Barockgeige?

  • Die Menge der Geigen, die umgebaut wurden, dürfte doch relativ gering gewesen sein.


    Diese Geige: Halsansatz ist barock. Wahrscheinlich Bassbalken barock kürzer und aus der Decke ausgearbeitet (weiss ich nicht, vermute ich!). Wahrscheinlich keine Ecken (weiss ich nicht, vermute ich). Ich vermute das, weil die mir sehr nach einer vogtländischen „Barock“Geige des 19. Jahrhunderts aussieht, und bei denen war das oft so.


    Mit Bauform meine ich nicht dir Korpusform, sondern Bauart.


    Warum Barockgeigen in grossen Sälen nicht funktionieren: Auch da sollte ich mich präziser ausdrücken. Barockinstrumente sind normalerweise nicht auf Lautstärke gebaut (Saitenspannung etc.). Sie haben oft (nicht immer!) Probleme, sich wie ein modernes Instrument gegen ein Orchester durchzusetzen. Im Barockorchester ist das weniger problematisch, da sind die anderen Instrumente ja auch entsprechend und die Gesamtbesetzung anders, auch das Repertoire etc.


    Die grossen Konzertsäle damals führten zu einer neuen Bauform/art, die einfach lauter war, und mit mehr Saitenzug klarkam.


    Heutzutage kann man Saiten herstellen, die laut sind und trotzdem relativ wenig Saitenzug haben. Damals gab es einfach noch nicht die Auswahl an Saiten, die wir heute haben. Es gab nicht die Hochleistungsstähle, und die Möglichkeit, so feine Stahlsaiten herzustellen, es gab keine Umspinnungen in tausendVariationen, und Kunststoffsaiten schon gar nicht.


    Heute haben wir die Möglichkeit, auch leise Instrumente in gewissem Umfang „lauter“ zu machen.


    Und natürlich KANN diese Geige hier auch in einem grossen Konzertsaal funktionieren- ich kenne genau DIESES Instrument nicht. Mir sind aber schon Einige sehr ähnliche Instrumente begegnet, und davon war keines fürs grosse Parkett geeignet. Dafür waren sie nicht gedacht. Sie waren zur damaligen Zeit schon anachronistisch.

  • Und klar, damals hat es auch Barockgeigen gegeben, die laut genug waren. Aber die Masse war das nicht.


    Der Witz an „barock“ ist ja, dass es keinen Standard und baulich fliessende Übergänge gibt. Es gibt also auch alte Instrumente, die laut genug sind und/oder die umgebaut wurden und dann genug „Wumms“ haben.


    Aber die Menge der Barockgeigen, die international auf grossem Parkett gespielt werden und sich noch in originalem Zustand befinden, ist überschaubar. Und die kommen aus Italien, nicht aus der sächsischen Manufaktur.

  • Warum ich also bei diesem Instrument eher nicht vermute, dass es einen Konzertsaal füllt: Erfahrung mit solchen Instrumenten (Bauzeit, Herkunft, Qualität). Ich hab einfach schon Einige solcher Geigen in den Händen gehabt, die sahen so ähnlich aus, das hätte die gleiche Werkstatt sein können. Natürlich könnte DIESE Geige die Ausnahme sein.

  • ... also letztlich vermutest du, dass diese Geige eher etwas „schwach auf der Brust“ ist anhand deiner Erfahrung

    mit ähnlichen Geigen dieser Qualität.


    „Barockgeige“ ist eine wohlwollende Umschreibung. ^^

  • Aber die Menge der Barockgeigen, die international auf grossem Parkett gespielt werden und sich noch in originalem Zustand befinden, ist überschaubar. Und die kommen aus Italien, nicht aus der sächsischen Manufaktur.

    Ich bin jetzt nochmal über diese zwei Sätze gestolpert. Es geht nicht um „originalen Zustand“. Die alten Geigen

    wurden (fast alle) modernisiert. Man spielt im Violin-Konzert auf neuen Saiten. (Außer in historischen Aufführungen).
    Da ist keine Geige im originalen Zustand. (Hals, Balken, Stimme, Saiten ...)


    Sächsische Manufatur im 19. Jhd. ... warum sollten die bewusst barocke Instrumente bauen? Die historische

    Aufführungspraxis war damals nicht sehr gefragt, man wollte „moderne“ Geigen bauen, die möglichst laut klingen.

    Wenn das nicht gelingt, macht das eine Geige nicht zur „Barockgeige“, aber viell. war das von dir so gemeint, dass

    man sie noch zur Barockgeige umbauen könnte und dafür taugt sie dann.

  • Ja aber wenn Sie jetzt schon wie Barock klingt brauch Sie nicht umgebaut werden. Dann läst man Sie so wie Sie ist.

    Nur Große Konzertsälle beschalen kann Sie eben nicht. Wird Sie aber auch nach einen Umbau / Optimierung nicht.

  • Also erstmal vielen Dank an alle für die wirklich ausführlichen Antworten und Beschreibung des Zustandes.


    Sehr interessant das alles zu lesen!


    Die Halslänge habe ich mit 13 cm gemessen.


    Die Merkmale die für mich barock erscheinen sind (auch nur nach Internet-Recherche und nicht aus persönlichen Erfahrungen) :


    - die gerade Weiterführung des Halses in einer Linie mit dem Korpus

    - die hellen Teile am oberen und unteren Ende aus Knochen (?)

    - die Saiten aus Darm

    - ggf. die Form des Steges (asymmetrisch, abfallend auf einer Seite)


  • Man sieht, das der Hals beim Absenken den Boden „mitgerissen“ hat. Ein kaputter abgesenkter Hals

    macht noch keine Barockgeige. Auch nicht der Sattel aus Bein oder der Steg oder die Saiten.

    Das gibt es alles genauso an „normalen“ Geigen.


    Der Hals scheint nicht gut verzapft, wie die Befestigung in der Geige aussieht, sieht man nicht.

    Echte Barockgeigen haben einen von innen angenagelten Hals. Moderne Nachbauten haben

    ein charakteristisches, unten geschwungenes, sich verjüngendes Griffbrett.

  • Ich habe gerade mal versucht nach deiner Beschreibung das Griffbrett genauer anzusehen. Diese Verjüngung meine ich fühlen zu können.

    Ich hatte aber auch gelesen dass die Griffbretter früher oft nur furniert waren.

    Diese Vermutung habe ich nun bei der Geige.

    Davon ein Foto zu machen ist nicht so einfach aber ich habe es mal versucht.


    Gibt es das auch bei neueren Exemplaren?


  • Es gab sicher auch furnierte Griffbretter. Statt Ebenholz wurde aber dann lieber ein anderes Hartholz verwendet

    und ggfl. schwarz eingefärbt.


    Die Griffbretter werden bei Barockgeigen in etwa so gebaut, die Übergänge sind fließend, aber so etwa

    sehen Barocke Geigen historischer Aufführungspraxis aus: Konischer Holzkeil und drauf ein Ebenholz,

    könnte man, stimmt, auch „Furnier“ nennen: