Meine allerliebste, aber etwas umstrittene, Geige

  • Liebstes Geigenforum,


    nun lese ich schon lange als Gast mit, aber nun bin ich doch mal neugierig auf eure Meinung.


    Meine Geige ist mir auf sehr verworrenen Wegen über eine Freundin zugekommen. Ihre hochbetagten Nachbarn haben sie ihr geschenkt, da sie sie sonst weggeworfen (!!) hätten. Da meine Freundin aber Cello spielt, hat sie mir großzügiger Weise das Instrument vermacht.
    Die Nachbarn behaupteten, es handele sich um eine Kindergeige aus den 1940ern - das ist ist offensichtlich falsch. Die Geige ist zwar zierlich gebaut, ist aber definitiv eine 4/4-Geige und auch älter als aus den 40ern.
    Der Zustand der Geige ist mittelmäßig, es waren einige Risse in der Decke und offene Stellen in der Nähe des Endknopfs, die aber alle soweit ohne größeren Aufwand repariert werden konnten. Leider ist die Decke auf Höhe des einen F-Lochs etwas eingedrückt - die Geige hat lange Jahre im Koffer in einer Garage gelegen und dabei hat sich eventuell der Bogen ins Instrument gedrückt oder so. Dennoch hat sie einen sehr schönen warmen, dunklen Klang, wenn auch eher auf der leisen Seite.


    Ich habe die Geige von zwei sehr guten Wiener Geigenbauern anschauen und eine Meinung abgeben lassen und die Meinungen zu Alter, Herkunft und Wert könnten nicht unterschiedlicher sein, daher würde mich eure Meinung brennend interessieren!


    Leider ist außer dem als Foto angehängten Reparaturzettel kein weiterer Hinweis in der Geige. Der eine Geigenbauer meinte, an der Instrumentendecke innen stünde noch ein ganzer Roman, wollte aber für eine genauere Inspektion mit Endoskop 160€ haben... 8| vielleicht gehe ich da mal mit Zahnarztspiegel ran!?
    Der Zargen ist rundherum fast komplett...weg. Ich kenne mich nicht gut genug aus, um einschätzen zu können, wieso.
    Der Anschäfter scheint mir echt. Wirbel sind ausgebuchst anscheinend.


    Bei weiteren Fragen, Unklarheiten - sagt Bescheid - ich bin gespannt!! :saint:


    Liebe Grüße! :)

  • Eine schöne Geige mit Ausstrahlung. Es wäre wirklich ein Jammer gewesen, wenn sie weggeworfen worden wäre.
    Wenn sich schon die Geigenbauer, die die Geige in Natura gesehen haben, nicht einig sind, kann man aus der Ferne nur spekulieren. Ich tippe Mitte des 19. Jahrhunderts, vielleicht süddeutscher Raum oder Wien.
    Bei einem Instrument diese Alters und Bauart würde ich vielleicht mal umsponnene Darmsaiten, z.B Eudoxa oder Oliv ausprobieren und die Feinstimmer auf D und a weglassen. Die zusätzliche Masse und auch verkürzte Saitenlänge hinter dem Steg nehmen zumindest bei höherwertigen Instrumenen - doch immer etwas von der Resonanz.

  • Eine Geige mit Charakter, ohne Zweifel. Den Innenraum kann man mit einem USB-Endoskop inspizieren. Vielleicht hat jemand in deinem Bekanntenkreis so etwas, bzw die kosten nicht mehr viel, also u.U. mal über den Kauf nachdenken.
    Was meinst du mit "Zarge weg"?
    Und warum waren die Deckenrisse einfach zu reparieren? Ich sehe viele Risse, die nur nach dem Abnehmen der Decke zu reparieren sind. Da hätte man dann auch die Schrift unter der Decke fotografieren können.

  • Der Reparaturzettel von 188? könnte echt sein und die Geige entsprechend um einiges älter.
    Die Risse scheinen nicht gut repariert, war wohl eher schwierig, die Geige viell. schon arg verzogen.
    Ja, beim Öffnen der Decke hätte man die Inschrift gut fotografieren können.
    Sieht schon sehr gut aus, auch die Holzwahl ist sehr gut, schade um die gut sichtbaren Risse.

  • Hallo ihr lieben und vielen Dank für euren Input!


    Ja, die Risse sind wahrscheinlich ohne Öffnen schwierig zu reparieren. Ich konnte/kann mir das leider momentan nicht leisten, da wäre ich ja dann schon mehrere hundert Euro los. Ich hab daher erstmal nur die nötigsten Arbeiten am Instrument vornehmen lassen, also alles, was von außen so ging.
    Die Risse sind wohl auch schon mal repariert worden, vor viiiielen Jahren, also zumindest hält das Instrument zusammen ;)


    Die Feinstimmer würde ich sehr gerne rausnehmen, leider sind die Wirbel so ruckelig, dass das Stimmen ein wirklich arger Krampf ist, Wirbelseife hat bisher auch nicht geholfen. Müsste wahrscheinlich die Löcher nochmal ausbuchsen lassen - wieder eine Kostenfrage.


    Mit "Zargen weg" meinte ich, dass der an vielen Stellen rund um die Geige einfach kaum noch vorhanden ist, also vorsteht - siehe zusätzliches Bild.


    Mit dem Zahnarztspiegel konnte ich leider an der Decke nichts erkennen, müsste man wohl wirklich mit Endoskop ran...


    Zur Einschätzung der beiden Geigenbauer die ich gefragt habe:
    - der erste meinte: böhmisches Fabrikat, Manufakturgeige, nach einer Reparatur von 5000-6000€ ca. 1500€ wert. Gebaut kurz vor dem Reparaturdatum 1880, das in der Geige steht.
    - der zweite (und der meines Vertrauens ;) ) sagte (wahrscheinlich) Meistergeige, vor 1800 gebaut, aus dem Wiener Raum. Hat nichts explizites zu Wert oder Gesamtreparaturkosten gesagt, aber darauf kommt es mir ja auch nicht an.


    Ich finde es etwas schierig einzuschätzen, inwiefern ich da jetzt Geld reinstecken soll, bzw. was am wichtigsten wäre. Wahrscheinlich wäre das eh - aufmachen und alle Risse reparieren, aber ich fürchte, da bin ich dann schnell im vierstelligen Bereich!?

  • Also die Reperaturkosten vom ersten Geigenbauer sind maßlos übertrieben. Beim zweiten frage ich mich wieso es keine genaue Schätzung gab. Wenn ich danach frage bekomme ich Sie auch. Es sei denn er hat keine Ahnung und stellt nur Vermutungen an was diese Geige betrifft. Der Abgenutzte Rand ist nicht weiter schlimm. Es gab auch Geigenbauer die mit nur wenig Rand gebaut haben. Und es besteht die Möglichkeit beim Öffner einer Geige das sich die Zarge verzieht. Am besten suchst du mal Herrn Köstler auf, allerdings macht er nicht alles Umsonst. Also ein wenig Geld mitnehmen.

  • Also, ich finde „vor 1800 und aus dem Wiener Raum“ schon ziemlich genau. Der Wert ist in diesem Zustand auch
    kaum zu schätzen, daher finde ich das richtig, da lieber nichts zu sagen. Für einen höheren Wert müssten die Risse
    komplett geschlossen, fast unsichtbar gemacht werden, das kann sehr aufwendig sein.
    Die Zargen sind so kein Problem, solange sie sich nicht von der Decke lösen.
    An den Wirbeln kann man sicher noch was machen mit Seife an der richtigen Stelle. Die sehen wie frisch gemacht
    aus, ohne Überstand.
    Wenn der Klang zufrieden stellt und die Risse halten ... dann kannst du ja weiter drauf spielen und dich an dem
    besonderen Instrument erfreuen.

  • Ich denke anhand der Bilder zu beurteilen ob vor oder nach 18 Hundert ein wenig gewagt.
    Hier ist nur eine Beurteilung in Natura bei einem Fachmann das richtige vorgehen.
    Alles andere ist Kaffeesatzleserei. Natürlich spielt die frage vom Wert keine Rolle wenn der Eigentümer die Geige selber spielen möchte weil der Klang gefällt. Meistens ist aber doch der Wert sehr Intressant und gewollt.
    Nur hier im Forum kann diese frage nicht beantwortet werden. Und da sehr viele das lesen auch bei einen Verkauf wäre es nicht richtig hier den Verdacht auf vor oder später 18 Hundert zu stützen anhand der Bilder. Eine Expertise könnte die Herkunft und das alter bestätigen. Kostet aber einiges, sollte aber Östereich und das jahr vor 18 Hundert bestätigt werden lohnt es sich sicher das Geld dafür auszugeben. Ansonsten ist es erstmal eine Alte Geige Wert bei Ebay 300 - 500€.

  • Ich denke anhand der Bilder zu beurteilen ob vor oder nach 18 Hundert ein wenig gewagt.
    Hier ist nur eine Beurteilung in Natura bei einem Fachmann das richtige vorgehen.
    Alles andere ist Kaffeesatzleserei. Natürlich spielt die frage vom Wert keine Rolle wenn der Eigentümer die Geige selber spielen möchte weil der Klang gefällt. Meistens ist aber doch der Wert sehr Intressant und gewollt.
    Nur hier im Forum kann diese frage nicht beantwortet werden. Und da sehr viele das lesen auch bei einen Verkauf wäre es nicht richtig hier den Verdacht auf vor oder später 18 Hundert zu stützen anhand der Bilder. Eine Expertise könnte die Herkunft und das alter bestätigen. Kostet aber einiges, sollte aber Östereich und das jahr vor 18 Hundert bestätigt werden lohnt es sich sicher das Geld dafür auszugeben. Ansonsten ist es erstmal eine Alte Geige Wert bei Ebay 300 - 500€.


    Lies nochmal, was der TE geschrieben hat: Die Einschätzung gab ein Geigenbauer vor Ort.