Wie öffnet man eine Geige?

  • Hallo zusammen,


    vor ein paar Monaten habe ich (wie so viele andere) auf ebay eine Geige ersteigert, die sich als nahezu schrottreif herausgestellt hat. Der Geigenbauer meinte, man müsste ca. 300-400 Euro an Reparaturkosten investieren, und mehr wäre sie dann auch gar nicht wert. Außerdem hat sie inzwischen noch einen Riss im Bereich der (nicht mehr vorhandenen) Stimme hinzubekommen. Da habe ich also auf ebay Lehrgeld bezahlt...


    Ich habe mich daher entschlossen, sie für eigene Studien- und Bastelzwecke auseinanderzunehmen. Nur - wie löst man den Leim? Die Decke ist schon ca. 10 cm offen rechts vom Kinnhalter, ich dachte mir, ich mache genau da weiter und nehme die ganze Decke ab und auch das Griffbrett, welches leicht angebrochen ist. Vielleicht kann ich ja sogar selbst was reparieren, und wenn es schief geht - dann macht es auch nichts. Im wesentlichen geht es mir darum, etwas dabei zu lernen.


    Also bitte keine Scheu - ich werde niemanden haftbar machen, wenn ich die Geige hinterher wegschmeißen muss, denn das müsste ich ja sowieso... ;)

  • Otto Möckel: "Geigenbaukunst" S. 258: "Für die Lostrennung der Decke von den Zargen eignet sich ein flaches, dünnes Tischmesser, dessen Klinge man auf dem Schleifstein an allen Ecken und Kanten gut verrundet hat.Die Schneide soll weder zu scharf noch zu stumpf sein. Man halte ferner bereit: ein Stückchen Leinwand, etwas Alkohol, um das Messer mit der mit Spiritus getränkten Leinwand von Zeit zu Zeit zu benetzen..
    Man setze das Messer zuerst an die beiden Stellen, die den Hals durch die Deckenränder einschliessen, und führe es mit starkem Druck links und rechts zwischen Hals und Rand, damit später beim Abheben der Decke an dieser Stelle keine Randverletzungen oder gar Brüche entstehen; ebenso verfahre man mit den Rändern links und rechts vom Untersattel.
    Ist dieser vorsichtig an beiden Seiten freigelegt, so führe man mit einem kleinen Hammer einige kurze, bestimmte Schläge gegen den Sattel (in der Richtung nach dem Knopf zu), um ihn von den Zargen zu lösen?.Man sucht eine Stelle, an der die Zargen nicht allzu fest mit der Decke verbunden sind... Man befeuchtet das Trennungsmesser mit Alkohol und drängt es vorsichtig in die Öffnung ein und erweitert sie durch leichten Druck auf den Messerrücken".."


    Viel Spass!

    • Offizieller Beitrag

    Das ist mal einen schönes Beispiel! Sehr grob ausgearbeitete Decke, der Bassbalken wurde nicht verleimt, sondern einfach "stehengelassen". Die unteren Ecken, die man durch die F-Löcher ohne Hilfsmittel sieht, mit Blender versehen, so dass man meint die Geige hat Eckklötze. So wurden viele Abertausende Geigen in Böhmen gebaut.


    Man kann den Bassbalken weghobeln, die Decke nacharbeiten, und einen "echten" Bassbalken einkleben. Dies dürfte auch den Ton verbessern. Ecken einpassen ist schon bisschen aufwändiger und dürfte sich wahrscheinlich nicht so lohnen, weil es den Klang wohl nicht so deutlich positiv beeinflussen dürfte wie ein echter, unter Spannung eingeklebter Bassbalken.


    Auf jeden Fall mal ein sehr schönes Beispiel einer geöffneten Geige. Vielen Dank dafür!


    PS: Wo sind eigentlich die Reifchen zur Decke hin geblieben? Waren wahrscheinlich gar nicht vorhanden!?

  • Die Reifchen sind an den Zargen stehengeblieben, was man im Bild oben recht gut sieht. Sie sind aber nicht durchgehend und auch ein bisschen zu dünn.


    @ Admin: Die Empfehlungen zu den Eckklötzchen und dem Bassbalken habe ich jetzt nicht ganz verstanden. Das der Bassbalken "stehengelassen" und nicht aufgeleimt wurde, hat man ja häufiger so gemacht, ich glaube nicht, dass sich der Aufwand lohnt, den zu ersetzen (bzw. dass ich als Anfänger das besser hinkriege). Über die Ecken mache ich mir schon mehr Gedanken. Wäre es sinnvoll, da etwas zurechtzuschnitzen, oder sie einfach z. B. mit etwas Holpaste auszufüllen, wegen der Stabilität?


    Die Decke selbst werde ich wohl etwas nachbearbeiten, sobald ich geeignetes Werkzeug ausgeliehen habe. Meine Fortschritte werde ich hier dokumentieren, auch für Tips zum Arbeiten bin ich dankbar.


    Das Griffbrett ist stärker konkav als erlaubt (und aus einem hellen Holz, was man erst nach dem Abnehmen auf der Unterseite sehen kann). Ich bin dabei, es mit Wasserdampf und Druck mittels einer Klammer und einem Stück Laminatboden gerader zu biegen.

  • Inzwischen habe ich an der Decke etwas gearbeitet. Zuerst mit dem Stechbeitel, dann mit Schleifpapier (Körnung 100). Ich glaube, ein Geigenbauer arbeitet auf der Innenseite ohne Schleifpapier, aber so geschickt bin ich mit dem Stechbeitel nicht...


    Auf dem Foto von der Innenseite der Decke sieht man unterhalb des Bassbalkens, dass die Oberfläche einigermaßen glatt geworden ist, auch das von mir (so gut ich es hingekriegt habe) eingesetzte Stimmfutter. Oberhalb des Bassbalkens bisher nur mit einem Stechbeitel nachgearbeitet, das schleife ich auch noch glatt. Habe das Foto zur Anschaulichkeit in dem halbfertigen Zustand aufgenommen. Den Bassbalken lasse ich mal so stehen, habe ihn nur etwas "harmonischer" geschliffen.


    Auf dem anderen Foto sieht man die Decke noch fast im Originalzustand mit ein paar Resten vom Kleben des Stimmrisses. Zum Kleben habe ich Modellbaukleber und Holzleim eingesetzt. Den Lack werde ich noch teilweise abschleifen und anschließend nach dem Zusammenkleben heller lackieren.


    Die fehlenden Eckklötze bereiten mir noch Kopfzerbrechen... Soll ich welche schnitzen, was bringt das (für den Klang/ für die Stabilität)? Kann mir jemand einen Rat geben?


    Also, bevor ich die Decke wieder dranklebe, hat noch jemand einen wichtigen Hinweis, was noch getan werden sollte? Ich muss erst noch den richtigen Leim besorgen, also ein bisschen Zeit bleibt...

  • Danke für die Dokumentation! Klötze sind nicht unbedingt notwendig.


    Der Schwede Sören Ekebjörns schreibt in seinem Buch "Folkets Fioler" 1985 S. 46 f (meine Übersetzung):


    "Sehr oft fehlen sie (die oberen Eckklötze, Red.), und das kann meistens als eine Art Pfuscharbeit verstanden werden. Oben sieht man nur schwer, wie die Geige gebaut wurde, also unterlässt man die Zeiterfordernden Klötze dort. Aber unten kann jeder kontrollieren, und da gibt es Klötze, oder man verwendet nur eine Blende; dann sieht es so aus, als hätte die Geige prächtige Klötze.


    Solche Pfuschgeigen haben keinen hohen Handelswert, klingen aber "leider" oftmals unverschämt gut, wenn sie ordentlich justiert werden.


    Geiger, die Instrumente ohne Klötze besitzen, sollen jedoch nicht verzweifeln. Insbesondere sächsische und einige französische Geigenbauer arbeiteten in dieser Weise. Ein Geigenbauer hat mir mal erzählt: "Ich bin dazu ausgebildet, ohne Klötze zu bauen, und das gelingt sehr gut. Aber ich verwende jedoch eine Art Klötze, um meine Instrumente verkaufen zu können".