Hallo zusammen,
ich hab mal wieder eine alte Geige erstanden. Diesmal ist es eine ziemliche Ruine und wohl auch nicht besonders hochwertig, aber mir gefielen der schöne Rücken und die archaische Bauweise.
Ein Teil der Zargen und der komplette Hals fehlen, die Decke hatte mehrere mit Ponal geleimte Risse (auch einen Stimmriss), und unter dem Saitenhalter und neben dem linken F-Loch fehlt Holz. Die Mittelfuge des Bodens wurde auch mit Ponal geklebt, und ein Stück des Bodens ist ab- und nochmal durchgebrochen.
Der Bassbalken kommt mir recht kurz vor, ist aber auf die Decke geleimt. Die Geige hat weder Eckklötze noch Reifchen, auch keine Randeinlage, aber auf der Außenseite Kerben in den Ecken. So eine Verzierung hab ich auch bei einer alten böhmischen Geige aus dem 18. Jhd. gesehen. Meine Geige hat einen Zettel "William Smith, Hedon 1783". Ich hab bei John Dilworth in London nachgefragt, ob das eine Geige von dem William Smith sein könnte, der Ende des 18 Jahrhunderts in Sheffield Geigenbauer war und von dem eine sehr schöne Bratsche erhalten ist. Er meinte, meine Geige sei eher das Werk eines Amateurs, aufgrund der Bauweise aber vermutlich aus England. Bei Hill sei die Bratsche eines William Smith aus Eyam (Derbyshire) von 1796 bekannt, "poor style and unpurfled. ‘Smith’ stamped top and bottom of back. Evidently a local and self-taught maker." Da sowohl Vor- als auch Nachname häufig vorkommen, könne meine Geige auch jemand anderes gebaut haben. Das Papier, aus dem der Zettel gemacht ist, ist aber sehr fein und dünn.
Die Deckenrisse hab ich jetzt alle komplett (neu) geleimt, beim Klopftest klingt sie ganz ordentlich. An das fehlende Holz hab ich mich noch nicht gewagt. Sorgen macht mir der Boden. Die beiden kleinen Bruchstücke sind, wenn man sie zusammenhält, an der langen Bruchstelle länger als der restliche Boden. Der Bruch der beiden kleinen Stücke geht quer zur Faser diagonal durch das Holz, und scheinbar hat schon mal jemand versucht, ihn zu leimen. Ich hab den Leim aufgeweicht und mit einem spitzen Messer vorsichtig alle Leimreste von der Bruchstelle gekratzt. Trotzdem passt das kleine Bodenteil zusammengefügt nicht an das große. Ich dachte mir, dass die kleinen Teile vielleicht nicht mehr so stark gewölbt sind wie das große Bodenteil und deshalb zu lang sind. Das ist leider nicht der Fall, ihre Wölbung ist korrekt. Viel Druck auf den diagonalen Bruch trägt leider auch nicht zur Verkürzung bei.
Deshalb hab ich jetzt erst mal das größere der beiden kleinen Bodenbruchstücke (mit der Ecke) oben bündig an den großen Teil des Bodens geleimt und versuche, die Bruchstelle zum kleinen Teil so zu bearbeiten, dass sich das kleine Teil unten bündig anfügt. Es ist z.Z. noch ca. 1mm zu lang (siehe Bild unten). Ich würde jetzt von der diagonalen Bruchfläche bei beiden Teilen ein bißchen Holz abschaben, so dass die Bruchfläche insgesamt kleiner wird und das kleinere Bruchstück damit unten am Rand bündig zum Rest des Bodens ist. Meint Ihr, das könnte gehen? Damit die Bruchflächen beim Leimen bestmöglich aufeinander passen, könnte man auch noch mit einer Drahtbürste oder einem Messer das Holz ein bißchen auffasern, oder?
Ach ja, den längsfaserigen Bruch hatte auch mal jemand versucht zu kleben. Da war eine glatte, glänzende Schicht auf dem Holz, die sich durch nichts lösen ließ, weder heißes Wasser, Essigessenz, Spiritus noch Aceton. Vielleicht war das Epoxidharz? Uhu löst sich ja in Spiritus/Aceton, oder? Das Aceton hat die Schicht zumindest etwas "mürbe" gemacht, und schließlich hab ich sie vorsichtig mit einem Messer weggekratzt, damit der Knochenleim auch eine Chance hat, zu halten.
Diese Geige ist eine Herausforderung und wird mich eine ganze Weile beschäftigen. Ich bin auch noch auf der Suche nach einer Vorlage für die Schnecke. Gibt es typische Schneckenformen für englische Geigen aus dem 18. Jahrhundert? Stilistisch soll sie gut zum Rest der Geige passen.
Ich freue mich auf Eure Ratschläge
Geigerlein