Wovon hängt bequemes Greifen auf der Geige ab?

  • Hallo zusammen,


    ich habe eine Geige, die super klingt, sich aber nicht bequem spielen lässt, weil ich gefühlt viel Kraft brauche, um mit den Fingern der linken Hand die Saiten herunterzudrücken. Dabei verheddere ich mich manchmal auch in den Saiten. Meine Übungsgeige mit Violino-Saiten, die ich hier schon mal vorgestellt habe, spielt sich dagegen wie Butter. Nun braucht sie leider eine aufwendige Reparatur, so dass ich vorerst auf die andere Geige ausweichen muss :(


    Auf besagter, "schwergängiger" Geige sind Tonica-Saiten aufgezogen. Sollte ich es mit Saiten versuchen, die weniger Spannung haben, z.B. Violino? Den Steg hat der Geigenbauer bereits niedriger gemacht, da ist das Limit erreicht. Obersattel und Griffbrett wurden vor knapp drei Jahren überarbeitet und passen noch. Der Geigenbauer meint, sie lasse sich problemlos spielen. Er hat aber auf alle Fälle größere und bestimmt auch kräftigere Hände als ich...


    Vielleicht ist es auch eine Kombination aus leicht größerer Mensur und größerer Saitenspannung? Jedenfalls fällt mir auch die Intonation auf dieser Geige nicht leicht. Leider habe ich wenig Zeit zum Üben, und das Üben soll Spaß machen und nicht noch zusätzlichen Stress verursachen. Ich habe mehr als zwei Jahre auf dieser Geige gelernt, und als ich dann auf die jetzt kaputte Geige umgestiegen bin, war es eine Offenbarung, wie bequem sich eine Geige spielen lassen kann.


    Habt Ihr eine Idee, was ich tun könnte, um die Spielbarkeit der ersten Geige zu verbessern?


    Danke Euch,
    Geigerlein

  • Die Spielbarkeit hängt von vielen Faktoren ab. Einige sind leicht zu ändern, andere nicht.


    1. Saiten. Hier ist es natürlich ein Unterschied, wie hoch die Saitenspannung ist. Weiche Saiten lassen sich leichter greifen.


    2. Saitenabstand zum Griffbrett: Wenn man die Saite nicht so weit herunterdrücken muss, braucht man weniger Kraft. Auch folgt die Saite dem Finger nicht so weit beim Loslasssen. Hier spielen die Höhe und die Rundung des Stegs, die Kehlung des Griffbretts und die Höhe des Obersattels eine Rolle.


    3. Form des Halses: Es gibt Geigen mit schlanken und schmalen Hälsen, und welche da hat man gefühlt einen Baumstamm in der Hand. Pauschal ist aber weder das Eine noch das Andere perfekt- es kommt auf den Spieler und seine Hand an. Die Pranke eines 2-Meter-Mannes hat kaum eine Chance, auf einem schmalen Griffbrett die Saiten einzeln und sauber zu greifen. Zierliche Damenhände dagegen mühen sich manchmal wahnsinnig ab, sich quer über ein breites Griffbrett zu spreizen. Entsprechend gilt das auch für den Umfang des Halses.


    4. Griffbrettrundung und -kehlung. ...s.o., da liegt das Eine dem Einen und das Andere dem Anderen...


    5. Ansprache des Instrumentes: Auch wenn das nicht direkt was mit dem Greifen zutun hat, so verspannt man sich doch deutlich weniger wenn die Geige „mitspielt“ und gut anspricht. Und da kommen dann wieder andere Faktoren (z.B. passender Bogen etc.) ins Spiel.

  • Ich wundere mich etwas, wenn hier von „Kraft“ gesprochen wird, die Saiten „herunterzudrücken“.


    Es ist völlig egal, wie die Geige aussieht, wenn die Länge der Saite stimmt, ist die „Kraft“ immer die gleiche
    bei gleichen Saiten. Und die „Tonica“ sind da zum Beispiel völlig in Ordnung.


    Der Abstand zum Griffbrett sollte nicht zu gering sein. Also den Steg in der Regel nicht verkürzen!
    Manchmal (bei billigen Geigen) können die Saiten am Sattel zu „hoch“ sein.


    ABER: Bei der Geige ist es (anders als z.B. bei der Gitarre) nicht erforderlich, dass die Saiten bis zum
    Griffbrett heruntergedrückt werden. Wenn das mit dem Ton nicht klappt, liegt es am Kolophonium, am Bogen
    oder an einer falschen Bogenführung.

  • Hallo Fiddler, als Anfänger soll man aber die Saiten bis aufs Griffbrett runterdrücken.
    Ansonsten hat Braaatsch sehr ausführlich die Möglichkeiten beschrieben. Vielleicht noch der Hinweis, dass geigerlein am Besten mit seinem Problem einen Geigenbauer aufsucht. Der sieht die Geige und kann dann entscheiden, wie weit er da helfen kann. Weil, zuviel ist halt manchmal auch nicht sinnvoll. Ist z.b. der Abstand der Saiten zum Griffbrett dann zu gering, muss ein neuer Obersattel/ Steg her.

  • Fiddler, prinzipiell hast Du Recht. Aber je nachdem, wie weit die Saite aus ihrer nicht gegriffenen Position „ausgelenkt“ werden muss, um auf dem Griffbrett zu landen, steigt die Kraft eben doch.


    Ja, es ist so, dass viele Leute auf der Geige mit mehr Kraft spielen als sie bräuchten. Da wird quasi der ganze Hals erwürgt. Ich komme vom Cello, da ist das ähnlich- auch wenn es beim Cello oft so ist, dass zu sehr „gewürgt“ wird, aber zu wenig Kraft an den Saiten ankommt. Das ist eben eine Technikfrage, die ich leider nur fürs Cello beantworten kann.


    Wenn es aber beim gleichen Spieler auf unterschiedlichen Instrumenten verschiedene Probleme gibt, dann sollte man mal beim Instrument nachschauen.


    Parallel den Geigenlehrer zu konsultieren ist aber sicher keine schlechte Idee.

  • Übrigens spiele ich auf dem Cello mit einem „verboten niedrigen“ Saitenabstand. Da ist mehr Luft nach unten, als man denkt.


    ABER: Um mit einem extrem niedrigen Saitenabstand spielen zu können, ist eine gute, eher „barocke“ Bogentechnik und ein guter Bogen nötig. Da kann man dann nicht einfach „reinsägen“. Und da braucht man auch wieder ein leicht ansprechendes Instrument.


    So bedingen sich die Faktoren wieder gegenseitig.

  • Vielen Dank für Eure Antworten!


    Beim Geigenbauer war ich schon mit der Geige. Er sagt, alles sei in Ordnung so, und man könne da nichts verbessern. Der Obersattel ist z.B. sehr niedrig. Mir ist auch aufgefallen, dass der Steg eine andere Rundung hat als der der kaputten Geige. Bei ihm sind G und D relativ hoch, und in Richtung E fällt er stark ab. Der andere ist eher gleichmäßig gerundet. Das spielt bestimmt auch eine Rolle. Und ich hab gemerkt, dass ich mit schmaleren Hälsen, die fast dreieckig im Querschnitt sind, also nicht rund sind sondern unten eine "Kante" zum "Festhalten" haben, besser klarkomme. Klar eigentlich bei meinen kleinen Händen.


    Nachdem ich die Geige jetzt ein paar Tage gespielt habe, hab ich doch ein besseres Gefühl, als ich es in Erinnerung hatte. Scheinbar hat sich meine Technik im letzten halben Jahr auf der anderen Geige so verbessert, dass ich jetzt auch mit dieser Geige gut klarkomme und mich nicht so schnell verspanne. Das ist ja doch ein Erfolg, auch wenn ich wegen der anderen Geige immer noch traurig bin...


    Es ist aber echt ein Thema für mich, dass die Greifhand locker bleibt und auch bei schnellen Passagen nicht fest wird. Ich muss mich immer wieder dran erinnern, locker zu bleiben. Das ist reine Kopfsache. Die Ansprache ist übrigens bei beiden Geigen ähnlich, da hab ich keinen Unterschied festgestellt.