Geigenrätsel 4

  • Wunderschöne Geige. Wegen des Anschäfters würde ich auf ein Baujahr vor 1880/1900 tippen. Aber die Geige hat fast keine Spielspuren, wurde jedoch definitiv gespielt, weil Ausbuchser nötig waren. Ich tippe auf ein bestens gepflegtes Meisterinstrument aus Mittenwald (?).


    Hannes_F: Wie klingt sie denn? Ich hab hier auch noch einen Pappelboden rumliegen, hab aber bisher gelesen, dass Pappel wegen des sehr weichen Klangs eher für Bratschen und Celli geeignet ist.

  • Also schon mal zu den Spielspuren: Ich besitze die Geige seit 1986 (plusminus) und habe sie in der Zeit sehr viel gespielt. Im Studium, Kammermusik, Caféhausmusik, Konzerte, Aufnahmen. Das hat sie alles weggesteckt, ohne sich optisch groß zu verändern. Ab und zu wurde allerdings im Rahmen von Routinearbeiten (Griffbrett abziehen, Wirbel) auch der Lack stellenweise ausgebessert.

    Guter Lack hält halt gut ... ist ein Propolislack.

    Verändert das Eure Einschätzung?

  • geigerlein: Wieso wegen des Anschäfters vor 1900? Anschäfter sind ja nicht nur dazu da, aus „Barockgeigen“ moderne Geigen zu machen.


    Wenn der Hals auch Pappel war, kann es gut sein, dass das weiche Holz auf Dauer den Saitenzug nicht ausgehalten hat und/oder gebrochen ist/sich verzogen/verwunden hat- wenn der Hals vielleicht auch noch fein ausgearbeitet war kann das schnell passieren.


    Hannes: Deinen Zeitangaben zufolge ist die Geige also schon mal älter als grob 40 Jahre 😉 Ich tippe dennoch auf die letzten beiden Drittel des 20. Jahrhunderts. Für die Herkunft sehe ich ausser der durchgehenden Unterzarge (die für Süddeutschland spricht, aber letztendlich auch überall so angefertigt werden kann) wenig regionalspezifische Besonderheiten.


    Pappel nimmt man gerne auch in Norditalien, aber auch Österreich, Ungarn.... und auch hierzulande gibts solche Instrumente.


    Kurz: Mir fehlen die typischen Anhaltspunkte, und das Instrument ist individuell. Da kann ich nur raten.

  • Braaatsch, da hast Du natürlich Recht, dass der Hals möglicherweise neu gemacht wurde, weil das Holz doch zu weich war. Und die Geige sieht mir, ehrlich gesagt, auch nicht aus, als wäre sie 200 Jahre alt.


    Hannes_F, solche Belege auf der Mittelfuge des Bodens hab ich noch nicht gesehen. Weißt Du, ob sie original sind?

  • Mein Geigenbauer, der auch schon an der Geige gearbeitet hat, meint, für Pappel oder Weide ist das Holz zu fest. Und der Boden war tatsächlich etwas zu wenig flexibel und daher habe ich ihn auch neulich nacharbeiten lassen.

    Andererseits hat das Holz nicht die typischen Strukturen von Ahorn. Er will sich aber noch einmal ganz genau ansehen, was in Frage kommt. Eventuell Platane oder Linde.

  • geigerlein Klangprobe kommt. Diese Geige ist klanglich meine persönliche Lieblingsgeige - voll, rund, nie pieksig, aber sehr gute Reaktion auf Vibrato (Klangfarbenvibrato im Gegensatz zu Tonhöhenvibrato). Dadurch hat sie ein gutes Durchsetzungsvermögen, ohne dabei zu hell zu klingen. Ich habe sie neulich verwendet, als ein römischer Komponist meinte, es solle "italienischer" klingen (also extrovertierter). Bei einem anderen Solo war es für diese Stelle wieder zu viel, da habe ich für den nächsten Take die Geige aus Geigenrätsel 3 verwendet, die war "deutscher",d. h. unauffälliger.

    Beläge: Nein, weiß leider nicht, ob die Original sind. Inzwischen sind sie auch ausgetauscht.

  • Hmmm...also von der Holzmaserung sieht das sehr nach Pappel aus. Weide und Linde sind völlig anders, und wären auch sehr weich (vor allem Linde!). Platane kenne ich nicht so gut...


    Also, vom Bild her würde ich auf jeden Fall Pappel sagen, aber wenn man das Instrument in der Hand hat sieht man natürlich mehr.

  • Ich hab mir jetzt mal die Bilder von Platanenholz angesehen, das könnte auch hinkommen. Vor allem dieser ganz leichte „Rotstich“ passt gut zu Platane, aber nicht zu Linde (die deutlich weicher als Platane ist, und weiss-gelbstichig).