Geigenrätsel

  • Wie versprochen hier mein erstes Geigenrätsel. Ich hab die Geige von privat gekauft und weiß selbst nichts Genaueres über sie. Nur dass sie trotz ihrer geringen Größe und des wirklich suboptimalen Zustands erstaunlich kräftig und ausgewogen klingt. Der Lack ist ein kräftiges Rotbraun auf (Gold-) Gelb. Optisch ähnelt sie den Hopf-Geigen, und irgendwer hat mal die F-Löcher neu geschnitten und die rechte untere Deckenseite neu angesetzt. Sieht aber aus, als wäre das schon vor langer Zeit gemacht worden. Die Geige hat weder Zettel noch Brandstempel, ich kann aber durch die F-Löcher saubere Reifchen und 4 Klötze/Blender erkennen. Und ein Spinnennetz ;)


    Über die Wölbung gemessen hat sie folgende Maße:

    LOB: 34,9 cm

    Gesamtlänge: 58,8 cm

    Breite oben: 15,5 cm

    Taille: 10,7 cm

    Breite unten: 19,4 cm

    Zargenhöhe: hinten 3 cm, ab der Mitte 3,2 cm

    Wölbung an der dicksten Stelle ca. 5,6 cm

    schwingende Saitenlänge: 33,1 cm

    Halsmensur: 13,3 cm

    Gewicht im gezeigten Zustand: 429 g


             


             


    Die Geige war mal offen und wurde dilettantisch mit Weißleim zugeklebt. Das wird ein Spaß, sie zu öffnen... Der Deckenriss rechts neben dem Griffbrett ist nicht bündig geschlossen. Wegen des verwendeten Weißleims werde ich sowohl Decke als auch Boden abmachen müssen. Damit sich nichts verzieht, werde ich versuchen, die schief eingeleimte Zarge am rechten Mittelbügel vor dem Öffnen zu korrigieren.

  • Und hier noch Bilder der Schnecke. Ungewöhnlich finde ich das plastisch abgerundete Auge. Bei den Geigen, die ich bisher gesehen habe, war es immer mehr oder weniger flach. Hier hat sich scheinbar jemand richtig Mühe gegeben.


             


  • Sächsisch böhmische Nachbau eines kleinen Amati- Models mit Atypischer Schnecke, ca. 90 Jahre alt?😕.UnterZarge könnte mal durchgehen gewesen sein? Vielleicht tauchen beim Öffnen Klötzchen auf mit tief eingelassen reifchen?

  • Ich glaube, die Zarge ist nur deshalb schief, weil der Vorgänger Decke und Boden gleichzeitig entfernt hat.🤔.

    Aber dir traue ich das zu: du nimmst alles auseinander, hebst dann alles mit den Händen eine halbe Stunde in der Luft und alles passt. Ich glaube, Multitasking nennt man das.😇.

  • Sachsen/Böhmen könnte stimmen. Es handelt sich aber m.E. um ein individuelles Instrument, das kann im Prinzip Jeder gebaut haben. Zwar hat die Schnecke einige sächsische Merkmale, aber der Schwung ist nicht typisch sächsisch und auch beim Korpus hatte ich süddeutsch durchaus auch in Betracht gezogen.


    Individuell gebaute Instrumente lassen sich eben nicht immer zuordnen, da manche Gesellen in halb Europa auf der Walz waren, und entsprechend viele regionale Einflüsse

  • Sächsisch böhmische Nachbau eines kleinen Amati- Models mit Atypischer Schnecke, ca. 90 Jahre alt?😕.UnterZarge könnte mal durchgehen gewesen sein? Vielleicht tauchen beim Öffnen Klötzchen auf mit tief eingelassen reifchen?

    Wie kommst Du auf ein Amati-Modell Chiocciola? Wegen der geringen Größe? Umriss? F-Löcher? Wölbung? Die F-Löcher wirken auf mich wie von Stainer, und die hochgezogenen, eckigen Schultern sehen nach Hopf aus, aber ich bin nicht so gut darin, die verschiedenen Meister zu unterscheiden. Stradivari erkenne ich meist recht gut, und Hopf und Maggini auch, vielleicht noch Guarneri, aber dann hört es auch schon auf ;)


    Aber das ist eine schöne, handliche Geige mit erstaunlich großer Mensur. Vielleicht hatte wirklich ein Geselle eine Geige gebaut, die ihm dann nicht gefiel, und deshalb dann die F-Löcher nochmal neu gemacht. Oder es war ein Übungsstück. Die ganzen Dreiecke sind alle einzeln eingepasst und eingeleimt. Aber vielleicht muss man das auch so machen, um es überhaupt hinzukriegen.


    Braaatsch, hälst Du auch ein Alter von 90 Jahren für realistisch?

  • Habe nur irgendwas gesagt damit es weitergeht.😉. Böhmisch sächsisch ist immer eine gute Antwort und hat eine hohe Trefferwahrscheinlichkeit in diesem Forum. Amati hab ich gesagt wegen der seltsamen Größe. Obwohl die Schnecke anders ist und der Zargenschwung oben völlig falsch. Der Lack ist recht deutsch. Ich möchte auch nicht woran man ausschließt dass es keine dreiviertel Bratsche sein sollte?

    Ich sehe nur, da hat sich jemand richtig Arbeit gemacht, vielleicht ein Übungsstück Stück. Ich frage mich sowieso wo die Millionen „ Erst- und Übungsgeigen von Lehrlingen abgeblieben sind?


    Und die von Gesellen A angefangen und B fertigstellen Geigen? (Und ich meine jetzt nur die vermeintlich besser gebauten Instrumente mit vier Klötzen.)

    An Manufaktur Geigen waren wahrscheinlich sowieso immer mehr als zwei Hände.


    Und dann sehe ich den senkrechten Ebenholzstab an der Unterzarge. Der sagt mir dass der Kinnhalter wohl mal zu fest drauf geschraubt wurde. Linke und rechte Unterzarge empfinde ich als zusammen gehörig. Die Risse könnten mal durch gelaufen sein.

    Die gestückelten Dreiecke am F Loch? Das geht schneller als aus einem Stück und könnte die Arbeit eines routinierten Schreiners und nicht Geigenbauers sein?


    So jetzt musst du (ihr) irgendwas sagen zu meiner Geige mit der kleinen Schnecke unter „offene Geigen Lügen nicht“😉. Kann ruhig provozierend sein sonst sagt ja keiner was🤷‍♂️. Sie ist schon aufgemacht......was erwartet ihr innen?

  • Ach, und wie ist die Zargen-Breite, also Höhe vorne am Hals?

    Und hast du zufällig ein Hacklinger Dickenmessgerät wenn du die Geige ( noch ) nicht aufmachen willst? Wo die vier dicksten und die vier dünnsten Stellen sind und die Zargenstärke sind gelegentlich Aufschlussreich.


    PS: Die Hacklinger ( magnetisch ) hat keine Unterhaltskosten. Für circa 250 € Anschaffung hat man Wochen lange kostenfreie Beschäftigung und kann jede Geige in geschlossenem Zustand kartieren. Falls kein Erkenntnisgewinn da ist hat man sich auf jeden Fall meditativ beschäftigt und ökologische Fußabdruck für dieses Hobby ist unschlagbar. Das ideale Corona – Weihnachts oder Adventsgeschenk!🙋🏼‍♂️