Violine von Mathias Heinicke 1926

  • Heute war mein absoluter Glückstag. Ich fuhr mit meinem 24 PS Motorrad durch die eisige Kälte von der tschech. Grenze nach Wien zum Naschmarkt. Sogleich angekommen, kam ich zu einem Stand, der gerade beim Aufbau war. Sobald ich einen alten Geigenkoffer sah, bat ich die Dame, mir diesen zu öffnen.
    Es war noch halbdunkel um 5:00h am Morgen. Ich schaltete das Licht vom Schmierhandy ein und DA!!! Eine tolle Geige blickte mich an.
    Fast zitternd (aber nicht nur vor der Kälte) fragte ich die Dame, wieviel sie dafür wolle? Sie sagte, ihr Mann entscheide dies, er müsse aber noch einen Parkplatz finden (3x dürft ihr raten, warum ich mit meinem lahmen Motorrad die Reise auf mich nahm!). Das war schlimm für mich. Wir Musikinstrumentensammler sind die reinsten Aasgeier, sobald ich weg wäre, wäre die Gefahr groß, dass ein anderer sie mir wegschnappt.
    Doch da kam der Herr, er wollte die Geige zu Seite legen. Die Dame sagte zu ihm "Halt! Das ist der Herr!"
    Ich fragte sofort, was er dafür wolle?
    "250€"
    Ich verhandelte nicht lange. Doch wieder ein Schock. Ich hatte zuwenig Geld mit. Ich stürmte wie Usain Bolt zum nächsten Bankomaten. Der hatte noch Geld (Kunststück - war ja erst Frühe. Da haben die meisten Stände noch nicht offen!").
    Beim näheren Anschauen entdeckte ich den Zettel und die Brandmarke!
    Da kam schon Hassan (ein anderer Geigengeier) daher. Er fragte, was ich da hätte. Ich zeigte die ihm. Er meinte, er hätte genug Heinickes gehabt - alles Fälschungen, sogar manche mit Brandmarke!
    Doch als er sie begutachtete, gab er zähneknirschend zu, dass sie seiner Meinung nach echt sei.
    Diese Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter den anderen Geiern. Viele wollten sie mir sofort abkaufen. Aber ich wehrte ab, da ich erst den Marktwert checken müßte, und sie -besonders sie- das Geigenbusiness genau kennen. Unter Aasgeiern gibt es keine Humanität!
    Mit Lächeln und in sich hineinfressender Wut wünschten sie mir viel Glück!
    Nun gut:
    Die Geige ist definitv ein Meisterwerk von Mathias Heinicke. Er hatte bis 1945 seine Werkstatt in Wildstein bei Graslitz. Nachher zog er nach Bayern und war dann bis zu seinem Tode ein sehr gefragter Geigenmacher.
    Sie ist bruchfrei. Lediglich am Boden sind zwei Druckschäden, vermutlich verursacht durch unsachgemäßen Transport - nicht durch meinen 150 km weiten Transport in meinem Rucksack durch die Kälte - das hat sie gut überstanden.
    Na ja. Stellt sich die Frage, wäre es günstiger sie reparieren zu lassen oder so in diesem Zustand zu verkaufen? Gecheckt müßte sie werden. Die Brücke ist kaputt und Stimmstock und Bassbalken müßten mal begutachtet werden. Nur meine Instrumentenbauer sind ziemliche Schnecken. Nicht dass sie keine gute Arbeit leisteten. Bei denen trifft halt der altbekannte Musikerwitz voll zu:
    "Wieviele Instrumentenmacher braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln?"
    "Einen, der braucht aber dafür zwei Jahre!"
    Welcher Preis wäre für sie in diesem Zustand realistisch? Ich schätzte halt, der volle Marktwert minus den Reparaturkosten. Die dürften aber auch bei so verhältnismäßig geringen Schäden durchaus in den 1 k€ Bereich gehen.
    Anmerkung: Brandmarke und Zettel konnte ich mit meiner Steinzeitkamera nicht fotografieren. Ich reiche die Bilder sobald es geht nach!