Geige Johann Keller/ Leopold Widhalm

  • Hallo Hunter,
    ich freue mich wirklich für Dich, dass Du dieses Konvolut für 220 EUR bekommen hast. Sicher, es hat Dir viel Arbeit und wohl auch Ärger eingebracht, dafür aber eine Entdeckungsreise mit Abenteuercharakter, und das zu einem schmalen Einstiegspreis. Andere (so auch ich) haben auch schon viel mehr Geld für Schrottgeigen ausgegeben, und das mit weit weniger Abenteueranteil und Erfolgserlebnis.

    Was Abalon über die Fotos sagt, stimmt natürlich auch, aber das kann man am Anfang ja auch nicht gleich wissen. Generell habe ich aber schon auch Verständnis dafür, dass Leute, die richtig viel Ahnung haben, aber aufgrund von Fotos, auf denen man keine Details erkennt, dann auf "Manufakturgeige Böhmen" tippen, und dann stellt sich heraus, es ist eine echte Klotz, sich etwas vorgeführt fühlen.

    Du kannst davon ausgehen, dass diejenigen, die hier viel posten, wie Abalon, Braaatsch, chioccola usw. keinerlei Interesse daran haben, Dich reinzulegen. Bei den "anerkannten Experten" ist es aber offensichtlich schon schwieriger, die Spreu vom Weizen zu unterscheiden.

    Wenn Du eine richtig gute Lerngeige für Deine Tochter suchst, bei der von vornherein das Griffbrett, die Halsdicke, der Halswinkel, der Steg, die Ansprache usw. alles stimmt, dann wäre mein Tipp eine Professional C, B oder A von mezzo-forte.de.. Die werden in Deutschland von Geigenbauern eingerichtet, und ich kann problemlos von einer auf die andere umsteigen, da sie eben nach genormten Standardmaßen gebaut sind. Die günstigste Geige von dort, die ich selbst auch spiele, ist eine Antique Grade C, kostete mich wohl knapp 600 EUR, und an der stimmt technisch einfach alles und der Klang ist bereits absolut brauchbar. Heißt: Kasten aufklappen, loslegen. Momentan sehe ich dort eine Prof. C für 496, die Modelle B oder A sind etwas teurer. Das sind alles Manufakturinstrumente (die Geigen, bei denen David Lien selbst gearbeitet hat, betreffen andere Baureihen), aber sie sind gut gearbeitet.

    Die Modelle Professional D oder E sind günstiger, unter EUR 300 und auch technisch genauso brauchbar. Ich persönlich würde die nicht nehmen, da sie für den beruflichen Einsatz zu leise sind. Für absolute Anfänger aber vielleicht gerade richtig, weil dann das Üben nicht so nervt. Ich habe eine vergleichsweise gute Prof. E übrig (aus mehreren ausgesucht) und würde sie günstig abgeben, falls Interesse besteht. Es kommt darauf an, in welchem Stadium sich Deine Tochter befindet.

    Alte Geigen, besonders wenn sie im reparaturbedürftigen Zustand sind, sind halt ein Umweg, wie Du nun festgestellt hast: Griffbrett abziehen, Steg und Stimme neu, Wirbel nacharbeiten, Saiten neu, und dann sind evtl. noch Risse drin ... es läppert sich. Sehr sehr schön, wenn man das Instrument aufgrund seines besonderen Klanges liebt, oder wenn es optisch oder für Sammler etwas Besonderes ist (so wie Deine Klotz), oder wenn man auf alte Geigen steht oder oder oder. Wenn Du aber hauptsächlich was Vernünftiges für Deine Tochter suchst, gibt es andere, vielleicht geeignetere Möglichkeiten.

  • PS.: Mit den "anerkannten Experten" in meinem obigen Post meine ich die beruflichen Geigenbauer und -schätzer. Da ist selbstverständlich auch immer ein kommerzielles Interesse vorhanden, zum "Selbstkostenpreis" macht da niemand was.

  • 2. PS.: Dass ich hier ab und zu Instrumente von mezzo-forte empfehle mag etwas einseitig wirken, hat aber nicht den Grund, dass ich da Provision erhalten würde oder so. Aber ich besitze selbst insgesamt 6 Instrumente von dort, und halte sie sowohl von der Bauqualität als auch von der Einrichtung her für besser als entsprechende von Yita ... und auch besser als so manche "ältere deutsche (Meister)geige", bei denen ich schon oft falsche Halswinkel erlebt habe usw., mit den ganzen Konsequenzen, die das dann wieder für das Spielen hat. Da muss man aufpassen, Bescheid wissen, und selbst dann sieht man es meistens auf den Bildern nicht und dann wird es immer teuer, das Instrument zu korrigieren.

  • Es kann sich jeder hier irren, und es ist doch schön, wenn wir/ich uns geirrt haben. Es kann nur niemand verlangen, dass wir aufgrund von ein paar Bilder uns nicht irren „dürfen“, oder uns Bösartigkeit unterstellen.


    Es gibt genug Foren, die machen gar keine Bewertung (mehr), weil es eben nach Bildern sehr schwer (bis manchmal unmöglich) ist und weil es leider genug Leute gibt, die meinen, die Bewertung (und damit die kostenfreie Nutzung der Freizeit Anderer) stünde ihnen zu, und dann patzig werden.


    Was auch immer in Mittenwald gelaufen ist, es ist nicht die Regel, und Geigenbauer sind keine Gutachter. Genausowenig, wie ein Maler nicht jedes Original jedes Künstlers erkennen kann, genausowenig ist ein Handwerker für die Begutachtung ausgebildet. Genau DESWEGEN gibt es Kunstsachverständige und Gutachter. Viele Gutachter haben auch ihr Spezialgebiet, eben weil es extrem schwer sein kann, gute Kopien zu erkennen. So viele Museen, so viele Gutachter sind schon auf Kopisten hereingefallen, und die Museen hängen noch voll von Kopien, die als echt gelten oder lange gegolten haben. Bei Geigen sieht das nicht anders aus.


    Ich finde es daher nicht fair, den Leuten in Mittenwald dort Bösartigkeit oder Gier zu unterstellen. Das kann man nur, wenn man die Rechtslage nicht kennt. Sollte sich nämlich eine Geige, die man so billig verkauft hat, im Nachhinein als echt herausstellen, hat man gewisse rechtliche Ansprüche. Ich will hier keine Rechtsberatung machen, aber mit einem „Betrug“ wäre niemand durchgekommen.

  • Hallo zusammen,

    Ich bedanke mich für die Empfehlung bezüglich einer Geige für meine Tochter.

    Generell werde ich in Zukunft gute Bilder einstellen, ich denke die Mittenwalder ist ganz gut getroffen. Bezüglich dem Besuch in Mittenwald möchte ich nichts unterstellen, ich habe viel dazugelernt.

    😀😀

    Wie ihr sicherlich festgestellt habt, bereitet mir die Suche nach ausgefallen Stücken etwas Freude. Leider habe ich keine Zeit die Geigen zu restaurieren.

    Danke für die tollen Beiträge.