Mezzo-Forte Designline

  • Ich stimme Braatsch zu (und das als Öko-Überzeugter), bis auf das Gewicht. Die Mezzo-Forte-Carbon-Geigen, die ich bisher getestet habe, kamen mir eher etwas schwerer vor als ich es von Holz gewohnt bin. Mit ein Punkt, an dem vielleicht noch Potenzial ist. Bei Bratschen und Celli mag es anders sein.

  • Ich kenne Gewichtsangaben von anderen Herstellern, und da wiegt ein Cello unter 2kg. Das ist schon angenehm... Die Daten für die hohen Streicher kenne ich nicht.


    Doch, andere Formen fände ich schon interessant, Stichwort Populärmusik/Show, Stichwort Reiseinstrumente, Stichwort Adaption für Menschen mit Einschränkungen. Gerne auch nur mit 80% Klang, wenn dafür „überhaupt Spielen möglich wird“. Gut, da scheint von Herstellerseite augenblicks kein Interesse zu bestehen, aber es geht ja um prinzipielle Möglichkeiten von Carbon. Und da sehe ich deutlich mehr „Freiheitsgrade“ als bei Holz. Es gibt ja nicht nur Berufsmusiker.


    Das Umweltargument kann ich nachvollziehen, man kann natürlich sagen „das jetzt nicht auch noch!“. Ich sehe aber auch die Verhältnismässigkeit, und mit jedem Auto, was wir verschrotten, „vernichten“ wir tonnenweise Rohstoffe.


    Der Bio-Öko-Reformhausquinoa und jede Banane (und übrigens China-Geige) reist um die halbe Welt, da interessiert die Öko-Bilanz niemanden. Aber bei der (einmaligen) Anschaffung einer Carbongeige...? Halte ich für überzogen, zumal das augenblicks (noch!) Luxusinatrumente mit relativ kleinem Marktanteil sind.

  • Der Bio-Öko-Reformhausquinoa und jede Banane (und übrigens China-Geige) reist um die halbe Welt, da interessiert die Öko-Bilanz niemanden. Aber bei der (einmaligen) Anschaffung einer Carbongeige...? Halte ich für überzogen, zumal das augenblicks (noch!) Luxusinatrumente mit relativ kleinem Marktanteil sind.

    „Kleiner Marktanteil“ ... dein „noch“ ist entscheidend.


    Ich lese da heraus, dass es dir auch nicht passen würde, wenn das Schule macht. Wenn immer mehr Geigenbauer
    auf Carbon umsteigen bzw. einsteigen und langsam die Holz-Bauer verdrängen. Wenn nicht mehr ein paar
    Hobel und Beitel, sondern große Maschinen, Stahlformen, Brennöfen und Unterdruck-Kammern zum Einsatz
    kommen.


    Zum Thema Qualität bei Carbon-Fertigung: Natürlich kriegen das auch andere hin. In Europa und in

    Fernost. Die meisten Carbonteile werden in Thailand gefertigt. Fahrräder, Hockeyschläger, Surfbretter,

    Koffer usw. Dass Mezzoforte unübertrefflich ist, mag sein, bei den Top-Geigen. Aber den Massenmarkt
    für Kinder werden andere, günstigere (aus Fernost?) bedienen.


    Ich weiß nicht, ob man das toll finden soll. Mir ist Holzbau insgesamt sympathischer. :)

  • Ok, auf die Umweltdiskussion lasse ich mich ein.

    Fiddler: Natürlich braucht man auch für konventionelle Instrumente/Bögen kein Ebenholz und kein Fernambuk. Es gibt auch bereits Ersatzmaterialien. Aber sie setzen sich nicht durch! Warum? Weil kein Mensch sie kauft!

    Ich behaupte mal: Jeder von euch hat ein wunderbares Ebenholzgriffbrett auf seinem Instrument, obwohl Ebenholz massiv gefährdet ist. Wir verwenden auf unseren C-Instrumenten kein Ebenholz, sondern ein Ersatzmaterial.

    Glaubt aber nicht, dass ich deswegen ein einziges Instrument mehr verkaufe! Das ist nice to have und man beruhigt sein Öko-Gewissen, aber als Verkaufsargument taugt das NFC-Griffbrett nicht die Bohne. Wir bieten sie auch separat zum Kauf an - davon gehen dann im Jahr so 10 Stück über den Ladentisch. Sieht halt nicht ganz so schön aus, und man weiss ja nicht... na dann nehmen wir doch lieber wieder das gute alte Ebenholz und verschließen die Augen davor, woher es kommt. Das ist pure Bigotterie.

    Noch schlimmer ist es beim Fernambuk. Wenn man die Entwicklung der letzten 20 Jahre verfolgt: Um 2000 gab es noch ordentliche Fernambukbögen, die den Namen verdient hatten. Mittlerweile ist fast alles, was aus Fernost mit der Bezeichnung "Pernambuco bow" kommt, schlapper Schrott, und gewiß kein originales Fernambukholz - welches übrigens nur in Brasilien wächst. Wenn man etwas Ordentliches haben will, muss man richtig Geld auf den Tisch legen, und jeder konventionelle Bogenbauer leckt sich die Finger nach einem guten bis sehr guten Rohstück, das findet man nämlich kaum noch auf dem Markt.


    Ich bin kein Öko-Aktivist, aber auch kein Klimakatastrophen-Leugner, sondern irgendwo dazwischen. Wenn ich aber sehe, wie früher in den Alpen (da gibt es jetzt nichts mehr) und jetzt in den Karpaten die alten Ahorn-und Fichtenbäume aus den Höhen geschlagen werden, um an Tonholz für alle möglichen Instrumente zu gelangen, dann geht mir die Hutschnur hoch. DAS ist massiver Rohstoff-Verbrauch, der nicht ersetzt werden kann, zumindest nicht mittelfristig. Und dieser Raubbau wird durch die Musikergemeinde sehenden Auges unterstützt. Das ist ja "Tradition", und das Holz hat "eine Seele".


    Im übrigen reden wir hier nicht von Massenfertigung, Hochöfen und Stahlpressen. Wir fertigen ca. 250-300 Instrumente im Jahr, und jedes einzelne ist Handarbeit. Das würde auch so bleiben bis zu einer Stückzahl von ca. 2.000 im Jahr. Es gibt keine Maschinen, die Carboninstrumente produzieren, sondern dahinter stehen Handwerker im wahrsten Sinne des Wortes. Natürlich benutzen wir Fräsen, Bohrer usw., aber das tut (fast) jeder Geigenbauer auch. Das einzige, was uns unterscheidet, ist das Material - und so unterschiedlich ist es gar nicht. Carbon besteht aus Fasern, die wiederum aus aneinandergereihten Kohlenstoff-Atomen bestehen. Also derselbe Grundstoff wie bei Holz. Verbrennt man beides, bleibt reiner Kohlenstoff, also Asche zurück.

    Warum muss ein neues Produkt immer besser sein als alles bisherige? Warum reicht nicht gleichwertig und einfach ein wenig "anders"? Warum fragt jeder erstmal "Wieso sollte ich so ein Carbonding kaufen, welche Vorteile hat das denn?" Von einem neuen Automodell erwartet man auch nicht jedesmal weltverbessernde Innovationen, sondern allenfalls ein wenig frischen Wind.


    Hobel und Beitel: Was für ein schönes Bild, wenn man sich den alten Stradivari in seiner Werkstatt vorstellt, wie er hingebungsvoll an seiner Geige schnitzt, es riecht wunderbar nach Holz und traditionellen Lack-Zutaten, es herrscht eine wunderbare Ruhe und nichts stört seine Konzentration, außer vielleicht der Ruf eines Vogels in der Abenddämmerung.....

    Schön wäre es ja, hat aber leider mit der Realität nicht das geringste zu tun. Schon jemals eine Geigen -Cellofabrik in Fernost gesehen? Nicht sehr angenehm, und man möchte möglichst schnell wieder raus. Das Geschäft ist knallhart.

    Ich verstehe die romantische Verklärung, aber sie passt in unsere Zeit nicht mehr hinein.


    Viele Grüße

  • Vielen Dank für deine Einblicke und Einschätzung! :thumbup:


    Das rückt vieles zurecht, wo ich sicher übertrieben habe. Alles hat seine 2 Seiten.


    Was mir noch wundert: Ich weiß vom Corbon-Bau, dass, um echte Stabilität zu bekommen, das

    Carbon bei großer Hitze gebacken werden muss. Zuvor wird es oft in einer Stahlform ausgelegt

    und im Vakuum-Verfahren gepresst. Gibt es all das nicht beim Geigenbau? (So habe ich das verstanden).


    Und zur Romantik: Ich denke schon, dass das noch Realität ist, bei Hunderten Geigenbauern auf der

    ganzen Welt ... man kann ja praktisch in jeder größeren Stadt einen finden und besuchen :)
    Dass in Manufakturen auch Fräsmaschinen usw. laufen, ist ein anderes Thema, klar .. da gibts seit

    über 100 Jahren keine Romatik.


    Und jetzt wünsche ich weiter viel Erfolg und immer besseren Klang!


    (Auch wenn ich vorerst weiter mit meiner Chinageige spiele, die aussieht und klingt, als wäre sie
    mit viel Liebe und Sorgfalt gemacht. Leider sind die Illusionen jetzt dahin ... :D )

  • Die Illusionen hätte eigentlich schon die Realität in den sächsischen und böhmischen Manufakturen vor 150 Jahren zerstören müssen. Teilweise bitterarme Leute, die in Heimarbeit Bestandteile oder ganze Geigen fertigten... Die „gute alte Zeit“ war in etwa so romantisch, als würde man die heutige Pferdeschlittenfahrt im Kurort mit dem Knochenjob und dem Leid der Droschkengäule und Fuhrleute damals vergleichen.


    Natürlich gibt es sie, die Geigenbauer, die Geigen liebevoll kreieren, die aber eher Künstler als „herstellende Handwerker“ sind, und deren Meisterinstrumente ab dem mittleren vierstelligen Bereich zu haben sind, aber gerne auch fünfstellig kosten. Die werden sicher auch noch eine Weile überleben.


    Und ja, ich denke, dass irgendwann billige Carboninstrumente im Schulbereich auftauchen werden, genauso wie die Carbonbögen. Ob ich das „schön“ finde, ist für den Markt völlig unerheblich.


    Was gut ist, und/oder ein gutes Preis-Leistungsverhältnis bietet, wird sich über kurz oder lang durchsetzen. Klar, solange die Geigenpreise im freien Fall sind (und ich eine Böhmengeige bei Ebay für 100 Euro bekomme, die ich mit China-Wirbeln für 20 Euro wieder flott bekomme), wird die Entwicklung etwas gebremst.


    Vielleicht liegen die Märkte der Zukunft aber auch nicht (nur) in Europa, sondern -vielleicht!- in einem aufstrebenden Asien. Dann könnten die Vorteile der Klimabeständigkeit der Carboninstrumente noch mal ganz anders zum Tragen kommen.

  • Als einer derjenigen die sich seit geraumer Zeit mit Carbon Streichinstrumenten beschäftigen möchte ich hier auch einmal meinen ganz persönlichen Senf zur Sache hinterlassen.


    Es gibt mittlerweile eine Vielzahl an Streichinstrumenten aus Carbon, einige davon sind sicher interessanter als andere, bendienen aber auch ganz verschiedene Klientel und Preisbereiche.


    Hier einmal eine kurze Übersicht der mir bekannten aktuell verfügbaren Instrumente:

    Luis&Clark https://luisandclark.com/

    Mezzo-Forte https://www.mezzo-forte.de/

    Gayford http://www.carbonfiberviolin.com/

    Ricci https://www.ricci-carboninstruments.com/

    Karbon Tasarim https://www.karbontasarim.de/

    Elixir Violins http://www.elixirviolins.com/

    Carbon-Klang http://www.carbon-klang.de/ (Achtung: versteckte Eigenwerbung ;))


    Darüber hinaus gab und gibt es noch einige weitere Hersteller, die aber entweder nicht mehr am Markt präsent sind, oder in meinen Augen keine Relevanz haben.



    Alle der oben genannten Instrumente hatte ich schon einmal in der Hand, da ich nicht einschätrzen kann wie groß die Fertigungstreuung bei den jeweiligen Herstellern ist, möchte ich hier kein öffentliches Urteil zu den jeweiligen Instrumenten abgeben. Tatsache ist aber, dass es große Unterschiede gibt.
    Die in diesem Thread genannten "Mängel" treffen auf einige der Instrumente zu, aber bei weitem nicht auf alle.
    Also am besten schauen was das eigene Budget hergibt und dann Instrumente in diesem Preissegment testen. Dabei unbedingt nicht nur im Verkaufsraum kurz anspielen, sondern auf alle Fälle unter allen zu erwartenden Spielumgebungen. Dabei neben der eigenen Einschätzung (wie klingt das Instrument für mich als Musiker am Ohr) auch darauf achten wie das Instrument für den Zuhörer in unterschiedlichen Umgebungen klingt. Dazu am besten einen geeigneten Zuhörer zu Rate ziehen. Oft wird auch das nötige Zusammenspiel zwischen Instrument und Bogen außer Acht gelassen. Daher nicht nur das Instrument, sondern auch die Wahl des Bogens ist relevant.


    Neben dem Preis sollte man sich überlegen, welches Attribut einem besonders wichtig ist.

    - Unempfindlichkeit

    - optische Unauffälligkeit (es gibt einige in Holzfarben lackierte Instrumente, oder gar Furnierte Instrumente)

    - Klangspektrum, Modulationsfähigkeit

    - Lautstärke

    - Gewicht

    - Nutzbarkeit gängigen Zubehörs (Schulterstütze, Kinnhalter, Saitenhalter, Tonabnehmer)


    Geht es also hauptsächlich darum ein robustes Instrument zu kaufen, oder ist das nur ein angenehmer Nebeneffekt? Muss es vor allem Laut sein, oder geht es viel mehr um Klangfarben, Möglichkeiten der Klangentwicklung und Dynamik?


    Wenn man die obigen Fragen beantwortet hat, schränkt sich der Kreis der in Frage kommenden Instrumente schon relativ weit ein. Dann heißt es ausprobieren...

  • Ausprobieren ist ein gutes Stichwort. Leider ist das relativ schwierig, da es kaum Geigenbauer/Händler gibt, die mehrere Carboninstrumente auf Lager haben. Sich alles zuschicken zu lassen und wieder zurückzuschicken? Ein Riesenaufwand, und vor allem wenn man sich Sachen aus den USA schicken lässt, hohe Kosten und ein Haufen Theater mit dem Zoll…


    Da sehe ich für mich nur die Musikmesse Frankfurt, aber die fällt dieses Jahr auch aus.


    Und ja, wie beim Holzinstrument muss man überlegen, was man braucht und was man investieren will.

  • Für viele der Hersteller gibt es einen Vetrieb in Europa, zum Teil auch in Deutschland. Ansonsten einmal umhören, oft kann man bei jemandem der ein entsprechendes Instrument hat das einmal probespielen und sich so einen Eindruck verschaffen. Dazu muss man noch keine Instrumente in Übersee bestellen und die ganzen Zollformalitäten erledigen und Kosten tragen.
    Ab einem gewissen Preis würde ich auch empfehlen die Instrumente beim Hersteller (der Auswahl und Beratung halber), anzuspielen und auszusuchen. Ansonsten muss man eben aus der eigenen Komfortzone herauskommen und ein wenig reisen, dann kann man auch verschiedene Instrumente einmal vor Ort ausprobieren. Es soll auch Hersteller geben, die einem bei ernsthaftem Insteresse ein Instrument leihweise zusenden...

  • Eine gute Möglichkeit ist es auch bei Konzerten, bei denen ein entsprechendes Instrument gespielt wird, den Musiker nach seinen Erfahrungen damit zu fragen und es dort Probe zu spielen. So erhält man auch direkt einen Erfahrungsbericht, hinter dem (meistens zumindest) keine Verkaufsabsicht steckt. Auch kann dabei gefragt werden, wieso die Wahl auf eben dieses Instrument gefallen ist.