Mezzo-Forte Designline

  • Hier meldet sich jetzt einmal der bräsige Hersteller, weil doch eine Menge an interessanten Aussagen unwidersprochen im Raum stehen, die ich so nicht stehenlassen möchte.

    1. Innovationen ( Braaatsch:( Eine komplette Änderung der Geigenform kommt jetzt und in Zukunft nicht in Frage, zumindest für uns nicht. Und zwar deshalb, weil die derzeitige Innen(!)form die beste aller denkbaren ist. Geiger erwarten einen bestimmten Ton, der sich aus der schwingenden Saite, zu 99% aber aus Obertönen zusammensetzt. Die Obertöne machen den Geigenklang, die Farbe. Man erwartet Brillanz im Diskant und Wärme im Bass, des weiteren eine gute Ausgewogenheit und Ansprache. All dieses lässt sich nur mit der derzeitigen Geigenform realisieren. Das Innenvolumen ist genauso wie es sein muss. Vergrößern wir es, geht es zu Lasten der Brillanz, verkleinern wir es, geht es zu Lasten der Wärme.

    Dass wir allerdings nicht innovativ sind, lasse ich mir nur sehr ungern vorwerfen. Die Reduktion des Corpus auf das absolut Notwendige, die Kopf-Form, Neugestaltung der F-Löcher, Rillen für jegliche Schulterstützen, potentiell fest eingebauter Plug-and-Play-Tonabnehmer, Feinstimmwirbel serienmäßig, Anima Nova usw. Da ist schon einiges an Innovationen dabei, vom Werkstoff selbst mal ganz abgesehen, der nun alles andere als einfach zu verarbeiten ist.

    2. Propheten können jetzt schon vorhersehen, ob eine Geige in 200 Jahren noch etwas taugt oder nicht - ich bin allerdings keiner. Das UV-Argument, was immer mal wieder im Internet herumgeistert, zieht aber nicht. Lackiertes Carbon wird weder spröde, noch wird es blau oder sonstwas - ansonsten würde dieses Material wohl kaum im Flugzeugbau verwendet.

    3. Den Unterschied "neu" vs. "gebraucht" gibt es bei Carbon nicht. Wir können jedes Instrument auch nach vielen Jahren in einen Zustand versetzen, in dem es vom Neuzustand nicht zu unterscheiden ist. Und zwar innerhalb von 30 Minuten.

    4. Reparaturbedarf: Wir machen das jetzt seit fast 10 Jahren, und es sind mehr als 2.000 unserer Instrumente weltweit im Einsatz. Nicht ein einziges hatte bisher irgendeinen Reparaturbedarf am Corpus. Man muss schon mit einem LKW darüberfahren, um eine Carbongeige nachhaltig zu beschädigen.

    5. Ich freue mich, dass offenbar sehr genaue Vorstellungen existieren, wie ein Carboninstrument klingt und sich spielt. Könnte es sein, dass das Vorurteile sind?

    Ich habe mich daran gewöhnt, dass der Gewinn des Musikinstrumentenpreises 2015 gegen 21 konventionelle Meisterinstrumente in Musikerkreisen geflissentlich ignoriert oder herabgewürdigt wird. Das ist dann aber gleichzeitig eine Herabwürdigung der 6 renommierten Solisten, die die Klang-Beurteilung durchgeführt haben. Das war kein "Industrial Award", wie es gelegentlich behauptet wird, sondern ein harter Wettbewerb, in dem alle Instrumente auf Herz und Nieren getestet wurden.

    6. Ich konzidiere, dass Carboninstrumente noch gewisse Schwächen bei der klanglichen Farbvielfalt aufweisen. Da bieten sie nicht dieselben Möglichkeiten wie ein wesentlich teureres Meisterinstrument. Daran arbeiten wir (allein in den letzten 2 Jahren haben wir ca. 20 verschiedene Decken getestet).

    Diese Schwäche wird aber m.E. durch das Volumen, durch die Ansprache/Spielbarkeit und die tonliche Ausgewogenheit mehr als ausgeglichen.

    7. Was die Lindsey-Sterling Geige betrifft: Die will ich nicht wirklich verkaufen. Wenn aber jemand den Preis zahlt - gut und schön. Im übrigen ist diese Geige mit einer handwerklich sehr aufwendigen Blattgoldverzierung ausgestattet, was sie einzigartig macht.

    8. Carboninstrumente unterscheiden sich durchaus im Klang. Es läuft leider nicht so, dass wir alle Bestandteile morgens in eine Maschine füllen und abends kommt das fertige Instrument herausgeploppt. Da steckt nach wie vor eine Menge Handarbeit drin, wenn auch nicht mit Stechbeitel und Hobel, sondern mit anderen Werkzeugen. Und diese Handarbeit führt dazu, dass eben doch jedes Instrument ein wenig anders ist.

    9. Ich behaupte mal, dass ein Carboncello JEDES gleich teure Holzcello in die Tasche steckt.

    10. Wir wollen Holzinstrumente nicht ersetzen, genausowenig wie Carbonbögen jemals die Holzbögen komplett ersetzen werden. Wir wollen eine Alternative etablieren. Es ist doch genug Markt für alle da - Barockinstrumente, klassische Instrumente und Carboninstrumente. Und keines von diesen kann für jeden ausnahmslos geeignet sein. Ich habe schon viele Barockinstrumente gespielt, und sie sind nicht mein Geschmack. Ich spiele gerne auf einer klangvollen klassischen Geige. Und auf einer Carbongeige ebenfalls. Was soll daran falsch sein, je nach Lust und Laune zu wechseln?


    So, jetzt seid Ihr wieder dran. Ich werde mich nicht dauerhaft einmischen, weil ich das für unangemessen halte. Aber vielleicht ist es mir gelungen, den einen oder anderen Nebel an Argumenten etwas aufzuklären.

  • Noch eine letzte Bemerkung:

    Die Chinesen werden niemals ein auch nur annähernd gleichwertiges Carboninstrument hinbekommen. Alles was ich aus China bisher in die Hände bekommen habe, war wirklich für die Tonne, und zwar in jeglicher Hinsicht. Da passte nichts. Die Vereinigung zweier völlig unterschiedlicher Kompetenzen (CFK-Leichtbau + Geigenbau) ist nicht so einfach wie es vielleicht aussieht.

  • ...Danke für die Aufklärung, JoergK! Ich finde es prima, dass ein Hersteller hier mitliest.


    Ich persönlich finde weder Änderungen der Schneckenform noch Änderungen der F-Löcher sonderlich innovativ: Es gibt seit Jahrhunderten alternative Schneckenformen und alternative F-Löcher. Feinstimmwirbel und Anima Nova sind jetzt auch nicht gerade hauseigene Erfindungen von Mezzo-Forte...oder irre ich mich?


    Meiner Meinung nach bietet Carbon eben fantastische Möglichkeiten, und die finde ich zuwenig mitgedacht. Ich kann aber auch verstehen, dass Innovationen = Investitionen sind, die sich amortisieren müssen. Insofern kann ich auch nachvollziehen, dass man mit Experimenten vorsichtig ist.


    Was mit Carbon in mehreren hundert Jahren ist, kann auch ich nicht vorsehen. Aber ich kenne keinen Kunststoff, der nicht irgendwann altert. Holz allerdings auch. Bisher musste ein Flugzeug auch noch keine 100 Jahre lang fliegen. Im Bootsbau ist Carbonalterung durchaus ein Thema, aber ich denke mit Carbon kennst Du dich besser aus als ich.


    Carbon kann brechen, und nicht erst „wenn ein LKW drüberfährt“. Es kommt drauf an, wie der Kraftvektor einwirkt. Wenn das alles so stabil wäre, gäbe es dieses Theater mit Rahmenbrüchen im Fahrradbereich nicht. Dort werden andere Wandstärken verbaut, und da wird sehr genau darauf geachtet, wie der Faserverlauf ist damit das hält. Ich denke, das macht ihr bei euren Geigen auch- aber es ist eben nicht so, dass Carbon nicht brechen kann.


    Den Unterschied „neu vs. gebraucht“ gibt es sehr wohl- nämlich spätestens im Kopf der Kunden. Auch eine gebrauchte Goldkette erreicht nie den Neupreis, und eine Markenjeans, selbst wenn ich sie nie getragen habe, werde ich nie für den Neupreis los.


    Wie gesagt, ich sehe bei Carbon wirklich Möglichkeiten, Möglichkeiten und Vorteile, die Holz nicht hat. Zu erwähnen die Reiseversion des Cellos (abnehmbarer Hals, schmalerer Corpus). Für Bässe gibt es inzwischen viele Angebote, für Celli kenne ich nur ein Einziges. Ich denke, dafür wäre ein Markt da, zumindest wenn man den vielen jammernden Cellisten glaubt, die um Flieger einen 2. Sitz fürs Cello buchen, oder sich mit dem „Practicello“ behelfen.


    Zum Thema Chinesen: Ich finde es ehrlich gesagt leicht arrogant, wenn man annimmt, dass die Chinesen „niemals ein auch nur annähernd gleichwertiges Carboninstrument“ hinbekommen. Die sind weder dümmer noch fauler als wir.


    Viele dachten -angesichts der chinesischen Sperrholzgeigen vor 30 Jahren- dass die Chinesen keine Geigen bauen können. Inzwischen ist der Geigenmarkt (Holz, Schülerbereich) von den Chinesen komplett aufgerollt, und es gibt massenhaft brauchbare (Amateurbereich!) Instrumente aus China.


    Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen- aber irgendwann wird China auch da mitmischen. Sicher nicht als erstes im hohen Preissegment, sondern erstmal -wie bei den billigen Carbonbögen- im Schülerbereich.


    Wenn man sich anschaut, wieviele Patente inzwischen aus China kommen, wieviel dort in Forschung und Entwicklung investiert wird, da kann einem ganz anders werden. Vor allem wenn man sieht, wie sich hierzulande die Anzahl der Patente entwickelt.

  • Hallo, ich möchte mal etwas dafür werben, Joerg_K und seine Leistungen mit Respekt zu behandeln. Ich hatte verschiedentlich mit ihm und seiner Firma zu tun - superfair, immer freundlich, sehr kompetent und auch mit sehr viel Hintergrundwissen ausgestattet. Und natürlich, wenn jemand mit einer hohen Akribie und ganz ernsthaft es als ein Firmenziel hat, hochwertige Carbon-Streichinstrumente zu bauen, dann sammelt sich über die vielen Jahre hinweg auch dahingehend eine ganz besondere Kompetenz (sowohl bei Joerg als auch bei seinen Mitarbeitern, die meines Wissens ausgebildete Geigenbauer sind).

    Zusätzlich kennt Joerg_K den asiatischen Streichinstrumentenmarkt so gut wie wohl sonst niemand sonst hier, er sei denn, er wäre schon jahrelang zu auf Musikmessen durch die Welt gereist.

    Dass ich persönlich noch nie bei einem Carboninstrument "angebissen" habe, ist eine Geschmacksfrage - und irgendwann ist es vielleicht auch mal so weit. Aber bei einer fachliche Aussage von Joerg_K kann man m.E. ruhig erst einmal zuhören.

    Ich habe übrigens an der Firma keine Anteile und bin dort lediglich als ganz normaler (aber sehr zufriedener) Kunde verbunden.

  • Ich möchte die Arbeit keineswegs kleinreden! Carbon ist ein „schwieriger“ Werkstoff! Und ja, der Unterschied zwischen den deutschen Carboninstrumenten und den chinesischen ist qualitativ (noch!) immens, vielleicht vergleichbar mit Arcus Bögen zu billigen Carbonschulbögen.


    Es ist aber europäische Selbsttäuschung, die Chinesen zu unterschätzen. Wie gesagt, nicht heute, nicht morgen. Aber „niemals“ ganz sicher nicht.


    Carbon hat immense Stärken. Aber es hat auch Schwächen.


    Und ja, ein gut klingendes Carboninstrument zu entwickeln (Stichworte Deckenstärke, Schwingungsverhalten, Stabilität, Geometrie, Faserverlauf...) ist überhaupt nicht einfach!


    Ich sehe einfach noch viel mehr Möglichkeiten, die Carbon im Gegensatz zu Holz bietet. Beispielsweise Inserts, die eine andere Art der Befestigung des Instruments an entsprechenden Schulterstützen ermöglicht, und so die Halswirbelsäule weniger oder gar nicht mehr belastet (da das Instrument nicht mehr mit dem Kopf „festgeklemmt“ werden muss. Abnehmbare Hälse, Reiseinstrumente. Möglichkeiten, an Celli Kniepads/Rippenpolster anzubringen. Nur so als Beispiele.... Carbon kann einfach noch so viel mehr, als Holzinstrumente „kopieren“.


    Da sind für mich „alternative Schneckenformen“, „alternative F-Löcher“ und Feinstimmwirbel keine Innovationen, das ist einfach nicht neu. ;)


    Ich sehe da einfach noch so viel Potential, und damit meine ich nicht, dass das, was bereits entwickelt wurde, schlecht ist.


    Für mich, und damit meine ich mich ganz persönlich (und einige Cellisten, mit denen ich gesprochen habe), bietet ein Carboncello im Augenblick keinen Mehrwert, zumindest keinen, der mir 5000 Euro wert wäre. Es löst mein persönliches Reiseproblem nicht (obwohl es das könnte), und alles Andere kann mein derzeitiges Cello -in für mich persönlich ausreichender Qualität.


    Carboninstrumente werden sich ihren Markt erschliessen, das tun sie ja bereits.

  • Braaatsch:

    Den Vorwurf der Arroganz lasse ich mir gefallen - ein wenig davon schadet überhaupt nicht in meinem Job.

    Das Bild mit dem LKW war natürlich übersteuert, man muss so eine Metapher nicht für bare Münze nehmen. Aber die Botschaft, auch der vorhergehenden Erläuterung (2k Instrumente und kein Schaden) sollte klar sein.

    Übrigens: Wir reisen regelmäßig mit unseren Carboncelli zu Messen, und zwar sowohl nach Asien als auch in die USA. Das Cello kommt jedesmal in den Frachtraum, manchmal nur von einer Tasche geschützt. Passiert ist noch nie etwas. Da ein Cello auch von den Maßen her noch als Sondergepäck transportierbar ist (Mittelstrecke 70 €, Langstrecke 150 €), erschließt sich mir nicht die Notwendigkeit eines abnehmbaren Halses.


    Wie Hannes F. richtig feststellte (vielen Dank, eine Lanze für mich zu brechen ;) :( Ich bin seit 20 Jahren sehr eng mit dem asiatischen Streichinstrumentenmarkt verbunden, bin regelmäßig dort und pflege Verbindungen zu einer Reihe an Werkstätten. Das Verständnis von "Qualität" ist dort ein ganz anderes. Insbesondere ist es die absolute Ausnahme, dass irgendjemand in diesen Werkstätten auch so ein Instrument spielen kann.

    Natürlich sind die Chinesen so schlau wie wir, und wahrscheinlich wesentlich fleißiger. Schlauheit und Fleiß reichen aber nicht aus, wenn man ein Produkt nicht nachbauen kann, sondern komplett entwickeln muss, inklusive aller Details. Das reicht aber immer noch nicht aus - mit einer einzigen Carbongeige kommt man nicht weit. Dann noch die Serienfertigung zu etablieren und dabei Qualitätsstandards zu halten - das halte ich, sagen wir nicht niemals, sondern in den nächsten 10-15 Jahren - für ausgeschlossen. Die dafür notwendigen Investitionen liegen im mittleren 6stelligen Bereich, das können sich die kleinen Werkstätten kaum leisten. Zudem ist die Streichergemeinde recht erbarmungslos und verreißt alles, was nicht wirklich zu 100% funktioniert.


    Ich verstehe auch nicht ganz, was mit "Instrumenten für den Schülerbereich" gemeint ist. Schüler sind noch viel mehr als Profis auf ein technisch perfektes Setup angewiesen. Einen zu hohen Saitenüberstand, unzureichende Stegwölbung oder zickende und schlecht ansprechende Töne kann ein Profi überspielen bzw durch Technik ausgleichen, bei einem Schüler führt das nur zu Frust. Es gibt "Carboninstrumente" (ist nicht wirklich Carbon, sondern Verbundkunststoff) aus den USA, die man in den "Schülerbereich" einordnen könnte. Ich möchte auf so einem Ding aber nicht wirklich spielen und das erst recht keinem Schüler zumuten.

    Zu den vorgeschlagenen Innovationen: Diese zielen imho auf zu kleine Gruppen, die genau ein Problem haben, welches durch eine Innovation gelöst werden könnte. Da gibt es schon eine Reihe an Lösungen im konventionellen Bereich (Saitenhalter, Schulterstützen, Kinnhalter, Bogen-Ottifanten) - keine davon setzt sich wirklich final durch.

    Auch ein schmaleres Cellocorpus würde immer zu Lasten der Basstiefe gehen. Damit würden wir uns selbst den Boden unter den Füßen wegziehen.


    Damit möchte ich mich aus diesem Thread verabschieden. Fröhlich weiter mitlesen, den zu erwartenden Gegenwind gelassen hinnehmen, und ansonsten jeden Tag daran arbeiten, besser zu werden.

    Beste Grüße an alle

    Jörg_K

  • Ich finde unseren Austausch gut.


    Mein persönliches Transportproblem: Familienauto, 4 Kinder. Nicht 1x jährlich, sondern nahezu monatlich. Meine Lösung: ein E-Cello. Das kriegt man noch irgendwo mit hineingestopft. Frag mich nicht nach Klang, aber es ist für mich die einzige Lösung. Die Frage, ob denn ein etwas schmalerer Korpus dann Bassprobleme bringt, ist für mich augenblicks ein „Luxusproblem“.


    Ich verstehe aber, wenn Du den Markt da als nicht gross genug einschätzt.


    Zum Thema Schülerbereich: Ich stimme Dir vollumfänglich zu, dass gerade Schüler ein gutes Instrument brauchen, und ich sehe da gerade bei Carbon aufgrund seiner Robustheit immenses Potential.


    Aber dazu müsste es 1/2 Instrumente geben (gibt es, aber soweit ich weiss nicht aus Deutschland...), und sie müssten deutlich billiger sein. Und es lohnt sich verständlicherweise auch nicht, 1/2 Instrumente herzustellen (die ja in der Herstellung nicht deutlich billiger als 4/4 Instrumente sind!), wenn die eh kaum gekauft werden würden.


    Alternativ ginge ja Verleih/ Vermietung, aber wirklich gross wäre der Markt da auch nicht.


    Ich kann Deine Aussage, dass Du auf den anderen Celli nicht spielen willst, auch absolut nachvollziehen. Wir diskutieren hier im Forum oft genug die Vor- und Nachteile von Billiginstrumenten und Billigbögen. Ich kenne beide Seiten- ich spiele nur noch Arcus-Bögen, und habe brauchbare Instrumente. Für mich würde ich auch nix „Billiges“ mehr wollen.


    Aber: Was kaufe ich meinen 4 Kindern...? Pro Kind 5000 Euro Cello plus 1500 Euro Arcus- Bogen? Das ist für uns einfach nicht drin, obwohl ich mir der Qualitätsproblematik bewusst bin. Der Schülerbereich ist eben -leider!- ein Kompromiss zwischen Qualität und Preis. Alternativ Verleih/Vermietung, aber auch da ist die Qualität der Instrumente überschaubar, keiner möchte sich sein Meisterinstrument „zersägen“ lassen. Und Carboninstrumente sind bisher kaum im Verleih.


    Daher sehe ich die Carboncelli augenblicks nicht als Schülerinstrumente, auch wenn sie grundsätzlich dafür perfekt geeignet wären.

  • Ich finde das spitzenmäßig, das sich hier der Hersteller von Carbongeigen so ausführlich

    äußert! Das war hoffentlich nicht das letzte Statement. :thumbup:


    Ich bin aber auch ganz offen und mich würde interessieren, was die Motivation ist, Carbon-Geigen

    am Markt etablieren zu wollen. Bei all den Nachteilen.*


    Ich verstehe, dass man forscht und herausfinden will, was man klanglich herausholen kann.
    Das ist der natürliche Drang des Menschen des Höher, Schneller, Weiter ... oder Schöner.
    Und das finde ich auch gut.


    Aber eine Massen-Produktion macht nur Sinn, wenn die Käufer durch Carbon einen Vorteil haben.

    Nun hat eine Carbon-Geige bei einem Wettbewerb gewonnen. Trotzdem spielen die Top-Geiger

    keine Carbon-Geigen. Jedenfalls die bekannten. Das sagt mir in meiner logischen Einfalt, dass sie
    klanglich oder in der Spielbarkeit (noch) keinen entscheidenden Vorteil haben bzw. ihre Strads und
    Guarneris annähernd auf Augenhöhe sind. Gut, da spielt auch das Renommee rein ... klar, aber
    auch die neuen Geigen (ein paar Spitzengeiger spielen lieber neue Instrumente) sind aus Holz.

    Angst, dass sie ihre Holz-Geigen kaputt gehen könnten, haben die weniger, das ist jedenfalls
    kein entscheidendes Argument.



    *Heute wird in vielen Branchen versucht, Materialien wie Carbon und andere künstlichen
    Verbundstoffe möglichst durch nachhaltige Materialien zu ersetzen. Es gibt Fahrräder aus Bambusund sogar Surfbretter erhalten zunehmend Holz als Baustoff.

    Man sollte Kunststoffe eigentlich nur dort einsetzen, wo ein natürlicher Baustoff weit unterlegen ist.

  • Ich sehe einige Vorteile von Carbon. Einer wäre beispielsweise, dass andere Formen als bei Holz möglich wären. Ich sage das jetzt mal allgemein, weil da die Meinung über die Sinnhaftigkeit etwas auseinandergehen... ;)


    Ein weiterer Vorteil ist das geringere Gewicht, was gerade bei „anatomisch ungünstigen“ Instrumenten (Geige, Bratsche) für manche Spieler angenehm sein dürfte.


    Desweiteren sind die Instrumente deutlich robuster als Holzinstrumente, und nicht anfällig für Rissbildung, unempfindlich gegenüber Temperaturschwankungen und Feuchtigkeit. Das ist vielleicht für Spitzengeiger kein Argument, für Strassenmusiker, Familienväter, Kirchenmusiker und alle, die öfters abseits des gesicherten Orchestergrabens spielen können das echte Vorteile sein. Gerade auch in klimatisch schwierigen Ländern -feuchtheisses Südostasien- wären solche Instrumente ein Segen.


    Umweltschutz- naja, solange für jede Stromwindmühle 1000 Kubikmeter Beton im Wald versenkt (und nie wieder ausgebuddelt!) werden, und für die riesigen Rotorblätter Carbonverbundstoffe in ganz anderen Grössenordnungen verbaut werden, braucht man sich über die paar Carboninstrumente nicht aufzuregen. ;)


    Was jeder von uns allein an Mülltüten, Verpackungen und übrigens auch Kunststoffkleidung (...die berühmten „Outdoorjacken“) besitzt, verschleisst, wegschmeisst, mit dem Auto verschrottet,..., - da fällt eine Carbongeige, die man jahrelang hat, kaum noch ins Gewicht. Ich glaube, da kann man das schlechte Gewissen etwas beruhigen, indem man an anderen Enden Plaste einspart.


    Und Ebenholzgriffbretter, Fernambukbögen und Elfenbeinplättchen am Bogen sind nun auch nicht gerade umweltschonend. Gerade wenn Ebenholzteile für nahezu unbrauchbare und somit schnell „verschrottete“ Billigstinstrumente (ich meine hier nicht „solide Schülerqualität“, sondern „Amazon 79,99“) in der Massenproduktion „verheizt“ werden.

  • Ich antworte mal meine Gedanken dazu direkt rein: