Geige restaurieren oder nicht?

  • Hallo,
    ich bin neu hier und hoffentlich im richtigen Forum ...


    Ich besitze eine alte Geige, über die mein Geigenbauer meint, ich müsse mindestens 800 Euro reinstecken, damit sie in Ordnung ist. Alles müsse neu gemacht werden, Wirbel, Sitenhalter, Steg ... obwohl das alles neu ist und i.O. (nur die Geige ist alt). Nun, der Steg ist etwas niedrig, aber unsere Geigenlehrerin vermutet, dass sich der Vorbesitzer, wohl ein älterer Herr, die Geige so eingerichtet hat, um die Saiten leichter drücken zu können. Die Geige sei voll spielbar, kein Problem.


    Der Geigenbauer meinte aber auch, nach der Restauration sei die Geige 2000, vielleicht aber auch 4000 Euro wert. Im Moment seit sie gar nichts wert.


    So. Was mach ich nun? Soll ich eine weitere Meinung einholen? Soll ich's restaurieren lassen?

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Nemesius,


    das klingt alles ein bisschen befremdlich. Ich fange mal von hinten an:


    Eine Geige kann nicht "NICHTS" wert sein, und wenn man was dran macht Tausende Euro. Und zwischen 2.000 und 4.000 ist auch ein großer Unterschied. Diese Aussage ist meiner Meinung nach unseriös und unprofessionell (ist das wirklich ein Geigenbaumeister?).


    Wenn man einen höheren Steg macht, dann wird der Druck der Saiten erhöht und die Geige klingt lauter evtl. auch besser. Lauter auf jeden Fall, besser nicht unbedingt.


    800 Euro erscheint mir auch ein wenig viel. Für einen guten Steg muss man ca. 60 - 100 Euro rechnen (mit Anpassen natürlich), für einen Satz Wirbel einpassen ca. 40 - 80 Euro, Saitenhalter und Saiten - Materialwert vielleicht 100 Euro, und nochmal 30 Euro fürs Machen. Also insgesamt höchstens ca. 200 - 300 Euro.

  • Danke für die Antwort.


    Ja, es ist ein Geigenbaumeister.
    Er wollte machen/erneuern: Saitenhalter, Kinnhalter, alle Wirbel, Steg, Saiten, Lack, Knopf, Griffbrett.
    Vielleicht hätte ich nicht sagen dürfen, dass die Geige von ebay ist? :-))
    Sie ist wirklich sehr schön, Vogelaugenahron, die Einlagen auf der Decke sind doppelt, in etwas größerem Abstand (wenn ich das mal so laienhaft beschreiben darf ...), schöner warmer Ton (den der Geigenbauer aber gar nicht ausprobiert hat).


    Vielleicht ist es besser, ich gehe noch mal zu jemand anderem?
    Aber woher soll man wissen, dass es ein guter Geigenbauer ist?


    Ich war mal vor Jahren bei jemand anderem Geigenbauer (berühmt) mit einer Geige (ebenfalls von ebay) und ich Schaf erwähnte das, weil der Geigenbauer sie ansah und nach einiger Zeit fragte, wo ich die herhätte. Sie war sehr alt, das musste er zugeben (aber ausprobiert hat er sie auch nicht). Und dann zeigte er mir hier und dort und da Reparaturen (alte!) und sagte (ja, auch dieser Geigenbauer!), die Geige sei nichts wert. Ich konnte sie zum glück zurück geben. Ich ließ außerdem einen Steg für eine kleine Fidel veranschlagen, und dafür wollte er 350 Euro haben. Seitdem bin ich ziemlich verunsichert und ärgere mich immer noch, dass ich diese ganz alte Geige, die einen tollen Klang hatte, zurückgeschickt habe. (Dies alles nur so als Hintergrund).


    Ach ja, wenn ich schon so beim Plaudern bin: Wir haben eine alte halbe Mirecourt-Geige in Frankreich gekauft, wunderbarer Klang, und dazu einen Bogen für 140 Euro, der war ein Angebot (stand auch dran, also nicht einfach so gesagt vom Geigenbauer). Für einen Vergleich mit den anderen Bögen unserer Kinder brachte ich diesen Bogen mal mit zum Geigenbauer, und da sagte er mir dann, dass diese Bogen schlecht wäre, weil er im entspannten Zustand nicht auf die Bogenhaare trifft. (Dies tut nur unser erster Bogen, der billigste, von der achtel Geige.)


    Was raten Sie mir?


    Soll ich die Geige mit nach Frankreich nehmen?

    • Offizieller Beitrag

    Ja das kann sein. Manche Geigenbauer reagieren allergisch, wenn man sagt woher man die Geige hat. Also einfach Tipp: nix sagen. Einerseits kann ich es ja verstehen, wenn jemand mit etwas woanders gekauften kommt, andererseits ist es aber auch kurzsichtig, den Kunden mit hohen Kostenvoranschlägen oder unqualifizierten Bemerkungen "strafen" zu wollen.


    Ein guter Geigenbauer, tja - woran erkennt man den? Zunächst sollte man das Gefühl haben, dass er einem wirklich helfen will. Fachliche Kompetenz kann man dann eh erst am Ergebnis der Reparatur oder Restauration erkennen...


    Man sollte sich nicht zu leicht verunsichern lassen, weil das eigenen Urteil über die Geige ja das Wichtigste ist. Was nützt einem ein Instrument das alle Loben man selbst es aber zum Haare ausraufen findet. Deshalb einfach nur sagen was man gemacht haben möchte, und Diskussionen über die Geige als solche vermeiden. Oder man möchte halt wissen wie der andere drüber denkt, dann muss man aber auch aushalten wenn er sagt die is nix... 8)


    Naja, das mit den Haaren und Stange berühren usw.: Bei qualitativ hochwertigen Bögen ist das oft so - ja. Es kommt aber auch darauf an, wie die Haare eingesetzt sind und wie die Biegung der Stange ist. Es ist jedenfalls kein absolutes Qualitätsmerkmal. Allerdings ist es auch nicht gerade ein Zeichen von Qualität, wenn die Haare im entspannten Zustand noch 1 cm von der Stange weg sind. Dies kann aber auch bei Qualitätsbögen durch Luftfeuchtigkeitsschwankungen passieren. Gut - ein Bogen für 140 Euro ist bestimmt nicht schlecht - aber natürlich auch noch nicht allererste Sahne.


    Mirecourt ist eines der größten Geigenbauzentren der Welt. Mit dem Hintergrund, dass eine Geige aus Mirecourt kommt, kann man so gut wie nichts über deren Qualität sagen. Da gibt es wirklich die allerletzten Schachteln aber auch viel Gutes und sogar sehr Gutes.


    Wenn Sie Lust haben, können Sie ja mal Bilder davon hier ins Forum stellen. Dann könnte man eher ein bisschen was dazu sagen.

  • Danke für die ausführliche Antwort.


    Zu den Mirecourt-Geigen kamen wir, weil unser damaliger Geigenlehrer uns dazu riet: Mirecourt, 20er Jahre. Wir hatten zweimal das Glück, in Frankreich 5 solche Instrumente probespielen zu können (also insgesamt 10), und beide Geigen, die wir gekauft haben, sind laut Geigenlehrer so gut, dass er selbst, wären es 4/4, damit "in der Oper spielen könnte", wie er sich ausdrückte. Die Geigenbauer waren Empfehlungen vom Direktor des Konservatoriums in Antibes und von einem bekannten frz. Dirigenten, mit dem eine frz. Tante von mir befreundet ist. Wir kamen zu den Geigenbauern also mit entsprechendem Leumund und waren nicht "irgendwer". Beide Geigen bekamen wir inkl. Kasten und Bogen und Kolloph. für jeweils 700 Euro.


    Von der anderen Geige, die ich gerne restaurieren lassen würde (die mit dem niedrigen Steg), stelle ich Fotos ein. Erstmal: Sie riecht unglaublich gut :], aber ich weiß nicht, ob das ein Kriterium ist ... (der Lack? das Holz?) Die Geige hat diese "Doppelintarsierung" vorne und hinten, hinten einen einteiligen Boden aus Vogelaugenahorn, insgesamt eine helle Bernsteinfarbe mit ein paar noch helleren Flecken (Abnutzung). Auch die Zarge ist aus Vogelaugenahorn. Die Geigenlehrerin fand sie wunderschön (was ich ja auch finde), mit wunderbarem Ton. Woher kann das Teil stammen? Ich bin ja mal gespannt.


    Da fällt mir ein: Als ich die Geige damals erstand, hatte ich herausgefunden, dass es vielleicht eine Maggini-Kopie sein kann. Aber von wannen? 20er Jahre 20. Jh.? Und von wem? Kriegt man sowas raus?

  • Mittlerweile bin ich schlauer. Ein schweizer Geigenbauer sagte mir, dass es sich um eine sächsische Maggini-Kopie vom Anfang des 20. Jh. handelt. Diese Instrumente sollen in der Tat recht gut klingen. Schade, dass die Schweiz von uns aus so weit weg ist ... Ich hoffe, ich finde auch hier einen guten Geigenbauer, der aus der Geige das rausholt, was sie kann.

  • Hallo Nemesius,
    stimmt, es ist eine typisch deutsche Maggini-Kopie von vermutlich mittlerer Qualität.
    Auffällig an dem Instrument ist die Saiten-Bespannung, die, wenn die Bilder nicht seitenverkehrt eingestellt wurden, der einer Geige für Linkshänder entspricht (die dünne E-Saite liegt links statt rechts?).
    Dann wäre es natürlich interessant, ob die Geige auch innen "links"
    gebaut wurde, die Stimme also ungefähr unter dem linken Stegfuß steht.
    MfG
    Rainer


    P.S.:
    Eine Restaurierung lohnt sich bei dem Instrument m. E. nur, wenn man es selbst bzw. in der Familie nutzen will. Bei einem Verkauf bekommt man die hohen Kosten i. d. R. nicht wieder erlöst.

  • ...
    durch die unleserlichen Buchrücken im Hintergrund ist es mir jetzt aufgefallen, dass die Bilder tatsächlich alle spiegelverkehrt eingestellt wurden. Wie kann denn so etwas passieren?
    MfG
    Rainer