Eine neue Patientin - wirklich alt?

  • Soweit ich das durch das Loch im Unterklotz sehen konnte, liegen die Enden der Stimme an Decke und Boden richtig an. Vielleicht lasse ich bei Gelegenheit mal meinen Geigenbauer draufschauen.


    Nun brauche ich aber Infos zur barocken Spielweise. Nur mit Spielen ohne Schulterstütze und Kinnhalter ist es sicher nicht getan. Zumindest meinte das meine Geigenlehrerin, als ich sie mal fragte, ob sie auch Barockgeige unterrichte. Ich weiß schon mal, dass der betonte Strich der Aufstrich ist. Mehr aber auch nicht.


    Und ich frage mich, ob das wirklich so gehandhabt wird. Wenn man sich z.B. Videos von Voices of Music anschaut, sieht es bei den Geigen so aus, als wäre der Abstrich betont

  • Je weiter man zurückgeht, desto weniger gibt es eine „Norm“. Auch nicht bei der Haltung. Bis runter zur Armbeuge.
    Ich würde das nicht übertreiben. Du hast ja jetzt auch moderne Saiten drauf. Und ob der ein oder andere sich vielleicht
    doch ein Kissen aufs Schlüsselbein gelegt hat? Man weiß es nicht...

  • Strichbetonung: Das kommt auf die Bogenhaltung an, und diese hängt wiederum von Bogengeometrie und Haltung ab. Wenn Du die Geige auf der Schulter spielst, greifst Du den Bogen immer von oben, dann ist auch der Abstrich der betonte Strich.


    Spielst Du die Geige in der Armbeuge, vor der Brust oder wie eine Gambe, ist -je nach Haltung- auch der Untergriff am Bogen möglich. Dann KANN auch der Aufstrich -je nach Bogengriff!- der betonte Strich sein.


    Kurz: DIE barocke Spielweise gibt es nicht. Das Barock war viel freier in seiner Art, Instrumente zu halten. Celli wurden auch mal quer vor die Brust gehangen (wie eine Gitarre!), Geigen/Violen gegen die Brust gestützt oder in den Arm geklemmt...- macht man heute nicht mehr. Bei Gamben hat sich die „stehende“ Spielweise und der Untergriff am Bogen erhalten. Damals war das alles ein und dasselbe, hat jeder so gehalten wie er wollte. Die einheitliche, abgestimmte Spielweise wurde erst mit der Entstehung grosser Orchester notwendig, da kann aus Platzgründen und wegen der Koordination der Spieler in einer Stimme (und dem geforderten Lagewechseln/Tonumfang!) nicht jeder herumfiedeln wie es für ihn bequem ist.


    So hat sich auch in den heutigen Barockorchestern eine „barocke Spielweise“ etabliert, die -ganz unbarock!- „genormt“ ist.


    Bilder/Skulpturen aus dem Barock (und früher!) zeigen eine bunte Mischung aus „Instrumentenhybriden“, die in unterschiedlichster Haltung gespielt wurden (Stichwort z.B. Cello da Spalla, Baryton, Viola d‘Amore etc., in der Frühromantik Arpeggione etc.)


    Also, “paar Infos“ reichen nicht, du brauchst einen Lehrer.

  • @ Fiddler: Klar haben die sich Kissen draufgelegt. ;) Ich hab irgendwo noch eins herumliegen, stammt so von um 1900, also nicht mehr barock, aber eben vor der Zeit, als nur Schulterstützen die „Norm“ waren.


    Ich hatte auch mal eine kurze Zeit Unterricht bei einem Mitglied des Freiburger Barockorchesters, da war „Spülischwamm“/Fensterlederschwamm der heisse Tipp.


    Die Leute im Barock haben nicht gelitten, und waren keine Puristen. Leder, Schaffell, Filz etc. gab es damals schon, und man hatte keine Hemmungen, sich die Instrumente mit Riemen, Bändern etc. am Hals zu fixieren, siehe z.B. Viola Pomposa.


    Gespielt wurde so, wie es bequem war.

  • Hehe, ich muss mal schauen, ob ich so einen Fensterlederschwamm noch irgendwo habe...


    Unterricht in Barockgeige wird hier im Provinzstädtchen schwierig, da müsste ich wohl in die nächste Großstadt fahren, was dann zeitlich wieder schwierig wird. Aber vielleicht frag ich einfach mal in der Musikschule nach, sie sollten mir am ehesten weiterhelfen können.


    Fiddler: Warum meinst Du, die Eudoxa seien moderne Saiten? Weil sie umsponnen sind? Klar, die Puristen spielen bestimmt reine Darmsaiten. Vielleicht werde ich sie auch mal ausprobieren, wenn die Eudoxa durch sind. Aber für's Erste bin ich mit dem Klang sehr zufrieden. Ich hätte auch nicht gedacht, dass sich die Stahl-E-Saite da so gut einfügt. Bisher hab ich nicht geglaubt, dass Stahl auch weich klingen kann, auch wenn man das ab und zu liest. Früher von der Gitarre her kenne ich das noch, da hab ich nur Kunststoffsaiten gespielt, weil mir Stahl zu grell war.

  • ...hab mir grad eins zum Fertigbauen aus China bestellt.


    Aber.


    Die von Badiarov kosten deutlich 5stellig, da wird „China“ nicht mithalten können. Ich habe schon Erfahrungen mit kleinen Celli (1/8 ist ja nicht viel anders!), und die sind klanglich oft sehr problematisch. Der Korpus ist für die Tiefen einfach zu klein, da gehört viel instrumentenbauerisches Können dazu, dort den Klang irgendwie herauszuholen. Daher erwarte ich von „China“ auch nicht allzu viel. Ich werde einfach mal experimentieren.


    Eventuell bringt es auch etwas, das chinesische Instrument als grosse Viola einzurichten, dann hat sie entweder richtig Wumms oder klingt hohl.


    Aber 5stellig ist mir der Spass einfach nicht wert, wenn ich das Geld hätte würde ich lieber ein gutes richtiges Cello kaufen.

  • @Braaatsch, mach doch einen Thread auf, in dem Du dokumentierst, wie Du Dein Cello da Spalla fertig baust. Das würde mich interessieren!


    Ich hab für meine Mädels aus Spaß mal auf dem Musikschulfest billig ein altes 1/4 Cello gekauft, damit sie nicht immer meine großen Geigen als Celli mißbrauchen und sie dabei zerkratzen. Das klingt ganz ordentlich, obwohl Boden und Zargen aus Sperrholz sind und der Steg total verbogen ist. Ich könnte mir aber nicht vorstellen, mir so ein großes Teil vor die Brust zu hängen. Für so ein Cello da Spalla nimmt man vermutlich sehr leichtes Holz, damit es überhaupt halbwegs bequem spielbar ist. Wenn ich bedenke, wie wenig ich meine 38,5 cm Bratsche spielen kann, weil sie mir schnell zu schwer wird, ist ein noch größeres Instrument auf dem Arm wohl nicht ratsam. Oder ich muss vorher ein Jahr lang Krafttraining machen :D

  • Der Witz ist ja, dass das Cello auf der Schulter hängt, also wie ein Rucksack, und die Hände nix tragen. Auch wird direkter am Körper gespielt, also mit weniger ausgestreckten Armen. Insgesamt soll es bequemer sein als Viola, aber ich habe es noch nicht ausprobiert.


    Eine Gitarre ist aber noch grösser und im Falle einer E-Gitarre deutlich schwerer, und die hängt man sich ja auch um.


    Da gibt es auch ein schönes Video von Badiarov, wo er Viola und Cello da Spalla vergleicht.


    Klang: Im Vergleich zur Geige und Viola klingt auch ein kleines Cello schon sehr voll. Aber wenn man mal ein vernünftiges 4/4 Cello gespielt hat, merkt man die klanglichen Kompromisse deutlich.


    Wie auch immer- das Cello da Spalla habe ich auf 300 Dollar runtergehandelt, mit Versand und Zoll komme ich sicher auf 500 Euro- das ist mir der Spass wert.