Geburtsort und Alter

  • Hallo zusammen,
    ich lese schon eine Weile mit finde die Herkunfts- und Altersanalysen wahnsinnig wahnsinnig spannend. Deshalb hätte ich gern eure Meinung zu meinem guten Stück.
    Aus welchem der üblichen verdächtigen Landstriche kommt sie? Und wann ist sie vermutlich geboren? Der Wert interessiert mich tatsächlich überhaupt nicht.
    Sie war ewig Deko, die arme.
    Als Anhaltspunkt kann ich nur sagen, sie hat dem Vater vom Vater vom Vater gehört, ein Label hat sie nicht, Eckklötzchen aber schon. Der Endknopf ist vermutlich nicht original, die Randeeinlage ist echt und bis auf eine Stelle unten sehr fein und ordentlich gemacht, wie ich finde. Innen sieht sie -soweit ich das sehen konnte - ziemlich sorgfältig gearbeitet aus. Die Lackschäden am Korpus neben den Griffbrett, hinten an der Zarge neben dem Halsansatz und unten drunter, wo sie auf der Schulter liegt (also lag, ich spiel mit Stütze ;) ) sind definitiv vom vielen Spielen, da wollte es jemand in den hohen Lagen so richtig wissen. Das Griffbrett ist, soweit ich das sehe, nicht gefärbt und die Schnecke ist in 'Echt' noch feiner. Klar ist, dass Steg, Sattel und Wirbel neu müssen, aber schon so zauselig klingt sie herrlich (haja. Ich weiß, dass sagen alle. Ich bin beruflich Tonmensch und traue mir eine einigermaßen neutrale Einschätzung zu XD ) Ansonsten ist sie knapp 60cm lang, hat 32,5 cm Saitenlänge und ist unten so fett, dass ich kurz mal dachte, ob es vielleicht eine getarnte Bratsche sein könnte XD, sie misst da fast 20,5cm. Ich hab versucht, noch die Wölbung zu fotografieren, gar nicht so einfach. Der Lack ist gefühlt recht splitterig und spröde. Kann mir jemand auch verraten, was das für ein Deckenholz ist? Ist das schlechte Fichte oder etwas anderes, das so fleckig aussieht?
    Hab ich was vergessen?
    Auf jeden Fall vielen lieben Dank im Voraus für eure Mühen und Sachverstand, ich bin wahnsinnig gespannt, welches Kaff ihre Heimat sein könnte! :)

  • Das ist eine sächsisch/böhmische Geige, ca. 1900-1930.


    Die „Spielspuren“ sind teilweise künstlich, ich sehe da nix was auf intensives hohes Lagenspiel hindeutet. Da gibt es normalerweise eine „Rinne“ parallel zum Griffbrett, das sehe ich hier nicht.


    Das Deckenholz ist ganz normale Fichte, das Fleckige und die gedunkelten Bestossungen sind künstliche Alterungsspuren.

  • Hallo und vielen lieben dank für die schnelle Antwort!
    Hmm, neben dem Hals ist der Lack komplett abgeschrappt, so, dass das Holz bloßliegt. Teilweise schmutzig, teilweise etwas frischer. Desgleichen unten drunter und hinten an der Zarge neben dem Hals. Verrückt, hat man das wirklich künstlich gemacht, also den Lack bis aufs Holz wieder runtergeschruppt? XD Wenn ja, bin ich ganz schön beeindruckt, dass sich jemand soviel Mühe gegeben hat, das Teil gut benutzt und oll aussehen zu lassen! Ohne bloßes Holz und Dreck fände ich ja hübscher.. ;)

  • Ja ich finde es auch hübscher ohne spielspuren. Eine Geige die viel gespielt wird und wert geschätzt wurde, hat man regelmäßig zum Geigenbauer gebracht. Hier wurde die beanspruchten Stellen neu versiegelt. Was hier nicht der Fall ist. Wann diese Stelle auf alt getrimmt wurden lässt sich leider nicht sagen. Aber je heller und Frischer das Holz aussieht desto unwahrscheinlicher ist es vor 50 Jahren oder früher gemacht worden.

  • Stimmt, da war ein fetter Schatten.. Dumm von mir.. Die klingt auch prima da oben :)
    Danke euch!
    Lässt sich noch erkennen, ob sie etwas genauer einer bestimmten Gegend, bzw. Schule zugeordnet werden kann? Ich meine mal irgendwo bei euch gelesen zu haben, dass die sächsischen keine Eckklötzchen haben, diese hat aber welche. Oder ist das einfach die Ausnahme, die die Regel bestätigt?

  • Die wirklich alten sächsischen Geigen haben nicht immer Eckklötze. Aber viele haben auch Eckklötze, viele auch nur Blender die aussehen als ob, oder nur oben Eckklötze und unten nicht...da gab es alles.


    Es ist nicht so, dass die meisten sächsischen Geigen keine Eckklötze haben, sondern die Logik ist andersherum: Die meisten hierzulande sich im Umlauf befindlichen Geigen ohne Eckklötze sind sächsisch.


    Die Anzahl der Geigen ohne Eckklötze ging auch immer weiter zurück, nach 1900 waren die eher selten und ab 1945 gab es das eigentlich nur noch in Ausnahmefällen, wenn überhaupt.


    Ich würde Deine Geige in die Gegend um Markneukirchen einordnen. Gefühlsmässig eher um 1920-30 (da wurde die Goldgelb-Rot-Kombination richtig „modern“), aber es gab ähnliche Instrumente auch schon um 1900.

  • Instrumente vor 1900 sind eher lehmbraun, dunkelbraun, kastanienbraun oder schwarz (letztere meist aus Böhmen), nach 1900 und vor allem nach 1920 wurde das dann zunehmend „bunter“, also die beliebte Gelb-Rot-Kombination oder auch rot/rotbraune Lacke. Das sind aber keine starren Regeln, eher Modetendenzen. Es gab auch nach 1900 sehr viele lehmbraune, dunkelbraune, kastanienbraune...Instrumente. Und es gab auch vor 1900 schon „knallrote“ sächsische Geigen. Am Lack alleine kann man das also nicht festmachen.