Mensurprobleme

  • Aus Interesse am Geigenbau habe ich mir seit gut 1 Jahr einige preisgünstige alte Geigen bei ebay besorgt und sie - so weit ich dazu in der Lage war - übungshalber aufgearbeitet.
    Beim Vermessen der Instrumente bin ich dann über die Mensurverhältnisse ins Grübeln gekommen. In der Literatur (Möckel, Apian-Bennewitz) wird ein Mensurverhältnis von 2:3 (also bei einer 4/4-Geige eine Länge von 13 cm vom Obersattel bis zum Deckenrand, 19,5 cm vom Deckenrand bis zu den inneren f-Loch-Kerben, macht 32,5 cm Gesamtlänge) als Standard angegeben - als Alternative noch die "französische Teilung" von 7:5, vom Äderchen aus gerechnet.
    Meine billig erworbenen Geigen weichen von diesen Maßen allerdings deutlich ab: Bei einer ist das Verhältnis zwar ungefähr 2:3, die Gesamtlänge aber mit 33,6 cm erheblich größer (sie klingt entsprechend ein wenig in Richtung Bratsche), bei einer anderen ist die Gesamt- bzw. Saitenlänge zwar normgerecht, die Teilung mit 12,5 : 20 cm aber nicht, d.h. der Hals ist 5mm kürzer.
    Ich frage mich, ob dies ein Problem ist, d.h. ob ich es verantworten kann, diese Geigen ggf. an Anfänger weiterzugeben, oder ob die sich mit einer solchen "falsch" mensurierten Geige die Spielweise verderben. Ich habe herumgefragt und die unterschiedlichsten Meinungen gehört. Es gab 3 Fraktionen:
    - Einer meinte, man solle unbedingt auf einer Geige mit Standard-Mensur lernen, da sonst später ein richtiges Intonieren auf Standard-Geigen schwierig wäre (so ähnlich steht es auch bei Möckel).
    - Ein professioneller Geigenbauer meinte, die schwingende Saitenlänge wäre egal, solange die relative Halslänge, d.h. das Mensurverhältnis von 2:3 eingehalten werde.
    - Eine andere Meinung war, wichtig wäre allein die Einhaltung der schwingenden Saitenlänge von 32,5 cm, da die nun einmal die Tonabstände auf der Saite definiere.
    - Gehört habe ich aber auch die extreme andere Meinung, dass das alles egal sei: "Die Hand passt sich da schon an!"


    Was gilt denn nun? Ich selbst habe beim Spielen keine Probleme mit den unterschiedlichen Mensuren, aber ich bin auch kein guter Spieler...

    • Offizieller Beitrag

    Hier gibt es wirklich die beiden genannten Ansichten. Die heute als korrekt anerkannte Mensur beträgt 13,0 (Halsmensur) cm für den Hals und 19,5 cm (Deckenmensur) vom Korpusrand bis zum Steg (Verhältnis 2:3), also 32,5 cm Spielmensur. Diese Maße gelten heute als diejenigen mit der optimalen Spielbarkeit und Klangfülle. Ausschlaggebend für die Griffsicherheit ist in erster Linie die schwingende Saitenlänge, die 32,5 cm betragen sollte.


    Es gibt aber auch viele alte Instrumente die davon abweichen und auch gut klingen und sich gut spielen. Wie gesagt, hier fängt dann die große Diskussion an.


    Übrigens ist die Violine das Instrument, bei der die "Normmaße" am meisten eingehalten werden. Bei Violincello und Viola geht und ging man damit schon großzügiger um.


    Bei Geigen, die einen Hals von 12,5 cm oder kürzer haben, spricht man von einer "Kurzhalsgeige".


    Für einen Anfänger mag es von Vorteil sein, auf einem Instrument mit der allgemein anerkannten Mensur zu lernen.

  • Vielen Dank für die Antwort!
    Ich habe die Sache in den letzten Monaten für mich weiter verfolgt und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich für mich selbst der Mensur keine so starke Bedeutung mehr zumessen werde. Sehr viele Geiger spielen ja auch Bratsche bzw. umgekehrt, und das Wechseln der Instrumente bereitet normalerweise gar keine Schwierigkeiten - man greift bei der Bratsche eben ein wenig weiter, und nach ein paar Tönen spätestens hat man sich auf die neue Mensur eingestellt. Aber auch das Wechseln von Bratschen unterschiedlicher Größe, wie ich es kürzlich ausprobiert habe, ist eigentlich kein Problem.
    Vielleicht liegt das Ganze aber auch am Spieler und seiner individuellen, sozusagen hirnphysiologischen Ausrichtung? So wie es in vielen Bereichen unterschiedliche Lerntypen unter den Menschen gibt, könnte es doch auch sein, dass der eine unbewusst mehr die relativen Tonabstände auf der Saite, der andere mehr die absoluten Abstände speichert. Der zweite Typ hätte dann mit Mensuränderungen mehr Schwierigkeiten als der erste. Naja, das ist mal so eine Spekulation, aber ich könnte es mir vorstellen.
    - Ganz unproblematisch sehe ich so oder so die Kurzhalsgeigen: Wenn die schwingende Saitenlänge von 32,5 cm stimmt, ist für den Anfänger, der ja ohnehin etliche Jahre nur 1.-3. Lage spielt, alles in Ordnung. Und wenn es in die höheren Lagen geht, ist der Übergang zu einer Standardgeige dann überhaupt kein Problem.