Stainer-Kopie

  • Hallo zusammen,


    diese Geige hat es mir angetan: Ein Fund aus den Kleinanzeigen für geringes Geld.
    Vorab, das Offensichtliche: Ja, es ist einiges zu tun: Zwei offene lange Deckenrisse. Ein alter (unschön) reparierter Decken-Stimmriss.


    Was ist sonst mein Eindruck:
    Aussehen: Tolle Honig-gelbbraune Lackfarbe (kommt auf den Fotos nicht gut raus). Extreme Wölbungen und Hohlkehlen vor allem auf der Decke, etwas moderater im Boden. Sehr feinjähriges Deckenholz. Sehr schöne Boden-Flammung (ist auf dem Foto nicht gut getroffen). Irgendwas wurde mal am Halsansatz geändert. Eine sehr schlechte orangene Lack-Retusche ist dort zu sehen, Griffbrett ist dilettantisch mit zwei schlecht angepassten Keilen unterlegt, was sollte das?).
    Klang: Ich habe den Steg wieder augestellt und neue Dominant-Saiten aufgezogen. Steg ist schlecht an die Wölbung angepasst, steht also nicht gut. Der Stimmstock ist ein komisches Etwas mit länglichem Querschnitt. Wirbel gehen einigermaßen. Und trotzdem: Obertonreich, sehr klare, auch brillante E-Saite, A- ebenso. Zu den unteren Saiten hin näselnder und mit Schnarren bei bestimmten Tönen (das liegt möglicherweise an den Rissen), aber vom Schnarren abgesehen auch gut. Klangliche Einstellung ist mir natürlich nicht möglich, aber die oberen Saiten gefallen mir schon supergut! Besonders bin ich vom Spiel bei hohen Lagen auf allen Saiten beeindruckt. Die sind kein bisschen matt, so wie man es von vielen Geigen kennt (ist das eher eine EIgenschaft von Saiten oder von der Geige?).


    Zettel: Der gedruckte Stainer-Zettel: Jacobus Stainer in Absam prope Oenipontum 1665 unter dem einen F-Loch und gegenüber handschriftlich in Sütterlin (vielleicht auch kopiert): J. G. Langerwisch Instrumentenmacher in Leipzig 1816 (wobei es fast so aussieht, als ob jemand (ausgebleicht) die 1 von 1816 mal mit zwei Strichen zu einer 7 machen wollte --> 1876 hat der gute Herr Langerwisch aber nicht mehr gelebt :( ). Somit glaube ich beiden Zetteln eigentlich nicht.


    Was meint ihr? Was sagen euch die Form, der Lack, die Wölbung? Wieviel muss ich für die Deckenreparatur wahrscheinlich hinlegen? Hätte jetzt 1500€ Reparaturkosten geschätzt...


    Freue mich auf eure Kommentare! Vielen Dank.

  • Der Keil ist wohl ein Versuch dem Instrument einen kräftigeren Ton zu entlocken, genau wie der stark ausgedünnte Steg. Die sehr extreme Krümmung über den F Löchern macht das wohl nötig. Die ist selbst für Stainer ungewöhnlich. Die nasalen Tiegmfen wird man eher nicht ganz wegbekommen.
    Reparaturkosten könnten gut hinkommen.
    Sieht an manchen Stellen überlackiert aus, kann das sein? In den dunklen Ecken werden die Bilder zu unhmgaunau dass ich das richtig sehe.

  • eine wirklich etwas bessere Stainer Kopie, obgleich auch schon für eine "Stainer" die Wölbung zu extrem ist. Wir haben über diesen Modelltyp, der hunderte Namen hat ("Thier" Withalm-Stainer", "Füssener" "Amati" etc. etc.) schon zig Postings.
    Preislich sind diese Geigen momentan ziemlich unten durch. Aber wenn Sie Freude daran haben, ist es auch recht.

  • Evtl. war der Keil wegen der Deckenwölbung nötig... Ansonsten ist das schon ein nettes Instrument, was ich zeitlich durchaus ins 19. jahrhundert einordnen würde, allerdings eher Mitte bis 2. Hälfte. Eine einfache Manufakturgeige ist das meiner Meinung nach nicht. Mit einer guten Klangeinstellung werden die Tiefen sicher etwas besser, aber ob man dafür was in den Höhen einbüsst und wie ausgegluchen man alles hinbekommt, ist fraglich.


    Aber: Damals waren viele Instrumente eben so, sprich, wie bei der Klarinette wurden die verschiedenen Klangfarben der "Register" akzeptiert. Nur unser modernes, MP3-geschultes Ohr empfindet diese "Farbigkeit" als unausgewogen... klar, ein bisschen ausgewogener ist schon besser, aber gerade bei solchen alten Instrumenten akzeptiere ich die klanglichen Eigenheiten inzwischen (wenn sie sich nicht mehr verbessern lassen!). Es ist eben ein Instrument aus der "Spätromantik", und entsprechend war sie eben so... Es ist eben nich alle Musik alles elektronisch nachbearbeitet worden damals ;) Heute macht man das ja prinzipiell...

  • @Braatsch: Ja, der Keil ist schon notwendig wegen der Wölbung, nur sieht er (bzw. die beiden Keile, links und rechts) ziemlich nachträglich und schlecht angepasst aus. Da hat offensichtlich jemand etwas nachträglich geändert, und dann auch noch den Lack schlecht retuschiert (orangene Stellen am Halsansatz und unter dem Obersattel). Warum wurde das gemacht?


    Die Farbigkeit des Klangs gefällt mir besonders bei der Geige. Und ich habe schon einige wertvolle Geigen (auf Aufnahmen) gehört, die auch eine recht nasal klingende D-Saite haben, z.B. Anne Sophie Mutters Strad Lord Dunn Raven. Natürlich will ich die mitnichten mit dieser Geige vergleichen, aber das Nasale, finde ich, kann man durchaus in den Klang gut und interessant einfügen, wenn es nicht zu dominant ist.


    Hat jemand eine Idee, aus welcher Region die Geige stammen könnte (Zettel hin oder her)?


    Konkrete Werteinschätzungen nach Reparatur?

  • Zum Lack noch: ob da was überlackiert ist, kann ich nicht beurteilen. Woran würde man das sehen? Die Lackschicht sieht dick aus, aber da habe ich überhaupt keine Erfahrung. Ich sehe nur diese in einer nicht ganz passenden orangenen Farbe ausgebesserten Stellen.

  • Hi schup011


    Ich habe eine, so wie es mir scheint exakt gleiche Geige. Ich muss noch den Obersattel
    neu mit Knochenleim befestigen.
    Meine habe ich für weniger als 300 Euro bekommen in perfektem Zustand, was das Holz betrifft. Mit 200 mehr ist meine spielbereit. (Neue Saiten, Saitenhalter und Wirbel schmieren). Daher gehe ich von einem gerigen Endwert aus. Wenn man also 1500 für eine Reparatur ausgibt, wird das Geld nicht mehr zurück kommen. Natürlich kann man es auch wie ein Auto Kauf sehen, wo die Freude daran zählt, der Wert jedoch von Jahr zu Jahr abnimmt.


    Die Frage nach dem Wert nach der Reparatur ist daher nicht ermutigend oder nicht relevant, da er unter den Reparaturkosten sein dürfte.
    Ich denke, mehr als 500 kann man heute nicht erwarten.

  • Jetzt habe ich hier im Forum ja schon oft davon gelesen, dass in einem solchen Fall der Klang wertentscheidend sein dürfte. Ist das in den 500 eingepreist?


    Wenn ich an den Klang mancher Schülerinstrumente denke, würde ich hier 1500-2000 auf jeden Fall für angemessen halten. Und bei den Umständen (Steg steht schlecht, Stimme nicht angepasst, Risse) kann der Klang nur noch besser werden.


    Ja, aber ich weiß, der Markt entscheidet über den Preis......

  • Wenn es das Instrument ist, welches sie lieben und spielen wollen und davon überzeugt sind, dass es für die 1500 Euro kein neues Instrument gibt, welches ihre klangliche Vorstellung erfüllt, dann gibt es doch keine Frage über den möglichen Verkaufswert.


    Beim Wert betreffend dem Klang muss man jemanden finden, der diese Meinung betreffend Klang teilt und bereit ist, Geld dafür zu bezahlen. Dies kann in der Regel nur der Fachhandel mit seiner speziellen Musikerkundschaft und könnte für eine Privatperson schwierig werden diese Kunden zu finden.

  • Eine konkrete Werteinschätzung nach Reparatur kann man eben auch erst geben, wenn die Geige repariert ist-und von Fotos mehr als eine Richtlinie zu erwarten ist einfach zuviel verlangt.... bei den ganzen Böhmengeigen geht das, weil es die in solchen Massen gibt, dass man da den Markt gut abschätzen kann...


    Ja, der Klang spielt eine grosse Rolle. Im perfekten Zustand und mit gutem Klang kann so eine Geige durchaus auch ihre 2000-3000 wert sein, ABER Dein Instrument hat immense Vorschäden, die es für viele Käufer uninteressant machen. Wenn Du die Geige für Dich zum Selberspielen reparieren möchtest, ist dagegen nichts zu sagen, im Gegenteil. Man sollte in diesem Falle aber nicht auf einen Gewinn hoffen, und nein, nicht alles muss sich finanziell wieder auszahlen. Wenn man ein Auto, Fahrrad,...oder noch eindrucksvoller, ein paar Anziehsachen kauft, geht man doch auch nicht davon aus, dass diese ihren Wert behalten. Man investiert, man freut sich dran, und man bezahlt für den Gebrauch, bzw. verlieeren viele Sachen ja schon an Wert, sobald sie das Kaufhaus verlassen... Warum also sollte eine Geige, auf der man spielen will, immer nur an Wert gewinnen müssen?