Lack am Geruch erkennen?

  • In einem Youtube-Video sagt Daniel Olsen, er könne am Geruch erkennen, ob die Geige mit Öl- oder Spirituslack lackiert wurde. Hat jemand von Euch damit Erfahrungen gemacht?


    Die Geigen, die ich frisch mit Spirituslack lackiert habe, riechen angenehm süßlich. Ob das nun vom Spiritus oder den verwendeten Harzen (Schellack, Mastix) kommt, weiß ich nicht. Wie würden da öllackierte Geigen riechen? Muffig? Eigentlich müsste man es am Lösungsmittel unterscheiden, denn der Geruch der Harze ist ja gleich. Bzw. wenn es ein Harz gäbe, das sich nur in einem der Lösungsmittel löst und einen spezifischen Geruch hat, könnte man daraus auf das Lösungsmittel schließen.

  • Der Übergang von der Spiritus- zur Öllackierung ist fliessend. Es ist also nicht so, dass ein Öllack gar keine Spiritus/Alkohol/Terpentinanteile enthält. Und ein geringer Teil Öl ist auch in Spirituslacken enthalten.


    Je mehr Öl, desto weicher ist der Lack, und desto länger braucht er zum Trocknen. Je mehr Spiritus/Alkohol/Terpentin, desto härter ist der Lack, und desto schneller trocknet er.


    Öl ist das Bindemittel, Spiritus/Alkohol/Terpentin das Lösungsmittel/Verdünnung.


    Und ja, Öle riechen anders als die Verdünner, und ich kann mir durchaus vorstellen, dass man das zulindest bei recht neuen Geigen riechen kann.

  • Ich weiß, wie Leinöl riecht 😜


    Meine Frage zielt auch eher auf ältere Geigen ab. Der Geigenbauer sagte mir, nach einigen Jahrzehnten sind Spiritus bzw. Öl eh weg und nur noch das Harz auf der Geige. D.h. den Spiritus kann man dann nicht mehr riechen. Aber eigentlich verdunstet doch das Öl nicht, sondern zieht ins Holz ein und polymerisiert. Vielleicht riecht das dann so wie in alten Klassenzimmern oder Kirchenräumen...

    Der Übergang von der Spiritus- zur Öllackierung ist fliessend. Es ist also nicht so, dass ein Öllack gar keine Spiritus/Alkohol/Terpentinanteile enthält. Und ein geringer Teil Öl ist auch in Spirituslacken enthalten.


    Je mehr Öl, desto weicher ist der Lack, und desto länger braucht er zum Trocknen. Je mehr Spiritus/Alkohol/Terpentin, desto härter ist der Lack, und desto schneller trocknet er.


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    Wenn ein Lack immer Öl- und Alkoholanteile enthält (in meinem Spirituslack ist auch Balsamterpentinöl drin, das ist aber kein richtiges Öl), wäre es bei Lackretuschen ja dann wurscht, welchen Lack man zum Ausbessern nimmt? Bzw. dann wäre man mit einem Spiritus-Öl-Lack auf der sicheren Seite.


    Aber wie weich ein Lack ist, hängt doch eher von den Harzen ab und nicht vom Lösungsmittel, oder?

  • Öl zieht in Holz ein, das ist richtig. Das ist bei Blasinstrumenten erwünscht, damit diese unempfindlicher gegen die Atemluft werden. Bei Geigen ist das aber anders, da soll das Holz möglichst frei schwingen. Damit das Öl aus dem Lack nicht ins Holz einzieht, wird die Geige grundiert.


    Bestimmte Bestandteile des Öls und des Spiritusses „verdunsten“, das ist richtig. Aber genausowenig, wie bei einem alten Ölbild nicht „nur noch trocknes Pigment“ übrig ist, genauso bleiben bindende Bestandteile von Beidem erhalten. Reines Harz würde einfach abbröseln (teilweise tut es das auch, daher sind Spirituslacke „abplatzgefährdet“).


    Warum ist „Balsamterpentinöl“ kein „richtiges“ Öl? Was ist denn „richtiges Öl“? Es gibt „schnell trocknende Öle“ und welche, die kaum trocknen (z.B. Walnussöl). Je länger ein Öl „feucht“ bleibt, desto elastischer ist der Lack. Ab einer bestimmten Dicke und einem bestimmten Trocknungsgrad platzt alles ab (schön zu sehen bei alten rissigen Ölbildern!).


    Retuschen: Hier gilt „fett auf mager“. Die Retusche sollte dem Original möglichst nahekommen, aber im Zweifelsfalle lieber geringfügig mehr Öl enthalten. Sonst hält das nicht und platzt irgendwann ab. Das ist natürlich bei dünnen Retuschen unproblematischer als bei welchen mit zig Schichten. Man kann immer öligeren Lack auf eine magere Schicht aufbringen, andersherum kann es schiefgehen.

  • Ich bin trotzdem skeptisch, ob man den Lack nach 200 Jahren noch „erriechen“ kann. Vielleicht wenn man ihn in den Fingern zerbröselt/zerreibt, erwärmt,... aber dann „erfühlt“ man vielleicht mehr als dass man „erriecht“.


    Aber vielleicht gibts ja Leute mit solchen Fähigkeiten, wer weiss. Es ist aber zumindest nix, was man wirklich braucht, um durchs (Geiger-)Leben zu kommen.

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    Warum ist „Balsamterpentinöl“ kein „richtiges“ Öl? Was ist denn „richtiges Öl“? Es gibt „schnell trocknende Öle“ und welche, die kaum trocknen (z.B. Walnussöl). Je länger ein Öl „feucht“ bleibt, desto elastischer ist der Lack. Ab einer bestimmten Dicke und einem bestimmten Trocknungsgrad platzt alles ab (schön zu sehen bei alten rissigen Ölbildern!).


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    Es ist kein fettes Öl wie z.B. Leinöl, sondern zählt wohl zu den ätherischen Ölen und verdunstet deshalb meines Wissens nahezu rückstandsfrei im Gegensatz zu den fetten Ölen.


    Gilt denn ein Spirituslack, der Balsamterpentin oder z.B. ätherisches Lavendelöl enthält, schon als "halber" Öllack? Und einer, der nur Lavendelöl und Harze enthält, als Öllack? Ich dachte, Öllacke seien die mit fettem Öl als Basis, die UV-Licht zum Trocknen brauchen.


    Zum Geruch:

    Kennt Ihr diesen typischen Geruch von Räumen mit alten Echtholzmöbeln und Holzfußboden, z.B. von alten Klassenzimmern? Es riecht ein bißchen muffig, aber angenehm, zumindest für mich. Vorausgesetzt, diese alten Möbel und Böden sind geölt, könnte man das dann vielleicht mit dem Geruch von altem Öllack vergleichen?

  • Wie gesagt, ich bin mit der strikten Einteilung in etweder Öl- oder Spirituslack nicht einverstanden.... ich weiss auch nicht, ob und welche Regel es da gibt.


    Ich bin auch mit der „Öleinteilung“ sehr skeptisch, da es eben immer ein Kontinuum ist, und bei den Ölen eben eine verschiedene Trockenzeit gibt. Es gibt zig Öle, und die sind alle irgendwie ätherisch, man muss nur bei manchen eeeewig warten.


    Und deshalb ist das ultimative Lackrezept auch noch nicht gefunden- ideal wäre es, wenn der Lack relativ schnell trocknet, aber eben nicht zu schnell „austrocknet“ und bricht.


    UV-Licht beschleunigt die Trocknung, ist aber nicht notwendig, wenn man lange genug wartet.


    Geruch: Nein, Klassenzimmermöbel und -Böden (und andere alte Böden/Möbel) riechen nicht nach Geigen-Öllack. Alte Möbel können eine Schellack-Politur haben, das ist das Einzige, was dem Instrumentenbau nahekommt. Möbel und Böden müssen nicht schwingen, dafür wischt und trampelt man drauf herum. Sprich: Da kommt fett Parkettlack (oder Möbellack) drauf. Und bei Ökomöbelzeuch eben Leinöl und Bienenwachs. Bei alten Klassenzimmern riecht man den Geruch nach Bohnerwachs (so hat man die Böden jahrelang gepflegt...), Schmierseife, Kreide, Staub. Bei Kirchen kann nich Weihrauch dazukommen. Dazu Feuchtigkeit, Muffigkeit, Schweiss.... und muffige Wände voller Kreidefarbe oder jahrealte, stinkende Papiertapeten, ungewaschene, staubige Vorhänge.


    Also- was Du dort riechst ist entweder Putzmittel oder muffiger Dreck, aber ganz sicher nicht die feinen Ölausdünstzngen von Holzlack.

  • Ich lasse jetzt mal in meiner Antwort den chemischen bzw. biologischen Aspekt bei Seite. Ich habe ziemlich viel Erfahrung mit Spirituslack, Öllack und Mixed Varnish (also ein Mix aus beiden). Sogar Nitrolack habe ich mal ausprobiert.

    Beim Lackieren its mir aufgefallen das sie Gerüche sehr unterschiedlich sind. Spirituslack am Beispiel von Joha Lacken riecht ziemlich süßlich. Dem kann ich mich nur anschließen. Öllack riecht zumindest für meine Nase ;) eher bitter. Mixed Varnish riecht meiner Erfahrung ganz plump und einfach nach Schnaps 8o8o

    Nitrolack hat zumindest in meinem Fall ganz einfach nur nach Baumarktlasur für den Außenbereich gerochen.

    Bei frisch lackierten Geigen kann man den Unterschied natürlich riechen, obwohl es auch einige Mittelchen gibt die Fälschern helfen können den Geruch zu verändern, zu mildern oder sogar ganz verfliegen zu lassen.

    Bei wirklich alten und nicht alt-imitierten Geigen kann man Spirituslack und Öllack meistens an der verschiedenen Abnutzung erkennen.

    Mixed varnish ist schwer zu erkennen nach einiger. Da kommt es auch sehr auf das Mischverhältnis an.

    Nitrolack nimmt man als diesen wahr oder hält ihn nach einiger Zeit für Baumarktlack. Wonach er auch riecht.

    Viele benutzen alte Geigenkoffer und altes Zeitungspapier als Verpackung, sofern diese für den direkten Verkauf nach der Lackierung bestimmt sind und der Anschein einer wirklich alten Geige beim Kunden bestehen soll um diesen "alten Geruch" auf das Instrument zu übertragen. Ob das Früchte trägt kann ich nicht sagen. Ich habe es nie ausprobiert8o8o

    Ich hoffe ich konnte hiermit weiterhelfen.