Offene Geigen lügen nicht

  • Liebe Freunde, Danke der Nachfrage.😉.

    Ja Geigerlein, in Gedanken bin ich „festgeklebt“. Und ich habe mich über mich selbst geärgert. Hässliches, braunes Entlein, Schrott-Geige, für geschenkt. Eben ein Totalschaden.

    Gleichzeitig an anderen Violinen gearbeitet, nichts gedacht. Auch nicht mit der Optik das Innenleben kontrolliert.

    Deshalb hab ich das Instrument auch ratzfatz aufgemacht und nicht die übliche Vorsicht walten lassen, was Norbert natürlich gleich bemerkt. Normalerweise entferne ich erst vorsichtig den Obersattel, dann das Griffbrett damit ich die Oberseite ohne Verletzung der Decke im Bereich des Oberklotzes bearbeiten und abnehmen kann.

    Auch die hohe Qualität des Griffbrettes und der Wirbel habe ich übersehen.

    Dafür habe ich Glück gehabt und die Decke war am Obersattel nicht gut verklebt und ging ohne Risse quasi von alleine ab.


    Nochmals die 5 Risse:


    Von links ein Stimmriss, ein Faststimmriss ganz nah daneben dann die f-Lochrisse an denen relativ viel Lack auf der ganzen Länge abgesplittert ist. Das ist schwierig zu retuschieren. Iris Carr würde wahrscheinlich ziemlich viel Lack entfernen und dann aufbauend neu lackieren so dass man die Risse nicht mehr sieht. Wäre dann aber nicht die halbe Geige neu lackiert? Diese seltsamen konzentrischen Ringe im Lack unten rechts an der Decke, ist es eine Art Hasel im Holz?

    Man kriegt die Risse auch nicht alle Plan ausgerichtet, d.h. es entstehen Absatz-Kanten. Aber vielleicht mit dem Leim als Schmiermittel rutschen Sie doch schön in eine Ebene wenn man nur schnell genug arbeitet?

    Jetzt habe ich auch noch mal genauer geschaut, was haltet ihr von dem komischen Ausbuchser der nach oben verrutscht ist?

  • Weiß auch nicht was für ein Schlamper die Geiger aufgemacht hat🙄...Wenn man die Reste einfach auf der Zarge sitzen lässt hat man gute Einraster beim zu kleben. Nur der nächste der die Geige dann aufmacht hat die Arschkarte🤷‍♂️

  • Ich glaube nicht, dass die Ringe Haseln sind. Vermutlich ist die Decke nur nicht gerade, sondern leicht schräg aus dem Stamm geschnitten. Oder der Stamm war verzogen bzw. schief gewachsen. Das wäre vielleicht auch eine Erklärung für die große Spannung in dem Bereich.

    Die Risse würde ich kleinflächig lackieren, also da auf keinen Fall mehr Lack abschleifen. Erst 1 - 2 Schichten farblose Grundierung, dann einige Schichten gelben/goldgelben Lack, dann rotbraun, dann braun. Also von hell nach dunkel, und im Verlauf der Arbeiten siehst Du dann schon, in welche Richtung Du gehen musst, also ob die nächste Schicht eher rot oder braun, mit/ohne Grünstich, mit/ohne Zusatz von Schwarz etc. sein muss. So bilde ich es mir zumindest ein und versuche, es bei meinen Geigen umzusetzen. Bin aber mit noch keiner Geige fertig, sondern wegen Unzufriedenheit auch schon beim x-ten Versuch ;)


    Der Ausbuchser war vermutlich einfach ein falsch gebohrtes Wirbelloch, das wieder verschlossen wurde.


    Die Splitter von der Decke würde ich vorsichtig mit warmem Wasser von der Zarge ablösen und wieder an die Decke anleimen. Du hast ja keine Garantie, dass die Decke genau so wie vor dem Abmachen auf die Zarge passen wird. Vermutlich nicht, denn ich würde sie einfach auflegen und festleimen, um nicht wieder so viel Spannung in die Geige zu bekommen.

  • Ich bin kein Experte ... aber ich würde zuerst versuchen, mit etwas Farbe nur über die Risse zu gehen
    und mit einem Tuch den Rest gleich wieder wegnehmen. Danach mit etwas Lack fixieren.

    Wird viell. nicht ganz unsichtbar, aber besser als Neulackierung?

  • ....Also das wird kompliziert: an mindestens vier Rissen fehlt neben einer „Lackfaser“auch noch ein oder zwei „Tracheidenfasern“. Man bräuchte sozusagen eine Microtechnik um zu verfüllen oder spachteln im Mikrobereich.


    Oder man zieht es mit der Ziehklinge alles ab, glättet, und lackiert aufbauend neu in der Hoffnung man trifft die selbe Komposition wie der unbekannter Erbauer.


    Und die Lacksplitter sind natürlich alle im Staubsauger. Angeblich ist die Violine quasi explodiert, es hat einen riesigen Schlag gemacht.


    Je suis complètement débordé.😂😂😂


    Das mit dem Grundieren gegen die Verbeizung ist auf jeden Fall eine gute Idee.

    Vielleicht sollte man auch einfach machen und nicht denken.....


    Wenn’s Nix wird kann man immer noch alles mit der Ziehklinge abziehen und eineebnen......dann neu lackieren wie Frau Carr. In den Bildern ein Beispiel von Frau Carr aus Instagram: Wie findet ihr das?

  • Ich finde Iris Carrs Ergebnisse ganz erstaunlich. Ein Augenöffner war für mich die Textur, die sie versucht, wiederherzustellen, damit das Endergebnis perfekt wird. Ist eigentlich ganz logisch, aber von allein wäre ich da nicht draufgekommen.


    Bei den Rissen würde ich, wie schon geschrieben, erst mal mit farblosem Lack grundieren. Manchmal reicht das allein schon aus, um den Riss fast unsichtbar zu machen. Zumindest dunkelt es das Originalholz ab, und man braucht vielleicht gar keine unterschiedlichen Farblackschichten, sondern ein Retuschierlack in Braun könnte schon reichen, damit der Riss unauffällig wird. Bei frisch eingesetztem Holz ist das anders, das muss man erst mal an den Farbton des Originalholzes angleichen, damit das Ergebnis gut wird.


    Die fehlenden Fasern kannst Du auch mit Lack ausfüllen. Iris Carr spricht auf ihrer Website von einem speziellen Füll-Lack, den sie dafür verwendet. Wenn sie sehr tief sind, könntest Du Holzspäne einsetzen, die Du dann aber abdunkeln müsstest.


    Du bekommst übrigens sehr tolle Sachen geschenkt. Ich muss solche "Ruinen" immer noch kaufen ^^

  • Vielen Dank!


    Also ich meine, eure Denkansätze sind alle richtig. Erst mal von außen kleben: das ging nur leider gar nicht weil die einzelnen Bruchstücke ganz seltsam und schlecht beweglich gegeneinander verkeilt waren. Als sie dann halbwegs geschlossen waren habe ich sie nicht mehr auf gekriegt. (😨).



    Dann halt aufmachen und in saubere Bruchstücke zu legen. Aber da hatte ich zu viel Sorge dass ich ausversehen den Riss zum Mega-Stimmriss erweitere. Und ich wollte auch nicht die Einlage an vier zusätzlichen Stellen unterbrechen. Und schneller fertig werden wollte ich auch.


    Geigerlein, ich glaube wahrscheinlich haben Braaatsch und Norbert recht. Man müsste ordnungshalber die Teile einzeln zerlegen und dann wieder zusammensetzen. Und dann die Risse nacheinander so retuschieren dass man weder gebrochene Einlage noch Riss wieder erkennen kann. und das alles mit einer Form.

    Also mehr Aus Unfähigkeit habe ich mich dann zu der „Halte Technik“ entschieden.


    Was nach aufbiegen der Risse mit sanfter Gewalt herauskam auf folgendem Bild:


    Von links nach rechts insgesamt fünf Risse:

    Riss 1: „Faststimmriss“ ist am genausten geklebt und mäßig retuschiert.


    Riss2: (Direkt neben Riss1) sehr gut geklebt und auch noch gut retuschiert. Ihr seht ihn vielleicht gar nicht?🤗


    Riss3: Riss ins f-Loch. Der letzte geschlossene Riss, vielleicht war der Leim schon etwas trocken?Außerdem reichlich Farbe abgeplatzt.


    Riss4,5: Einigermaßen gut geklebt und einigermaßen schlecht retuschiert bis sehr schlecht retuschiert. Bei Riss 4 und noch mehr bei Riss5 war der meiste Lack abgeplatzt. Ich finde es extrem schwierig wenn blankes Holz raus schaut die richtige Menge Grundierung, die richtige Menge Auffüllack, die richtige Menge und Anzahl Farblackschichten und die richtige Menge Überzugslack zu finden. Leider insgesamt sehr weit von einer guten Retusche entfernt.😰. Aber immerhin weiß ich einige Sachen die schon mal nicht funktionieren.



    Von Innen sieht man dafür fast nichts mehr von den Rissen. (Andersrum wär’s mir lieber😂).

    Zur Sicherung der beiden „Fast-Stimmrisse“ Habe ich bisher einen kleinen, minimal versenkten Beleg eingebaut. (1,4 cm von der Stimme entfernt.) Hat sich aber auch nicht bewährt.


    Jetzt werde ich die Decke erst mal mit klassischen Belegen und einem Stimmfutter versehen.

    Obwohl die Decke schon jetzt sehr Torsionsstabil ist, man hat das Gefühl die Risse sind so gut geklebt, dass man die Decke so einbauen könnte.


    Aber zu Sicherheit lieber Stimm- Futter und Belege, oder?


    Dann müssen die hässlichen Retuschen komplett wieder weg. Wahrscheinlich wird aber alles erst viel schlimmer bevor es besser wird. 😂🤣😂🤣.


    Dann mache ich Holzstücke mit Lackierproben bis ich diesen verflixten braun Ton hinkriege.🤷‍♂️.


    Gelernt habe ich die letzten Tage was so alles n i c h t geht.

    Theoretisch ist das mit den Schichten (Grundierung, Füllack, Farblack, Decklack) klar. Aber zum Beispiel eine Farblackschicht zu viel und schon ist der Lack zu dunkel, eine zu wenig und ist ist zu hell.