? Ich hätte nämlich bei einer günstigen Geige mit minderwertigem Lack erwartet, dass er über die Jahre grau wird:/


    Na ja, ich finde sie klingt jedenfalls ganz wunderbar und ist auch nicht zu laut für meine Nachbarn 8o

  • Sachsen und Böhmen ist diesselbe Geigenbauregion. Das grenzt aneinander, und ob die Geige nun in Markneukirchen oder „5km weiter“ in Böhmen gebaut wurde, oder der Hals aus Böhmen stammt und der Korpus aus Sachsen, oder die Geige in Sachsen gebaut und in Böhmen lackiert wurde....damals war das alles Eins.


    Ob der Boden geteilt ist oder nicht spielt weniger eine Rolle. Das Modell -Stainer, Strafivari,...- wird durch die Abmessungen, die Umrissform und die Wölbung, die Form der F-Löcher etc. definiert. Daran erkennt man das auch.


    Damals, im 19. Jahrhundert, war Ebenholz sehr teuer. Da gab es ja weder das Internet zum Bestellen, noch Flugverbindungen zum Liefern. Das Holz musste „vom anderen Ende der Welt“ mit Schiff, wenn man Glück hatte Eisenbahn und dann Pferdefuhrwerk herangeschafft werden. Es gab viele -meist hochwertige- Geigen mit Ebenholzteilen, aber je älter eine Geige ist, desto öfter kommen/kamen auch bei „besseren“ Instrumenten einfache Griffbretter vor.


    Um 1900 gab es dann nur noch bei einfachsten Geigen kein Ebenholz, aber um 1850 sah das eben ganz anders aus 😁

    Bei vielen alten Instrumenten wurde das einfache Griffbrett auch später gegen Ebenholz ersetzt.

  • Der geteilte Boden ist kein Indiz das eine Geige besser oder schlechter ist. Sichlich Hübsch und besser wenn Einteilig.

    Dein Indiz was das Griffbrett angeht trifft meistens zu und somit hast du deine fragen selber gut beantwortet.

    Vogelaugenahorn sehe ich hier nicht. Alle weiteren Fragen würde ich über einen Geigenbauer klären

    der in Natura mehr sieht als wir. Bis dahin ein schönes aber unauffälliges Instrument. Mit eher geringen Wert.

  • Der Boden ist aus der Schwarte geschnitten und hat eine wilde Maserung. Die Schnecke ist auch sehr schön gestochen. Gefällt mir! Und wenn der Klang für Dich (und die Nachbarn) passt, ist ja alles wunderbar.

    Ich schiele mittlerweile nicht mehr auf die Herkunft einer Geige. Wichtig sind Spielbarkeit, Klang und auch die Verarbeitung - die auch bei alten Sachsen sehr gut sein kann.

  • Vielen Dank für die lieben und hilfreichen Antworten!! :)

    Da ich die Geige selber spiele und niemals hergeben würde, ist mir der Marktwert auch gar nicht so wichtig. Ursprünglich war sie nur als "Reisegeige" gedacht, aber ich habe festgestellt, dass ich sie sogar lieber spiele als meine "teure" Geige. ("teuer" weil ich das Setup von einer Geigenbauerin habe machen lassen. Sie ist auch von ebay Kleinanzeigen.) Mich würde total interessieren was ihr zu dieser Geige sagt bzw. ob ihr Ideen zu ihrer Herkunft habt. Laut Verkäufer ist sie ca. 70 Jahre alt und könnte von einem Geigenbauer aus München namens Georg Ebner stammen. Wenn ich sie neben die böhmische Geige lege wirkt sie viel robuster und klobiger.


    Ich freue mich auf eure Antworten :)

  • Du kannst den Geigenbauer fragen ob die Geige ein (Stimm)futter hat, welches vielleicht nicht wegen eines Stimriss sondern wegen einer Absenkung gesetzt wurde. Vor dem Steg sieht man zwei größere Lack Reparaturstellen. Das kannst du auch selbst mit einem Zahnarzt Spiegel prüfen. Könnte aber auch nur eine oberflächliche Beschädigung/Reparatur des Lackes sein.


    Neben dem Griffbrett spricht auch eine eher weniger feinjähriges Holz der Decke für eine einfache Geige. In Deutschland und nördlich der Alpen hat man für tolle Meister Geigen eher ein sehr feinjähriges Holz verwendet. Und ob der Lack (teilweise) neu ist kann man einfacher entscheiden wenn man die Geige in der Hand hält. Mit einem Endoskop könnte man auch noch einiges entdecken. Aber manche leben besser mit einer Violine, die noch ein paar Geheimnisse hat?😉.

    Das wichtigste im Moment erscheint mir einen schöner Klang und den hat sie ja!


    Einen Zettel hat die Geige nicht?