Richard Martin 1895

  • Abalon, es geht ja nicht darum, was "jetzt" ist, sondern was -Stichwort Wertstabilität- in ein paar Jahren sein wird...


    Und "Talenteförderung": Die Masse der Spieler sind eben keine "Talente". Und der Anfängerbereich, Hobby/Amateure/Schulorchester etc. hat früher die einfachen sächsisch/böhmischen Instrumente gespielt, und heute sind die Neuinstrumente billiger. Daher sind Tausende alter Geigen auf dem Markt, die keiner haben will.


    Letztendlich halten Geigen bei guter Pflege lebenslang oder länger, daher wächst die schiere Masse der Instrumente. Um da noch mitzuhalten, gehen die Preise runter und die Neubauten werden immer besser.


    Thema Celli, damit habe ich mich verstärkt beschäftigt. Da sind die Preise für alte Sachsen noch recht hoch. Witzigerweise bekommt man asiatische Celli besserer Klangqualität inzwischen günstiger als alte. Sprich, dort haben wir den Fall, dass ein neues besseres Instrument günstiger sein kann als ein altes schlechteres. Der Unterschied ist aber, dass es lange nicht so viele alte Celli gibt wie alte Geigen.

  • Ganz so einfach ist es meiner Meinung nach nun auch wieder nicht. Dazu fallen mir spontan ein paar Punkte ein:


    Geigen sind, entgegen der Meinung vieler, nicht für die Ewigkeit gebaut. Eine Geige für mehrere Jahrzehnte oder länger zu erhalten heißt regelmäßig Investitionen in diese zu Stecken. Da diese Arbeiten nicht automatisiert werden können sind sie aufwendig und teuer. Es wird also nicht immer mehr Geigen geben, es gehen auch viele kaputt und gerade die Markneukirchen/Schönbach Geigen aus deren Boomzeit haben jetzt oft ihren Zenit erreicht.
    Selbst die besten Geigen leiden im Alter. Der Boden ist sehr hart, aber auf Dauer nicht unnachgiebig und wird nach außen verbogen. Die Decke ist sowieso kaum in der Lage den Stimmstock länger zu fassen und bekommt punktuelle Abdrücke wenn es schlecht läuft. Die Spannungen im Holz lassen nach, diese müssen mit einem neuen Bassbalken wieder gestützt werden. Der Stimmstock muss dann stärker gegen die Decke drücken mit dem neuen Bassbalken. Da aber verändert den Boden noch mehr. Wenn dieser wieder ein wenig zurück gebogen wird, muss dann wieder eine kürzere Stimme eingesetzt werden. Es ist ein ewiger Kreislauf und meist gibt irgendetwas irgendwann nach.
    Es gibt außerdem eine Vielzahl an uninteressanten alten Geigen die für die Saitenspannungen für Stahl gebaut wurden oder für ein langes Leben zu dünne Decken haben.
    Das Holz aus dem Geigen gebaut werden ist kein beliebig vorhandener Rohstoff. Gerade die großen Asiatischen Manufakturen bekommen immer mehr Probleme die benötigten Hölzer zu beschaffen, der Preis steigt seit einigen Jahren unaufhaltsam, ein Ende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, der Trend geht zu noch schnellerer Preisentwicklung. Das ist ein Grund warum eine Geigenschwemme nicht unbedingt eintreten muss.
    Die Anzahl der Spieler wurde durch die Öffnung einiger Länder stark vergrößert. Länder wie China und Indien benötigen immer mehr Geigen, zusammen mit der Schwierigkeit der Holzbeschaffung wird das eine große Rolle spielen.
    Der Geigenbau hat eine sehr interessante Phase durchschritten in den letzten 50-60 Jahren, die äußerst fruchtbar war. Eine ganze Generation kriegsunbescholtener Geigenbauer hat großartiges Erreicht und das Niveau handgefertigter Meistergeigen ist so hoch wie seit Vuillaume nicht mehr, dieses Mal aber von einer recht großen Zahl von Geigenbauern erreicht.
    Der Austausch über moderne Kommunikationswege hat alle Schulen kräftig durchmischt und gerade scheint sich eine neue Schule zu entwickeln, die viele gute Ideen aus Italien und ein paar neue Erkenntnisse vereint. Diese Geigen werden wohl einen recht hohen Qualitätsstandard erfüllen können. Vielleicht werden dadurch auch wieder Workshopgeigen relevanter, man wird es sehen.
    Außerdem gibt es eine Vielzahl neuer Geigenbauer, die aus Regionen mit bisher völlig anderem Instrumentenbau kommen. Es ist kaum abzusehen, ob und wenn ja wie diese Einflüsse sich festsetzen werden. Fest steht, es wird sie geben!
    Das größte Einfluss, das kann jeder Zeit alles ändern, ist natürlich die geigenbauferne Welt. Ein internationaler Konflikt, sei er nun mit Waffen ausgetragen oder ein Handelskrieg, innere Unruhen, (kultur-)zerstörerische Ideologien, all das kann einen Markt schnell auf den Kopf stellen und ein Kasten Wasser ist auf einmal eine Geige wert. Wer will das schon vorhersagen.


    Was meinen Sie eigentlich damit, dass Profimusiker seltsame Vorstellungen haben? Ich denke, wenn sie Instrumente für Schüler aussuchen achten sie vor allem auf Klangfarben, deren Variationsfähigkeit, Ansprache und ausgeglichenen Klang. Alles andere ist da auch erst einmal zweitrangig.

  • Ich gebe dir völlug recht, so einfach ist es nicht. Die Chinesen holzen den halben Himalaya ab, und es gibt auch interessante Entwicklungen im Bereich der Carboninstrumente. Ob die Geige "aus dem 3d Drucker" (oder Carbon etc...) jemals richtig funktioniert, oder ob sie vielleicht gerade für tropische Länder (z.B. Indien, Südchina etc.) im Anfängerbereich eine Alternative darstellt (ja, es gibt auch Profis, die Carbon spielen...ich meine jetzt einen solchen Erfolg wie die preiswerten Carbonbögen...) wäre ja auch noch mal abzuwarten...


    Nur auf die Wertsteigerungen relativ einfacher Ebaygeigen zu spekulieren finde ich immer noch sehr gewagt.